Im Cockpit eines Flugzeugs vom Typ „De Havilland Q400“ während des Flugs (Foto: Anne Engels)

Entspannt fliegen lernen mit einem Flugangstseminar

Kasia Hummel   26.05.2024 | 18:52 Uhr

Schweißnasse Hände, Herzrasen und Horrorszenarien im Kopf – in so einem Zustand steigen viele in ein Flugzeug. Inzwischen bieten Airlines deshalb sogenannte Flugangstseminare an. Aber helfen die wirklich? Ein Selbstversuch.

Es ist 8.30 Uhr an einem Samstag in Luxemburg: In der Hoffnung, bald entspannt fliegen zu können, starte ich in ein zweitägiges Flugangstseminar der Fluglinie Luxair.

Schon am Treffpunkt vor dem Gebäude merke ich schnell, dass ich nicht die Einzige bin, die angespannt ist – vor allem, weil ich weiß, dass das „Finale“ des Seminars ein echter Flug sein wird. Wohin es gehen wird, wissen wir vorher alle noch nicht. Ab jetzt begleiten uns immer der Flugkapitän, ein Psychologe und zwei Flugbegleiterinnen.

Erst gibt's eine Vorstellungsrunde, die schnell zu Erleichterung führt. Darüber, dass es jedem einzelnen ähnlich geht und vielleicht auch darüber, dass man sich sympathisch ist. Obwohl wir uns alle gerade erst kennengelernt haben, merken wir recht schnell, dass wir im gleichen Boot und schon morgen im gleichen Flugzeug sitzen werden.

Technische Erklärungen des Flugkapitäns

Es folgen technische Erklärungen des Flugkapitäns, der die Gruppe, wie wir jetzt erfahren, nach Mailand fliegen wird. Wir starten mit Statistiken zu Unfallzahlen, Todesfällen an Bord und wichtigen Fakten rund um den Flugverkehr. Dass das Flugzeug statistisch gesehen das sicherste Verkehrsmittel ist, hat mit Sicherheit jeder von uns schon gehört oder gelesen. Überzeugt hatte mich diese Aussage bis dahin dennoch nicht.

Interessant und im Nachhinein am Hilfreichsten für mich wird tatsächlich der Teil, in dem der Flugkapitän erklärt, wie so ein Flugzeug eigentlich funktioniert, welche Sicherheitssysteme während des Fluges zur Verfügung stehen, warum es zu Turbulenzen kommt und vor allem was genau passiert, wenn mal etwas nicht nach Plan läuft.

Während ich nämlich dachte, dass bei einem Motorausfall zwangsläufig alles vorbei ist, weiß ich nun, dass es noch einen weiteren gibt. Und wenn der ausfällt, kann der Pilot das Flugzeug immer noch sicher landen. Dann allerdings mit einem Plan B, der sorgfältig ausgearbeitet wird.

So sehen wir auch ein Video von einem Flugzeug, das in Warschau eine Bauchlandung hingelegt hat, weil das Fahrwerk nicht herausgefahren werden konnte. Alle Passagiere blieben unverletzt – auch das scheint also möglich.

Besichtigung der De Havilland Q400

Nach einem gemeinsamen Mittagessen direkt am Flughafen wird es dann schon etwas ernster: Wir schauen uns das Flugzeug an, mit dem es am Sonntag nach Mailand gehen wird. Jeder darf mal ins Cockpit, der Flugkapitän erklärt noch einmal im Detail, wie Start sowie Landung ablaufen werden und wir bekommen alle die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Was sind Gründe, um einen Start abzubrechen? Bis wann kann der Pilot das noch machen? Wieviel Treibstoff nehmen wir mit?

Das Heck eines Flugzeugs vom Typ „De Havilland Q400“ auf der Rollbahn am Luxemburger Flughafen (Foto: Katarzyna Hummel / SR)
Das Heck eines Flugzeugs vom Typ „De Havilland Q400“ auf der Rollbahn am Luxemburger Flughafen

Jedem geht so einiges durch den Kopf. Inzwischen wissen wir nämlich nicht nur, dass wir alle nach Mailand fliegen werden, sondern auch, dass vier von uns das „Glück“ haben werden, bei Start und Landung im Cockpit dabei sein zu dürfen. Die anderen bekommen jeweils ein paar Minuten, sobald wir die Flughöhe erreicht haben. Ich ertappe mich kurz bei dem Gedanken, auf den Platz im Cockpit zu hoffen.

