Ein Wagen der Bundespolizei an der Grenze zu Frankreich. (Foto: dpa/ Oliver Dietze)

"Schwerer Schaden für die europäische Idee"

Kommentar von Uli Hauck   26.03.2020 | 16:28 Uhr

Am 26. März 1995 traten die Bestimmungen für ein Europa ohne Grenzkontrollen in dem kleinen luxemburgischen Moseldorf in Kraft. Der Ort war bewusst gewählt, Frankreich und Deutschland waren in Sichtweite. 2020, in der Corona-Krise, haben auch deutsche Ministerpräsidenten dafür gesorgt, dass die Schlagbäume wieder gesenkt wurden. Der europäischen Idee haben sie schweren Schaden zugefügt

Der österreichische Rechtsausleger Sebastian Kurz machte es vor – Bayern, das Saarland und Baden-Württemberg sind nachgezogen. Grenzen dicht, Schlagbaum runter war das populistische Motto. Denn die Angst vor den Risikogebieten in den Nachbarländern war groß!

Und auch wenn nahezu alle Experten und Virologen sich einig sind, dass ein Virus vor Grenzsperrungen nicht Halt macht, kommt dieser Aktionismus bei der verunsicherten Bevölkerung gut an. 80 Prozent befürworten die aktuelle Schlagbaum-Politik. Entsprechend hämisch war auch die Freude des AfD-Vorsitzenden Gauland im Bundestag. Nach dem Motto: Seht her, Grenzen dicht, geht doch.

Scherben asufkehren

Uli Hauck (Foto: ARD-Hauptstadtstudio/Jens Jeske)
Uli Hauck

Die Kommunikation der föderalen Provinzfürsten war bei ihrer Maßnahme aber ein Desaster, denn die Nachbarn wurden erst spät oder gar nicht eingebunden. Söder, Hans, Kretschmann, die angeblichen Macher in der Krise, sind in Abstimmung mit Innenminister Seehofer vorgeprescht und haben damit die Position der Bundesregierung in Europa nachhaltig geschwächt.

Bundespräsident, Kanzlerin und Außenminister versuchen seitdem die Scherben aufzukehren. Sie dürfen Populisten in Tschechien und Polen einfangen und davon überzeugen, wie unsinnig ihre einseitigen Grenzschließungen und kilometerlange Staus sind.

Anfeindungen zwischen Deutschen und Franzosen

Waren werden knapp und zehntausende Pendler, wie dringend benötigte Pfleger, Ärzte und Krankenschwestern, kommen nur noch schwer oder unter Einschränkungen an ihre Arbeitsplätze. Anstatt sich grenzüberschreitend zu helfen, ist jahrzehntelanges Miteinander und Vertrauen diesseits und jenseits der Grenzen stark beschädigt worden. Zwischen Deutschen und Franzosen gibt es wieder Anfeindungen.

In Ostfrankreich müssen die Ärzte entscheiden, ob die Beatmung von Patienten tatsächlich eine lebensverlängerte Maßnahme darstellt, oder ob man Corona-Kranke sterben lässt, um andere vielleicht zu retten. Es fehlt an Beatmungsplätzen, während deutschlandweit aktuell noch über 10.000 Intensivbetten frei sind.

Nach langem Zögern haben Baden-Württemberg und das Saarland Hilfen im kleinen Rahmen angeboten. Aber wirkliche deutsch-französische Freundschaft wird nur in Sonntagsreden gepflegt. Wie es besser gehen kann, zeigt NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Er lässt die Grenzen zu den Nachbarländern Niederlande und Belgien offen und kündigt eine enge Zusammenarbeit im länderübergreifenden Kampf gegen Corona an.

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