Proteinpräparate (Foto: picture alliance / dpa | Daniel Karmann)

Warum die meisten Menschen keine High-Protein-Produkte brauchen

Das Interview führte Sandra Schick   23.06.2024 | 09:00 Uhr

Proteinnudeln, Eiweißbrot, High-Protein-Pudding – der Markt mit Protein-Lebensmitteln boomt. Die Botschaft: Proteine helfen abzunehmen und Muskelmasse aufzubauen. Aber braucht ein Durchschnittsmensch überhaupt zusätzliches Protein aus solchen Produkten?

Eine kohlenhydratarme und gleichzeitig eiweißreiche Ernährung soll der Schlüssel für eine schlanke Figur und einen gesunden Körper sein. Da ist es nicht verwunderlich, dass Lebensmittel mit Labels wie "High Protein" boomen.

Sie versprechen dem Käufer extra viel Eiweiß. Doch braucht man das überhaupt, wenn man kein Leistungssportler ist?

Niklas Schwarz ist Dozent und Autor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken. Er kennt sich mit der Ernährung von Sportlern und auch uns Durchschnittsmenschen aus.


SRinfo.de: Herr Schwarz, wozu braucht der Körper eigentlich Proteine?

Niklas Schwarz: Da denken die meisten Menschen zuerst an die Muskulatur. Das ist soweit auch richtig. Wir brauchen Eiweiß für den Aufbau und auch für den Schutz der Muskulatur. Aber Protein hat noch viel mehr Funktionen im Körper: Alle Zellen bestehen aus den Bausteinen der Proteine, den Aminosäuren. Auch für das Immunsystem brauchen wir Eiweiße. Fast alle Funktionen im Körper sind von Eiweißen abhängig.

SRinfo.de: Und wieviel sollte ich täglich zu mir nehmen?

Niklas Schwarz: Ein normaler Erwachsener, der wenig Sport macht, kann sich an 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag orientieren. Wenn ich also 70 Kilogramm wiege, bräuchte ich 56 Gramm Eiweiß.

Niklas Schwarz  (Foto: Niklas Schwarz, Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH )
Ernährungsexperte Niklas Schwarz von der Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement

Für Sportler ist der Wert etwas erhöht. Da kommt es aber natürlich auf die Sportart an und die Häufigkeit und Intensität des Trainings. Man kann sich aber pauschal an 1,2 bis 2,0 Gramm orientieren.

Es gibt auch noch andere Personengruppen, abseits von Sportlern, die einen erhöhten Bedarf haben. Das sind zum Beispiel Senioren ab einem Alter von 65 Jahren. Hier ist die offizielle Empfehlungen 1,0 Gramm pro Tag. Und diese Empfehlung gilt auch für Schwangere und Stillende.

SRinfo.de: Decken Durchschnittsmenschen ihren Protein-Bedarf ausreichend über normales Essen?

Niklas Schwarz: Wenn ich mich mit Mischkost ernähre, also alles auf dem Speiseplan steht, dann braucht man in den meisten Fällen keine zusätzlichen Proteinprodukte. Ein 200-Gramm-Stück Fleisch hat zum Beispiel schon über 40 Gramm Eiweiß.

Abseits der klassischen, tierischen Quellen sollte man die pflanzlichen Proteinquellen nicht vergessen. Dazu zählen zum Beispiel Linsen, Tofu, Soja, Kidneybohnen und Kichererbsen, das sind auch gute Eiweißquellen.

Pauschal gesagt sind tierische Proteine zwar meistens hochwertiger als pflanzliche. Aber es gibt auch sehr hochwertiges, pflanzliches Protein. Im Idealfall kombiniert man mehrere unterschiedliche Proteinquellen in seiner Mahlzeit. Wenn man sich rein vegan ernährt, sollte man Getreide und Hülsenfrüchte kombinieren, um gut abgedeckt zu sein.

SRinfo.de: Der normale Durchschnittsmensch braucht die High-Protein-Produkte also eher nicht?

