Rixecker kritisiert Sellner-Auftritt in Saarbrücken

Saarland-Besuch von Rechtsextremist Sellner sorgt für Kritik

Niklas Resch, Marco Karp   25.07.2024 | 16:08 Uhr

Seine Thesen zur Remigration haben auch im Saarland zum Protest von zehntausenden Menschen geführt. Jetzt kommt der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner zu seiner Buchvorstellung ins Saarland. Daran gibt es Kritik – auch vom Antisemitismusbeauftragten. 

Martin Sellner war einer der maßgeblichen Akteure beim „Geheimtreffen von Potsdam“, über das das Recherchenetzwerk Correctiv im Januar berichtet hatte.

Den Berichten zufolge sprach er dort, unter anderem vor AfD-Mitgliedern, über seine Pläne zur Remigration. Diese sähen vor, dass Millionen von Menschen mit ausländischen Wurzeln massenhaft das Land verlassen müssten, auch Menschen mit deutschem Pass, wenn sie sich nicht „assimilierten“.

Erstmals wurden Sellners Thesen so einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Das führte zu bundesweiten Protesten, auch im Saarland gab es mehrere Demonstrationen mit insgesamt zehntausenden Menschen.

Video [aktueller bericht, 25.07.2024, Länge: 2:06 Min.]
Kritik an Lesereise von Rechtsextremist Sellner

Veranstaltungsort nicht bekannt

Im Rahmen einer bundesweiten Lesereise plant Sellner nun auch eine Veranstaltung im Saarland. Wie er auf seinen Social-Media-Profilen mitteilt, will er hier am kommenden Donnerstag (1. August) sein neues Buch zur Remigration vorstellen. Den genauen Ort teilte Sellner auf SR-Anfrage nicht mit. Er gab lediglich an, dass die Veranstaltung mit 50 Leuten ausgebucht sei und sich weitere 60 Interessenten gemeldet hätten.

Bei dem Termin selbst sei „bedauerlicherweise (…) keine Presse gestattet, um die Privatsphäre der Teilnehmer zu gewährleisten“, so Sellner.  Es ist davon auszugehen, dass die Veranstaltung in privaten Räumlichkeiten stattfinden wird. Denn dann muss sie nicht angemeldet werden.

Österreichischer Rechtsextremist zur Buchvorstellung im Saarland
Audio [SR 3, Moderation: Kerstin Gallmeyer, 25.07.2024, Länge: 04:32 Min.]
Österreichischer Rechtsextremist zur Buchvorstellung im Saarland

Rixecker: „Krude Theorien“

Der Antisemitismusbeauftragte, des Saarlandes, Roland Rixecker, kritisiert die Veranstaltung. „Ich finde es schlimm, dass solche kruden Theorien Zuhörerinnen und Zuhörer finden“, sagte Rixecker im SR-Interview.

Sellner vertrete klar rassistische Thesen. Letztlich steuere die Ideologie auf ein autoritäres System zu, das Menschen ihrer Rechte beraube – auch wenn Sellner seine Aussagen geschickt mit wohlmeinenden Worten tarne. Für Rixecker ist klar: „Die Zivilgesellschaft muss dagegen aufstehen“.

Verbindung der Identitären Bewegung ins Saarland

Die Fachstelle gegen Rechtsextremismus im Adolf-Bender-Zentrum in St. Wendel betont auf SR-Anfrage, der Österreicher Sellner sei in der Szene prominent und gut vernetzt. Dass er ins Saarland komme, zeige, dass es auch im Saarland Rechtsextremisten gebe, die organisieren könnten. 

Ganz überraschend ist das allerdings nicht. Denn zwischen Sellner - beziehungsweise der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung (IB) - als deren Vordenker er gilt, und dem Saarland gab es schon mehrere Verbindungen.

So war AfD-Landeschef Carsten Becker mit einem T-Shirt der IB bei einer Schulveranstaltung aufgetreten und hatte einem Onlineportal ein Interview gegeben, das als Sprachrohr der IB gilt. Auch der Landeschef der AfD-Jugendorganisation JA schrieb mehrfach für dieses Portal. Außerdem warb die Saar-JA in den sozialen Netzwerken um neue Mitglieder, mit einem Buch von Sellner als Willkommensgeschenk.

Sellner im „krassen Widerspruch zum Grundgesetz“

Für das Adolf-Bender-Zentrum steht außer Frage, dass Sellner ein Rechtsextremist ist. Er verzichte zwar auf einen brachialen Sprachgebrauch und verwende immer wieder Begriffe wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder gar Vielfalt.

