Frauenberuf? Warum in der Pflege immer noch weniger Männer als Frauen arbeiten
Es gibt sie auch heute noch: Berufe, in denen ein Geschlecht deutlich überwiegt. Dazu gehören auch Jobs im Pflegebereich, die im Saarland vor allem von Frauen dominiert werden. Ob sich daran was ändern muss, dazu gibt es unterschiedliche Ansichten.
Männer in Pflegeberufen - das ist auch heute noch ein eher seltenes Bild. Nach aktuellen Zahlen der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit waren im Saarland im Juni des vergangenen Jahres 18.550 und damit rund 81 Prozent der Beschäftigten Frauen. Lediglich 4250 Männer waren zu diesem Zeitpunkt in der Pflege tätig. Die Gründe dafür sind vielfältig.
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Woher kommts?
Zum einen werden Pflegeberufe nach Angaben der Arbeitskammer des Saarlandes traditionell als Frauenberufe angesehen. Sie würden mit vermeintlich weiblichen Eigenschaften wie Fürsorglichkeit und Empathie assoziiert. "Diese Stereotype sind tief in der Gesellschaft verankert und beeinflussen die Berufswahl junger Männer", teilte die Arbeitskammer auf SR-Anfrage mit. Außerdem fehle es an Vorbildern. Männliches Pflegepersonal sei nicht so sichtbar. Die Identifikation damit falle deshalb schwerer.
Doch auch die Bezahlung und das Berufsimage spielen eine Rolle. Die Pflegebranche sei oft mit schlechter Bezahlung, hohen körperlichen und emotionalen Belastungen sowie wenig attraktiven Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten verbunden. Da Männer sich oft mit der Erwartung konfrontiert sähen, der Hauptverdiener der Familie zu sein, was bei den niedrigen Gehältern in der Pflege schwierig sei, könne auch das abschreckend wirken.
"Unzuverlässige Dienstpläne und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sind zusätzliche Herausforderungen." Zudem werde medial oft ein negatives und einseitiges Bild des Berufs vermittelt.
Was hat sich in den letzten Jahren getan?
Dennoch: Ein bisschen verändert hat sich doch etwas. Nach Angaben der Arbeitskammer hat sich die Zahl männlicher Pflegekräfte in den letzten Jahren leicht erhöht. 2021 seien etwa rund 26 Prozent der Auszubildenden im Pflegebereich männlich gewesen, was auf eine positive Entwicklung hinweise.
Auch die zwei Krankenhäuser, die im Saarland laut Klinik-Atlas die meisten Betten haben, berichten auf SR-Anfrage von einem leichten Anstieg. Das Klinikum Saarbrücken verzeichnet eine Erhöhung in den vergangenen Jahren um etwa 1,1 Prozent.
An der Uniklinik in Homburg (UKS) konnte der Anteil männlicher Pflegekräfte in den letzten zehn Jahren ebenfalls gesteigert werden. So lag er Ende 2015 noch bei 17,6 Prozent, Ende 2024 bei 19,1 Prozent.
Kliniken beteiligen sich an Boys' Day
Dazu beigetragen haben laut Arbeitskammer Initiativen wie "Modern Men Do Care" der Gesundheitswirtschaft Nordwest oder Programme wie der "Boys' Day". Am Boys' Day beteiligt sich auch das Winterbergklinikum seit mehreren Jahren. Dieses Jahr konnten dort Anfang April 15 Jungen in Gesundheitsfachberufe reinschnuppern.
Das Angebot gab es gleichzeitig aber auch für Mädchen. "Generell ist es uns wichtig zu zeigen, dass der Pflegeberuf ein sehr schöner und interessanter Beruf ist, unabhängig vom Geschlecht", so das Klinikum.
Das Uniklinikum nimmt ebenfalls am Boys' Day teil. Bis zu 20 Jungen können an diesem Tag jeweils Einblicke in den Pflegeberuf erhalten.
"Wir verzeichnen seit einigen Jahren ein steigendes Interesse junger Männer an einer Ausbildung in Gesundheits- und Pflegefachberufen und sind froh darüber, wenn es uns mit dieser und weiteren Veranstaltungen gelingt, noch bestehende Klischees abzubauen", sagt Ulrich Wirth, der Leiter des UKS Schulzentrums.
Außerdem gebe es auch weitere Veranstaltungen, bei denen auch, aber nicht nur, gezielt Männer über den Pflegeberuf informiert würden. Dazu zählten unter anderem die halbjährlichen Ausbildungsmessen des UKS, der Pflegetag Saar, der dieses Jahr am 9. Mai in Saarbrücken stattfindet, die Summer School am UKS sowie die Mininurse AcadeMe. Bei letzterem bekommen Schüler der Robert-Bosch-Schule auf spielerische Weise Gesundheitskompetenz vermittelt.
Hauptsache mehr Pflegekräfte?
Doch wie wichtig wäre es überhaupt, dass es mehr männliche Pflegekräfte gibt? Dabei gehen die Meinungen auseinander. "Generell wäre es natürlich gut, wenn es noch mehr qualifizierte, engagierte und motivierte Pflegekräfte gäbe, das jeweilige Geschlecht ist dabei unerheblich", teilte etwa das Klinikum Saarbrücken mit.
