Zwei Frauen gehen zu den Sanitären Anlagen auf einem Festivalgelände (Foto: IMAGO / Avalon.red)

Spanner-Aufnahmen: Polizei erfasste 2023 über 90 Fälle im Saarland

  29.06.2024 | 08:47 Uhr

Heimlich Kameras etwa auf öffentlichen Toiletten oder in Kabinen zu installieren und damit intime Fotos oder Videos von nichtsahnenden Menschen anzufertigen, ist eine Straftat. Im vergangenen Jahr hat die Polizei im Saarland über 90 solcher Fälle erfasst. Sie mahnt daher zu besonderer Vorsicht.

Anfang Juni hat die Polizei Sulzbach eine Mitteilung veröffentlicht, in der sie um Hinweise von Zeuginnen und Zeugen bat. Es ging darum, einen Mann zu identifizieren, der eine Kamera auf der Toilette einer Regionalbahn angebracht hatte, um Reisende damit heimlich zu filmen. Wie die Polizei dem SR auf Anfrage mitteilte, laufen inzwischen die Ermittlungen gegen einen Verdächtigen. Was dieser mit den Aufnahmen vorgehabt hätte, ist den Angaben zufolge unklar – auch das ist Gegenstand der Ermittlungen.

Klar dagegen ist: Bei heimlichen Foto- oder Videoaufnahmen in einem geschützten Raum handelt es sich um einen Verstoß gegen Paragraf 201a Strafgesetzbuch. Wer "von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt", muss demnach mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen.

Heimliche Foto- oder Videoaufnahmen: 93 polizeilich erfasste Fälle im Saarland

Solche Delikte kommen im Saarland nicht selten vor. Nach Angaben des Landespolizeipräsidiums gab es im vergangenen Jahr 93 solcher Fälle, betroffen sind in der Regel Frauen. Allerdings gehe man von einer hohen Dunkelziffer aus, "da es sich hier um Delikte handelt, die sehr schambehaftet sind, sodass sich viele Opfer nicht an die Polizei wenden", erklärt Polizeikommissarin Denise Heilmann. Besonders häufig ereigneten sich derartige Taten demnach in folgenden Bereichen:

  • Fahrten mit dem ÖPNV
  • Öffentliche Toiletten
  • Toilettenanlagen von Gaststätten/Restaurants/Eventräumen
  • Diskotheken
  • Umkleidekabinen/Duschen in Schwimmbädern/Saunen/Fitnessclubs
  • Umkleideräume/Duschen in Unternehmen
  • Umkleidekabinen in Kaufhäusern/Rolltreppen
  • auf Veranstaltungen, bei Menschenansammlungen etc.

Wie eine Recherche des NDR zeigte, landen die heimlichen Aufnahmen häufig auch auf Pornoseiten im Internet. Der NDR hat etwa Fälle aufgedeckt, bei denen Kameras in Dixi-Toiletten auf Festivalgeländen befestigt worden waren, um Nahaufnahmen des Intimbereichs nichtsahnender Frauen anzufertigen und diese anschließend über die Porno-Plattform "xHamster" zu verbreiten.

Betreiber von Rocco del Schlacko sind keine Fälle bekannt

Sind solche Fälle auch Festivalbetreibern im Saarland bekannt? Wir fragen beim Betreiber des größten Festivals im Saarland, dem Rocco del Schlacko, nach. "Fälle von versteckten Kameras auf dem Festivalgelände sind aus der Vergangenheit nicht bekannt", sagt Thilo Ziegler. "Ich habe auch keine Bedenken und keine Angst davor, dass so etwas passiert." Einzelkabinen von Toilettenanlagen würden regelmäßig geputzt und dadurch gleichsam automatisch kontrolliert.

Ziegler ist überzeugt davon, dass es den Reinigungskräften auffallen würde, wenn Kameras auf den Toiletten installiert wären. "Und Duschen gibt es auf dem Festivalgelände gar nicht, stattdessen Shuttles zu Schwimmbädern in der Umgebung. Diese stellen sich während des Festivals auf höheren Andrang ein und haben dann zum Beispiel auch mehr Personal."

Landespolizeipräsidium rät zu erhöhter Wachsamkeit

Das Landespolizeipräsidum mahnt trotzdem zur Vorsicht – insbesondere in den oben genannten Risiko-Bereichen. "Im Zeitalter hochauflösender Kameras in Smartphones, Webcams, Dashcams und Spycams müssen wir alle damit rechnen, zu jeder Zeit und an jedem Ort auch heimlich beobachtet, fotografiert oder aufgenommen zu werden", sagt Heilmann. "Beobachten Sie Ihr Umfeld also aufmerksam: Schauen Sie sich in Umkleidekabinen oder Toilettenräumlichkeiten bewusst nach möglichen Aufnahmegeräten, Gucklöchern und ähnlichen Veränderungen um".

Und was, wenn man tatsächlich eine versteckte Kamera in einer Umkleidekabine, einer öffentlichen Toilette oder Dusche entdeckt, die dort definitiv nicht hingehören sollte? In dem Fall gelte: Immer die Polizei rufen, damit die Kamera gesichert, demontiert und zu weiteren Ermittlungen analysiert werden kann. Die Kamera sollte deshalb zuvor nicht angefasst werden, da sie als Spurenträger gesondert gesichert werden muss.

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 29.06.2024 berichtet.


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