Aber de facto spreche er Menschen ihr Existenzrecht in Deutschland ab, aufgrund der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion – oder weil sie sich gegen das rechtsextreme Weltbild positionierten.

Es spiele dabei für Sellner keine Rolle, ob diese Menschen einen deutschen Pass hätten oder nicht. „Das Denken von Sellner ist ideologisch geleitet und steht im krassen Widerspruch zu unserem Grundgesetz“, so das Adolf-Bender-Zentrum zum SR.

„Sellner und Bewegung nicht überbewerten“

Doch wie groß ist die Bewegung von Martin Sellner und Identitärer Bewegung IB eigentlich? Man müsse aufpassen, diese nicht größer zu machen, als sie ist, so die Einschätzung der Rechtsextremismus-Fachstelle des Adolf-Bender-Zentrums.

Vergangenes Wochenende habe die IB europaweit zu einer Großdemonstration in Wien aufgerufen, zu der nur 500 Rechtsextremisten gekommen seien. „Wenn dort von der Jugend Europas gesprochen wird, zeigt das auch, mit welcher Selbstüberschätzung hier vorgegangen wird“, so die Fachstelle.

Sellner: „Bin nicht menschenfeindlich“

Martin Sellner hat wiederholt Vorwürfe zurückgewiesen, seine Thesen seien eine Gefahr für das Gemeinwesen. Auf SR-Anfrage teilt er mit, er sei auch nicht menschenfeindlich. Als Begründung führt er auf, dass er selbst ein Mensch sei. Außerdem: „Meine Familie und mein Freundeskreis bestehen ebenfalls durch die Bank aus Menschen.“ Weitere inhaltliche Begründungen liefert er nicht.

Er attackiert dagegen seine Kritiker. Sie sollten sich sachlich mit seinen Thesen auseinandersetzen. Und wer glaube, dass herausfordernde Meinungen, die er nicht teile, eine Gefahr für die Demokratie seien, der habe den Begriff „Demokratie“ nicht ganz verstanden.

Bei der Veranstaltung können sich seine Kritiker allerdings nicht persönlich mit ihm und seinen Thesen auseinandersetzen, denn der Ort ist ja geheim.

Einreiseverbot gekippt

Mehrere Staaten haben zwar ein Einreiseverbot gegen den Österreicher Sellner verhängt, darunter die USA und Großbritannien. In Deutschland darf er sich aber weiterhin frei bewegen.

Das Verwaltungsgericht Potsdam kippte im Frühjahr ein gegen ihn verhängtes Einreiseverbot. Einer der Gründe: Eine schwere Gefährdung der Sicherheit sei von der Stadt Potsdam, die das Verbot zunächst erwirkt hatte, nicht ausreichend belegt worden.

Proteste in anderen Städten

In der hessischen Stadt Marburg formiert sich derweil Widerstand gegen die Buchvorstellung von Sellner. Dort ist am kommenden Montag eine Gegendemonstration geplant.

Auch in Marburg ist der genaue Veranstaltungsort nicht bekannt. Nach Informationen des „Hessischen Rundfunks“ soll die Veranstaltung wohl in den Räumlichkeiten einer Burschenschaft stattfinden.

Im Saarland ist derzeit nach SR-Informationen noch keine Demonstration angemeldet.

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 25.07.2024 berichtet.


Verbindung der Identitären Bewegung im Saarland

Diskussionsveranstaltung in Saarlouis
Carsten Becker mit rechtsextremem T-Shirt in Schule
Der Landesvorsitzende der AfD, Carsten Becker, ist bei einer Diskussionsveranstaltung an einer Saarlouiser Schule mit einem T-Shirt der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ aufgetreten. Die Gruppe wird vom Verfassungsschutz beobachtet.

Rassistische Wortwahl, einschlägige Kontakte
So nah ist AfD-Landeschef Becker an Rechtsextremen
Der Vorsitzende der saarländischen AfD, Carsten Becker, steht rechtsextremen Gruppierungen deutlich näher als bisher bekannt. Nach SR-Recherchen tritt er beispielsweise bei rechtsextremen Medien in Erscheinung – mit verfassungsfeindlichen Äußerungen. Ein Extremismus-Experte bescheinigt ihm eine große Nähe zur Identitären Bewegung.

Szene-Codes und extreme Positionen
So aktiv ist der Saar-Chef der AfD-Jugend im rechten Milieu
Im Streit zwischen AfD und dem Bundesverfassungsschutz verhandelt wieder das Oberverwaltungsgericht Münster. Es geht unter anderem um die Frage, ob die AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" bundesweit als gesichert rechtsextrem bezeichnet werden darf. SR-Recherchen zeigen: Der saarländische JA-Landeschef steht extrem weit rechts außen.

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