Atem- und Entspannungsübungen

Voller Gedanken, Emotionen und ein bisschen Kopfkino mache ich mich am nächsten Tag nochmal auf den Weg nach Luxemburg. Der Sonntag beginnt mit dem Psychologen. Wir lernen viel über Angst und ihre Symptome. Wir bekommen aber auch Tipps zum Umgang damit. Wir lernen Atem- und Entspannungsübungen sowie Methoden, um die Angst zu reduzieren.

Das Hilfreiche auch hier: der ständige Austausch in der Gruppe. Wir unterstützen uns, fühlen uns füreinander verantwortlich und irgendwie verbunden. Es ist eine Atmosphäre, die wahrscheinlich niemand so erwartet hatte.

Danach wird ausgelost, wer bei Start und Landung ins Cockpit darf. Dass ich enttäuscht darüber bin, eine Niete gezogen zu haben, macht mir dann doch etwas Mut.

Der Flug nach Mailand

Mit ganz anderen Gefühlen als einen Tag zuvor starten wir am Vormittag vom Seminarraum zum Luxemburger Flughafen. Beim gemeinsamen Mittagessen versuchen wir uns gegenseitig mit anderen Themen abzulenken. Wir sind zwar alle merklich angespannt, aber auch motiviert, diesen Flug zu meistern.

Es folgt das Boarding, ein auf und ab. Ich beobachte, wie die Crew ins Flugzeug steigt und hoffe auf gutes Wetter während des Flugs. Wir lachen, versuchen uns gegenseitig zu beruhigen und sind füreinander da. Wir steigen ein, nehmen Platz und warten darauf, dass es losgeht. Jeder hat seine Art mit der Situation umzugehen. Die einen suchen das Gespräch, andere ziehen sich zurück. Bei mir ist es irgendwas dazwischen.

Und dann ist es soweit: Mit Herzrasen, aber doch einer anderen Aufregung als sonst rollen wir dem Start entgegen und heben schließlich ab. Nach leichten Turbulenzen und auf Flughöhe registriere ich, zumindest den Teil geschafft zu haben, freue mich und schaue aus dem Fenster. Beim Blick auf die Alpen denke ich wohl zum ersten Mal nicht daran, wie das Flugzeug daran zerschellen könnte.

Spannende Minuten im Cockpit

Der Flug bleibt zwar aufregend, aber die panische Angst, die sonst regelmäßig in mir aufsteigt, entsteht diesmal nicht. Und so nehme ich das Angebot an und nehme direkt nach dem Start fast euphorisch im Cockpit Platz. Es fühlt sich an wie in einem falschen Film. Ich sehe, wie entspannt die Piloten arbeiten, nehme diese Atmosphäre für mich mit und beginne, den Flug zu genießen.

In Momenten, in denen dann doch manchmal die Aufregung in mir hochsteigt, helfen die Atemübungen und auch die technischen Erklärungen des Flugkapitäns vom Vortag, mich selbst wieder zu beruhigen. Und so warte ich gespannt auf die Landung und den Rückflug nach Luxemburg.

Dort angekommen, lasse ich die zwei Flüge Revue passieren. Trotz eines turbulenten Starts in Luxemburg, einer Warteschleife, die wir auf dem Rückweg aus Mailand fliegen mussten und der Tatsache, dass ich zwei mal starten und landen musste, bin ich ruhig, vielleicht sogar ein bisschen stolz.

Vor allem bin ich aber dankbar für die neuen Erfahrungen und die Chancen, die mir dieses Seminar geboten hat. Der nächste Flug ist gebucht. Ob ich dann auch ohne meine Gruppe und die mir bekannte Crew genauso entspannt sein werde, wird sich zeigen. Zuversichtlich bin ich allemal.


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