Mehr Hilfe – Ausbau sozialpädiatrischer Zentren gefordert

Warum das Sozialpädiatrische Zentrum in Neunkirchen so wichtig ist

Christine Herrmann / Onlinefassung: Kasia Hummel   06.04.2025 | 18:56 Uhr

Zu wenige Kinderärzte, zu wenige Kinderpsychologen und eine Versorgungslücke für schwerst- und mehrfach behinderte Kinder: Es fehlt an allem im Saarland, was kranken Kindern hilft und gut tut. Umso wichtiger ist das Sozialpädiatrische Zentrum in Neunkirchen.

Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu. Der Bedarf an Hilfsangeboten steigt. Das merken auch die Fachleute des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) in Neunkirchen. Im vergangenen Jahr warteten mehr als 1000 Kinder und Jugendliche auf einen Platz. Die Wartezeit umfasst oft mehrere Jahre.

Dr. Rainer Hasmann ist der leitende Arzt im Sozialpädiatrischen Zentrum Neunkirchen. Seit Jahren stellt er fest, dass immer mehr Kinder und Jugendliche verhaltensauffällig sind. „Es gibt einerseits Erkrankungen, die die Aufmerksamkeitsfähigkeit reduzieren, andererseits ist es unsere Lebenswelt. Wir leben in einer sehr komplexen, reizüberfluteten Welt“, erklärt der Mediziner.

Frühförderung im SPZ

Eine, die zur Frühförderung ins SPZ kommt, ist Leonie. Die Sechsjährige hat keinen Kindergarten besucht, kommt aber im Sommer in die Schule. Es gibt einiges nachzuholen. Mutter Sabrina Mollen hat insgesamt vier Kinder, drei mit Verhaltensauffälligkeiten.

Die Familie fühlt sich im SPZ gut umsorgt. „Ich habe mich noch nie so verstanden gefühlt“, erzählt die Mutter. Erstmals habe sie das Gefühl, dass sich jemand der Problematik ihrer Kinder ernsthaft annehme.

Das SPZ ist für viele Eltern der letzte Strohhalm. Die Leidensgeschichte vieler Familien ist lang. Auch Sabrina Mollen musste lange warten. Das SPZ war auch für sie und ihre Kinder die letzte Chance, Hilfe zu bekommen.

Für viele Eltern die letzte Anlaufstelle

Wenn Regelversorgungseinrichtungen die Probleme nicht ausreichend lösen konnten, sei das SPZ für viele Eltern die letzte Anlaufstelle. „Dann versuchen wir, durch unsere Multiprofessionalität Türen zu öffnen“, so Hasmann.

Auch Marc und Sandra Schamne sind leidgeprüft. Drei Wochen sind sie nun im Neunkircher SPZ stationär untergebracht. Sohn Luca ist acht Jahre alt, geistig behindert und zeigt Verhaltensauffälligkeiten. Seit Jahren stand die Familie auf der Warteliste. Jetzt soll unter anderem Musiktherapie helfen.

„Wir hatten im Oktober unseren ersten Aufenthalt. Auf den haben wir drei Jahre gewartet“, erzählt Lucas Mutter. Da im Zuge dieses ersten Aufenthaltes nicht alles bewerkstelligt werden konnte, sei der Familie zeitnah nochmal ein zweiter Aufenthalt ermöglicht worden. Jetzt solle es um die Medikamentation für Luca gehen. „Die erste Wartezeit war schon eine Herausforderung“, erinnert sich die Mutter.

Jahrelange Wartezeit

Nachdem Luca immer häufiger aggressiv wurde, telefonierte Sandra Schamne in ihrer Verzweiflung vergangenen Sommer quer durch Deutschland. Keiner konnte sie aufnehmen. Dann die Rettung: In Neunkirchen wurde ein Platz frei. Ein Glücksfall.

