Vogelgrippe auf dem Vormarsch

Infektionsmediziner: So gefährlich ist das Vogelgrippe-Virus aus den USA

Kai Forst   17.07.2024 | 06:20 Uhr

In den USA infizieren sich derzeit Milchkühe mit dem Vogelgrippe-Virus und stecken Menschen an. Experten wie der Homburger Infektionsepidemiologe Jürgen Rissland sehen in dem H5N1-Virus zwar einen Kandidaten für eine weltweite Infektionswelle. Aktuell sei die Gefahr einer Pandemie aber eher gering.

Gerade ist die Corona-Pandemie überstanden, da sorgen Meldungen über Vogelgrippe-Erkrankungen in den USA für neue Unruhe. Milchkühe infizieren sich derzeit mit dem H5N1-Virus und stecken wiederum Menschen an.

Da stellt sich die Frage: Können die aktuellen Vogelgrippe-Infektionen eine weitere Pandemie auslösen? Experten wie der Virologe Christian Drosten haben bereits darauf hingewiesen, dass das H5N1-Virus ein aussichtsreicher Kandidat für eine nächste weltweite Infektionswelle sein könnte.

Dass das Virus das Zeug dazu hätte, glaubt auch der leitende Oberarzt am Zentrum für Infektionsmedizin der Universitätsklinik des Saarlandes, Professor Jürgen Rissland. Gleichzeitig warnt er im SR-Gespräch vor übereilter Sorge oder gar Panik.

„Aktuell ist die Einschätzung der Infektions-Epidemiologen, dass dieser weltweite Infektionszug derzeit noch nicht so kurz bevorsteht. Insgesamt wird die Gefahr von der europäischen Seuchenschutzbehörde für die Allgemeinbevölkerung als derzeit sehr gering eingestuft.“ Dennoch dürfe man das Virus nicht unterschätzen, da es sich verändere und ausbreite.

Vogelgrippe: Ursprung in China

Neu ist die Vogelgrippe nicht, man kennt sie im Grunde schon seit Jahrzehnten. Ähnlich wie das Corona-Virus hat der H5N1-Virus seinen Ursprung in China. „Wir kennen es weltweit schon seit Ende 1996. Da ist es in China gefunden worden. Aber es hat eben bis heute immer nur für relativ wenige Infektionsfälle beim Menschen gesorgt.“

Was die aktuellen Fälle in den USA derzeit so brisant macht, ist die Tatsache, dass sich dort Milchkühe infizieren. Das Virus ist laut Rissland bei den Rindern an einem Ort gefunden worden, „der ein bisschen ungewöhnlich ist, nämlich im Euter, also in der Milch selber“. Und es habe sich gezeigt, dass sich das Virus von dort aus immer weiter ausbreitet, unter den Kühen, aber bei engem Kontakt auch auf den Menschen.

Allerdings erfordere die Übertragung in der Regel einen relativ engen Kontakt. Das Virus werde derzeit also noch nicht so effizient von Tieren auf Menschen übertragen. „Und bislang wurde auch noch nicht nachgewiesen, dass es effektiv von Mensch zu Mensch übertragen wird.“

Finnland bietet Impfungen an

In Finnland ist man dennoch bereits besonders sensibilisiert. Im vergangenen Jahr gab es dort mehrere Vogelgrippe-Ausbrüche auf Pelztierfarmen. Daher bietet die Regierung dort für Menschen mit einem erhöhten Risiko Impfungen an.

Für Rissland eine durchaus sinnvolle Maßnahme, da es in Finnland im vergangenen Jahr Vogelgrippe-Ausbrüche in Geflügel- und Pelztierfarmen gegeben habe. Dort sei das Virus in den Tierpopulationen nachgewiesen worden. „Und jetzt hat man diese Impfungen erst einmal für die Menschen empfohlen, die wirklich in engerem Kontakt zu diesen betroffenen Tierpopulationen stehen.“

Für Deutschland sieht Rissland aktuell noch keine Notwendigkeit für eine vorbeugende Impfung, da etwa im Juni 2024 kein Nachweis von H5N1 in den deutschen Hausgeflügelbeständen erfolgt sei. „Wichtig erscheint mir aber, dass wir die einschlägig empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen und die Überwachung der verschiedenen Tierbestände konsequent fortsetzen, um den Eintrag von H5N1 und die eventuelle weitere Verbreitung so lange wie möglich zu verhindern.“

Virus bereits in Europa angekommen

Dass aber auch hierzulande eine Übertragung auf den Menschen stattfinden wird, ist für Rissland nur eine Frage der Zeit. „Seit Anfang des Jahres gab es in Europa etwa 40 Nachweise in Tieren.

Und das heißt, auch in Deutschland sind einzelne Fälle insbesondere in Wildvögeln nachgewiesen worden, aber eben noch keine menschlichen Fälle. Das Virus ist also da – aber eben in den Tierpopulationen.“

Wie gefährlich ist H5N1? „Hohe Sterblichkeitsrate“

Bleibt die Frage: Wie gefährlich ist das H5N1-Virus eigentlich für den Menschen, wenn eine Infektion stattgefunden hat? Zwischen 2022 und 2024 sind laut Rissland rund 30 Krankheitsfälle auf den Menschen bekannt geworden. Die Hälfte dieser Fälle sei schwer verlaufen, der Rest mild oder sogar ohne Symptome.

„Sieben Menschen von den Schwererkrankten sind an der Infektion gestorben, was bestätigt, dass eine H5N1-Infektion keine banale Infektionskrankheit ist“, so Rissland. Seit man das Vogelgrippe-Virus kennt, sind weltweit rund 900 Fälle von infizierten Menschen aufgetreten. „Und etwa die Hälfte dieser Menschen ist gestorben. Das heißt also, da ist eine sehr hohe Sterblichkeitsrate mit verbunden.“

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 17.07.2024 berichtet.


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