Ähnlich sieht das auch die Saarländische Pflegegesellschaft (SPG) für den Bereich der Altenpflege. Die personelle Situation in der Altenhilfe sei seit Jahren angespannt. Die Personalengpässe würden sich in Zukunft sogar noch verschärfen.
"Für die Einrichtungen der Altenhilfe ist es daher wichtig, dass die Gesamtzahl der Pflegekräfte sowie der Auszubildenden perspektivisch gesteigert werden kann; das Geschlecht der Pflegekräfte ist dabei unerheblich." Es sei nur selten der Fall, dass Pflegebedürftige den Wunsch äußern, nur von Männern oder nur von Frauen gepflegt zu werden.
Bessere Kommunikation, weniger Scham?
Andere Erfahrungen hat man hingegen am UKS gemacht. "Geschlechtervielfalt im Pflegeberuf ist – neben Vielfalt in punkto Alter, Herkunft und weiteren Faktoren – ein entscheidender Baustein für ein möglichst breites Spektrum an Perspektiven und Erfahrungen", so der Pflegedirektor und Vorstand des UKS, Serhat Sari.
Dort hat man auch die Erfahrung gemacht, dass für Patientinnen und Patienten vielfältige Teams von Vorteil sein können. "Unsere Erfahrung zeigt beispielsweise, dass männliche Patienten die Pflege – insbesondere im Intimbereich – angenehmer empfinden, wenn auch männliche Pflegekräfte im Einsatz sind. Das kann helfen, in manchen Situationen Schamempfinden und Unbehaglichkeit zu reduzieren", so Sari.
Ähnlich sieht man das bei der Arbeitskammer. Dort gibt man außerdem noch andere Aspekte zu bedenken. So könnten männliche Pflegekräfte demnach etwa dazu beitragen, sexualisierte Übergriffe auf Pflegerinnen zu reduzieren. Zudem würden Männer oft technische Affinitäten und andere Stärken einbringen, die die Pflege bereichern könnten.
Und nicht zuletzt sieht die Arbeitskammer auch Chancen für die Attraktivität des Berufs. "Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis könnte den Pflegeberuf insgesamt attraktiver machen und mehr Menschen für die Pflege begeistern."
Umschulungen als Chance?
Denn dass es insgesamt mehr Pflegekräfte braucht, darüber sind sich alle Befragten einig. Die Ideen, wie dieses Ziel erreicht werden kann, sind vielfältig.
Die SPG schlägt etwa vor, dass angesichts des Abbaus von Industriearbeitsplätzen Umschulungen für Industriebeschäftigte zu Pflegefachkräften finanziert werden sollten. Ähnliche Angebote habe es in den 90er Jahren bereits für Bergarbeiter gegeben.
Damit würde aus Sicht der SPG nicht nur die Zahl der Beschäftigten in der Pflege erhöht, sondern gleichzeitig steige auch der Männeranteil, da in der Schwerindustrie traditionell mehr Männer als Frauen arbeiteten.
Auch aus finanzieller Sicht hält die SPG den Pflegeberuf für Industriebeschäftigte für attraktiv. Die Gehälter seien in den letzten zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen.
Die Arbeitskammer hingegen geht davon aus, dass der Job durch bessere Arbeitsbedingungen attraktiver werden könnte - sowohl für Männer als auch für Frauen. Dazu zählt sie neben besseren Weiterbildungsmöglichkeiten und flexiblen Arbeitszeiten auch höhere Gehälter.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit aus dem aktuellen Entgeltatlas von 2023 liegt das mittlere monatliche Bruttogehalt für Krankenschwestern und Krankenpfleger bei 4276 Euro. In der Altenpflege bei 3834 Euro.
Fachkräfte aus dem Ausland
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, werben sowohl das UKS als auch das Klinikum am Winterberg in Zusammenarbeit mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung bereits seit 2019 auch Fachkräfte aus dem Ausland an.
Nach Angaben des Klinikums Saarbrücken seien dabei bereits fünf Recruitingprojekte in Mexiko und zwei in Indien realisiert worden. Insgesamt seien dadurch bereits mehr als 280 Pflegekräfte für das Saarland gewonnen worden.
Kliniken für Fachkräftegewinnung ausgezeichnet
Das UKS berichtet von einer weiteren Kooperation mit Kolumbien, über die bereits Pflegekräfte sind Saarland gekommen seien. Zudem gebe es eine kleine Gruppe von Pflegekräften aus Balkanstaaten sowie vier Hebammen aus dem Iran.
"Darüber hinaus hat das UKS in den vergangenen beiden Jahren Azubis für die Pflege aus Mexiko, Tunesien und von den Philippinen (ab 10/2025) gewonnen."
Für ihre Maßnahmen in der Fachkräfteeinwanderung sind das UKS und das Klinikum Saarbrücken vom saarländischen Wirtschaftsministerium Anfang April auch als Welcome Star 2025 ausgezeichnet worden.
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