Patienten sollen vor Besuch in Bereitschaftspraxis Dringlichkeit telefonisch abklären
Wer eine Bereitschaftspraxis aufsucht, soll in Zukunft vorher eine telefonische Einschätzung darüber abholen, wie dringend es ist. So sollen die Praxen entlastet werden. Schon jetzt sind sie teils stark überlastet und im nächsten Jahr fallen viele Praxen weg. Das neue System soll aber auch für Patienten Vorteile haben.
Die Bereitschaftspraxen im Saarland sind teils heftig überlastet und ab kommenden Jahr wird es nur noch halb so viele geben, wie jetzt. Grund ist der massive Personalmangel. Momentan testet die Kassenärztliche Vereinigung (KV) deshalb ein neues Konzept, um Bereitschaftspraxen zu entlasten. Darüber hatte bereits die Saarbrücker Zeitung berichtet.
Telefonische Einschätzung vor Besuch
Demnach sollen Patientinnen und Patienten eine telefonische Prüfung durchlaufen, bevor sie in die Bereitschaftspraxis kommen. Dabei gehe es nicht darum, Leute loszuwerden, sondern die Bereitschaftsärztinnen und -ärzte für die Menschen freizuhalten, die sie auch wirklich brauchen, erklärt der Projektleiter und Gastroenterologe Thomas Stolz im SR-Interview.
"Natürlich kommen in erster Linie die Menschen in die Praxen, die tatsächlich der Bereitschaftsdienste bedürfen. Dafür sind die Praxen da und dafür sind auch wir Ärzte und unsere Mitarbeitenden da, um diese Patienten adäquat zu versorgen", erklärt er. "Aber es gibt eben auch Menschen, die gehören da nicht zwingend hin oder sie gehören nicht zwingend akut dort hin".
Außerdem gebe es Stoßzeiten, zu denen es zu erheblichen Wartezeiten komme. "Das ist natürlich für die Kranken, die da dann eine oder zwei Stunden warten müssen, eine zusätzliche Belastung", so Stolz. So sei der Vorschlag entstanden, dass die Menschen, bevor sie die Bereitschaftsdienstpraxis aufsuchen, sich telefonisch an eine zentrale Steuerungsstelle wenden – die 116 117. Dort schildern sie dann ihre Beschwerden und bekommen eine erste Einschätzung.
Einschätzung über die Dringlichkeit
Die Beschreibung der Symptome am Telefon solle letztlich genau so funktionieren, wie wenn der Patient oder die Patientin vor dem Arzt oder der Ärztin steht. Dafür gebe es geschultes Personal, das die Angaben dann in ein Computerprogramms eingibt. Zunächst würden Symptome abgefragt – hat die Person etwa Fieber, Durchfall, Atemnot – und innerhalb von wenigen Fragen sei dann eine Ersteinschätzung möglich, die diesem Patienten oder dieser Patientin eine Dringlichkeit zuweist.
Anhand dieser Einschätzung kann der Person etwa geraten werden, dass sie innerhalb von kürzerer Zeit eine Bereitschaftspraxis aufsuchen sollte. Die Einschätzung könne aber auch lauten: Die Bereitschaftspraxis, die für die Anruferin oder den Anrufer am nächsten wäre, ist gerade überfüllt, man solle besser noch etwas warten. Es könne dann auch für später ein Termin geblockt werden, zu einer Zeit, in der die Wartezeit geringer wäre.
Längere Wartezeit möglich
Laut Stolz würden aber weiterhin alle Patientinnen und Patienten, die in die Praxen kommen auch behandelt. Nur müssen sie sich eben auf längere Wartezeiten einstellen, wenn sich bei der Einschätzung herausstellt, dass sie nicht dringend behandelt werden müssen.
In der Bereitschaftspraxis in Püttlingen sei das neue Konzept im Juni bereits getestet worden. "Wir haben dabei gute Erfahrungen gemacht, insbesondere auch, was die Akzeptanz der Patientinnen und Patienten anbelangt", sagt Stolz. 93 Prozent fanden das Projekt gut und sinnvoll, sei aus einer anschließenden Befragung hervorgegangen.
Startschuss im kommenden Jahr
Im Oktober solle ein weiterer Test in der Bereitschaftsdienstpraxis in Saarlouis stattfinden. Auf längere Sicht solle das Projekt dann nächstes Jahr auch saarlandweit starten.
Dass dadurch die Notaufnahmen wieder stärker belastet werden könnten, befürchtet Stolz nicht. Im Gegenteil: Durch die Zusammenarbeit mit den Kliniken sollen die Notaufnahmen bei dem neuen Projekt entlastet werden. "Jeder, der zu Fuß die Klinik anläuft, wird unserer Bereitschaftspraxis zugewiesen."
Mehr Ärzte in den verbleibenden Praxen
Stolz weist noch auf einen weiteren Punkt hin, der ihm in der Debatte um die Schließung von Bereitschaftspraxen bisher zu kurz gekommen ist. Zwar werde die Zahl der Praxen reduziert, die Zahl der Ärzte im Bereitschaftsdienst aber in deutlich geringerem Umfang.
Das heißt, in den verbleibenden Bereitschaftspraxen und im mobilen Dienst arbeiten künftig mehr Ärzte als bisher. So sollen etwa im Tagesdienst in Saarlouis bis 14.00 Uhr künftig zwei statt nur noch einem Arzt im Dienst sein. "Von daher glauben wir, dass wir ganz gut aufgestellt sind."
Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 29.08.2024 berichtet.