Niklas Schwarz: Das ist richtig. In der Regel braucht man diese Produkte nicht, man sollte versuchen, seinen Bedarf so weit wie möglich aus natürlichen Proteinquellen zu decken, weil man hierüber noch viele weitere, wichtige Nährstoffe bekommt.

Diese Produkte können vielleicht hilfreich sein, wenn man beispielsweise unterwegs ist und man auf einer Reise nicht immer Zeit hat, auf die ausreichende Eiweißmenge zu achten. In dem Fall kann ein Protein-Riegel, -Pudding oder -Shake hilfreich sein.

Man sollte aber nicht vergessen, dass vieles davon eine Süßigkeit ist. Ein Protein-Pudding kann zwar eine Alternative zu normalen Süßigkeiten sein. Aber man sollte ihn auch nur in Maßen genießen. Die Ernährung sollte nicht nur aus solchen Produkten bestehen.

SRinfo.de: Apropos "in Maßen genießen". Kann zu viel Protein schädlich sein für die Gesundheit?

Niklas Schwarz: Für den normalen Menschen dürfte es schwer werden, seinem Körper zu viel Eiweiß zuzuführen. Es gibt auch keine nennenswerten Daten, die große, negative Effekte gezeigt hätten. Es gibt Untersuchungen zu einer Dosis von 4,0 bis 5,0 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht – dort wurden keine Schädigungen festgestellt.

Personen mit Nierenerkrankungen sollten aber schon auf ihren Eiweißkonsum achten. Für sie kann ein Zuviel wirklich schädlich sein.

SRinfo.de: Hilft mehr Protein beim Abnehmen?

Niklas Schwarz: Ja, Proteine können beim Abnehmen helfen. Das liegt daran, dass proteinreiche Ernährung deutlich länger sättigt, was dazu führen kann, dass ich weniger esse. Für das reine Abnehmen brauche ich aber eine negative Energiebilanz. Ich muss also mehr verbrauchen, als ich dem Körper zuführe.

SRinfo.de: Und wie ist es mit dem Muskelaufbau? Viele Durchschnittssportler versprechen sich von den Proteinprodukten, dass sie dadurch Muskeln aufbauen.

Niklas Schwarz: Zum Muskelaufbau muss ich tatsächlich gezielt mehr Protein zu mir nehmen. Da kann man sich an 1,2 bis 2,0 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht orientieren. Abseits der ausreichenden Proteine braucht man – genau umgekehrt zum Abnehmen – aber eine positive Energiebilanz. Das heißt wir müssen mehr Energie zuführen, als wir verbrauchen, damit der Körper die Muskeln überhaupt aufbauen kann.

Und natürlich muss man ein entsprechendes Sport-Training absolvieren. Von alleine wachsen Muskeln nicht.

SRinfo.de: Das heißt fürs Abnehmen brauche ich eine negative Energiebilanz für den Muskelaufbau aber eine positive. Das klingt schwierig, wenn ich beides zusammen erreichen will. Da machen sicherlich viele Menschen Fehler, oder?

Niklas Schwarz: Ja, man sollte, gerade wenn man Gewicht verlieren und gleichzeitig Muskulatur aufbauen will, auf ausreichende Eiweißzufuhr achten. Da ist der Bedarf leicht erhöht um etwa 0,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Ein häufiger Fehler beim Abnehmen ist, dass zu wenig Eiweiß gegessen wird. Dann verlieren wir nicht nur Körperfett, sondern bauen auch Muskulatur ab.

Außerdem ist sehr wichtig, das meiste Eiweiß aus natürlicher Nahrung zu decken. Denn die liefert ja noch viele andere wertvolle Inhaltsstoffe wie Fette, Mineralien, Vitamine – das ist in Proteinpulver nicht mit drin. Die brauchen wir aber beim Abnehmen und dem Muskelaufbau.

SRinfo.de: Wir danken für das Gespräch Herr Schwarz.


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