„Wir erhoffen uns in allererster Linie, dass es Luca besser geht und dass eine passende Medikamentation für ihn gefunden wird, die das Leben für ihn wundervoll macht, die ihm hilft, seine Aggression, seine Wut zu kontrollieren und somit natürlich auch unser Leben wieder ein Stück weit einfacher und lebenswerter macht.“

Weiteres SPZ geplant

Luca ist körperlich und geistig behindert. Darauf ist das SPZ in Neunkirchen eigentlich nicht spezialisiert. Ein weiteres SPZ ist daher extrem wichtig. Hasmann freut sich, dass die Uniklinik Homburg nun ein weiteres beantragt hat. „Wir freuen uns auf das zweite SPZ, da es einen weiteren Schwerpunkt haben wird“, so Hasmann. Es soll sich nämlich insbesondere auf komplex körperlich kranke und komplex körperlich behinderte Kinder spezialisieren.

Das 60-köpfige Team am SPZ in Neunkirchen ist breit aufgestellt. Musiktherapie ist eine Form, um an die Kinder heranzukommen. Auch Ergotherapie wird vielfach eingesetzt. Nicht zu vergessen die Psychologen. Sie schulen die Eltern auch in Erziehungsfragen. Um das Verhalten der Kinder in den Griff zu bekommen, arbeitet die ganze Familie mit, aber auch Erzieher und Lehrer.

„Unser Ansatz ist es, sowohl mit den Kindern als auch mit den Eltern zu arbeiten, weil die ihre Kinder effektiv fördern und unterstützen können“, so Hasmann. Außerdem sei es wichtig, dass man dabei einen positiven Weg gehe. „Wir sagen, es ist viel besser zu loben als zu tadeln“, ergänzt der leitende Arzt am SPZ Neunkirchen.

Positive Verstärkung

Positiv verstärken – das ist der Ansatz in der Musiktherapie. Es geht um spielerisches Lernen. Luca zum Beispiel lässt sich leicht ablenken. Hier wird seine Ausdauer trainiert. Musiktherapie sei häufig gerade bei behinderten Kindern erfolgreich, weil sie die Kinder zur Mitarbeit begeistern könne, erklärt der Mediziner. „Und diese Mitarbeit brauchen wir, um aktiv mit den Kindern zu üben. Kinder lernen umso besser, je mehr Freude sie beim Lernen haben.“

Sandra Schamne ist froh, dass Luca drei Wochen hier sein darf. Die dreijährige Wartezeit war schwer für die Familie. Sie hoffen nun auf Besserung. „Wir sind heilfroh, weil wir das Gefühl haben, es wird was getan.“ Es werde nach Luca, seinen Bedürfnissen und seiner Erkrankung geschaut. „Außerdem werden wir als Eltern unterstützt."

Auch Sabrina Mollen ist froh über die Unterstützung für ihre Kinder durch das multiprofessionelle Team. Für die Familie hat sich einiges zum Guten verändert.

Über dieses Thema hat auch "Wir im Saarland - Das Magazin" im SR Fernsehen am 03.04.2025 berichtet.


Mehr zum Thema Kindergesundheit

Kinder und Jugendliche meist betroffen
Mehr Lungenentzündungen durch Mykoplasmen im Saarland
Im Saarland erkranken derzeit immer mehr Kinder und Jugendliche an einer Lungenentzündung, die durch Mykoplasmen ausgelöst wurde. Der Homburger Kinderarzt Brixius spricht von einer "Infektionswelle". Es gebe aber keinen Grund zur Sorge, weil man eine Infektion mit Mykoplasmen meist gut behandeln könne.

Kinderbuch zur Demenz
Wie man den Kleinen die Krankheit spielerisch erklärt
Mit der Volkskrankheit Demenz beschäftigen sich nicht nur Erwachsene. Auch Kinder bekommen mit, dass sich Betroffene nicht so verhalten wie gewohnt. Ein Kinderbuch aus dem Saarland soll ihnen das Thema behutsam erklären.

Ratgeber für Eltern
Wohin bringe ich mein krankes Kind, wenn der Kinderarzt schon geschlossen hat?
Es ist Wochenende oder spät am Abend und das Kind ist krank oder hat sich verletzt. Wie sollten Eltern in diesem Fall reagieren? Wann sollten sie zum Kinder-Notdienst fahren und wann sogar einen Krankenwagen rufen? Der langjährige Kinderarzt Benedikt Brixius und die Kassenärztliche Vereinigung Saarland geben Tipps, worauf Eltern achten sollten.

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja