In der Wolle gefärbt
Lucky Luke zum ersten Mal in Louisiana
Eine traditionsreiche Reihe fortzuführen - Lucky Luke reitet seit 1946 - das ist immer eine Mammutaufgabe. Beim neben Leutnant Blueberry bekanntesten und langlebigsten Cowboy des frankobelgischen Comics (wahrscheinlich, weil er schon lange nicht mehr raucht), wird diese Aufgabe schon länger mit Bravour gelöst. Derzeit von Szenarist Jul und Zeichner Achdé. Und nicht zum ersten Mal werden die beiden politisch.
Welche Elemente waren wichtig, um die Atmosphäre der Südstaaten einzufangen? Wir kennen sie ja aus "Vom Winde verweht" oder "Fackeln im Sturm". Wie bekommt man das ins Comic rein?
Achdé:
Ich denke, das ist ein Zusammenspiel verschiedener Elemente. Die Farbe – die ist sehr wichtig und der Kolorist hat hervorragende Arbeit geleistet, allerdings mit Acrylfarben –, dann die Kostüme, die Figuren. Bei Lucky Luke geht es natürlich ins Karikaturistische. Es ging zum einen darum, die Angst in den Augen der ehemaligen Sklaven zu zeigen, die nach Jahrhunderten der Grausamkeit den Weißen gegenüber sehr misstrauisch und verängstigt sind, und zum anderen die arroganten und zynischen Plantagenbesitzer, für die alles beim Alten geblieben ist, obwohl die Sklaverei abgeschafft wurde. Die ehemaligen Sklaven sind jetzt zwar Angestellte, aber sie werden trotzdem schlecht behandelt. Das sind die Elemente, die zusammenspielen. Es ist ein Zusammenspiel zwischen den Figuren – also ihrer Charakterisierung, ihrer Haltung – und dieser typischen Atmosphäre des Südens.
Wie kam es, dass Lucky Luke jetzt nach Louisiana zieht?
Jul:
Wir haben uns gefragt: Welches Thema wurde in Lucky Luke noch nie behandelt, welches Thema und welche Gegend? Lucky Luke hat nämlich die ganzen Vereinigten Staaten bereist (außerdem auch Kanada und sogar Europa, gh). Und wir sagten uns: Der Süden, dort spielt praktisch kein Album. (...) Wir fanden, das wäre eine wunderbare Kulisse, ein herrlicher Ort für Abenteuer. Und wenn es um Louisiana geht, stößt man zwangsläufig auf die Frage der Sklaverei. So drängten sich zugleich Ort und Thema wie selbstverständlich auf. Bass Reeves, der wirklich existiert hat, ist in diesem Abenteuer Lucky Lukes Partner. Fast eine Figur wie ein Jedi-Meister in Starwars, wobei Lucky Luke der junge Jedi wäre. Er stammte von Sklaven ab und hat in seiner Laufbahn mehrere tausend Gangstern verhaftet. Zu seiner Zeit war er wirklich ein Mythos, eine Legende des Wilden Westens.
Beim Lesen saust das Auge vorbei, aber für den Zeichner ist die Schaffung eines solchen Albums ein Parforceritt. Wie schafft man diese Herausforderung?
Achdé:
In der Theorie brauche ich für ein Album neun Monate. Ich sage immer: „Ich bekomme ein Baby.“ Dieses Mal wurde ich mehr oder weniger gezwungen, das Album in sieben Monaten fertigzustellen, und um ehrlich zu sein: Das war ein ganz schöner Kraftakt. Alle sagen immer, dass ich unter Druck die besten Ergebnisse liefere. Mag sein, aber danach bin ich ziemlich erschöpft. Denn ein Album in sieben Monaten fertigzustellen, bedeutet für mich sechs Tage die Woche arbeiten. Und ganz ohne falsche Bescheidenheit, ich bin da ganz offen mit Ihnen: Ich bin nicht sehr talentiert, sondern sehr fleißig. Ich muss sehr viel zeichnen, um zum Ziel zu gelangen. (...) Ich habe das Bild vor Augen und setze es um, und ich weiß dann, dass es so ist, wie ich es haben will, wenn ich das Geräusch dazu höre. Wenn ich zum Beispiel ein Pferd im Galopp zeichne und ich kann seinen Hufschlag hören, dann weiß ich, dass mir die Zeichnung gelungen ist. Wenn ich meine Figuren sprechen höre, ist mir die Zeichnung gelungen. (...) Ich bin in den Bayous gewesen, ich kenne sie, ich kenne Mississippi. Ich kenne die Geräusche im Schilf, in den Weiden und den Sumpfzypressen. Ich weiß, was passiert, wenn man im Schlamm läuft, mit den Wasserlinsen. All das kenne ich. Den Wind in der weiten Prärie ... Das sind Dinge, die ich erlebt habe, und wenn ich sie nachzeichne – auch wenn es sich um eine Karikatur handelt –, dann höre ich sie.
Was ist das Besondere an "Fackeln im Baumwollfeld" und wie bekommt man die Balance zwischen Ernst und dem typischen Humor von Lucky Luke hin?
Jul:
Zunächst einmal die neue, wundervolle Kulisse. Die Sümpfe, die Bayous, das Mississippidelta sind herrlich zu zeichnen. (...) Absolut neu sind die vielen Schwarzen in Hautrollen, die echte Personen darstellen. Einige sind historische Persönlichkeiten, andere dagegen reine Phantasiefiguren, die aber etwas zu sagen haben, ihren eigenen Charakter besitzen. Doch wie soll man es anstellen, die ganze Grausamkeit und Härte der Südstaaten unverfälscht darzustellen, und trotzdem weiter darüber zu lachen? (...) In diesem Band sind die Daltons von Anfang bis Ende völlig konfus und kapieren nichts. Als sie in den Bayou geraten und die französischsprachigen Cajuns kennenlernen, halten sie die für Mexikaner und versuchen das ganze Abenteuer über, spanisch mit ihnen zu sprechen. Als sie später auf die Leute des Ku-Klux-Klans mit ihren Mützen und Ritualen treffen, vermuten sie in ihnen einen Indianerstamm, dessen Medizinmann nur etwas hellhäutiger ist als die meisten Indianer. Zum Schluss waren sie das ganze Abenteuer über dabei, ohne das Geringste von dem, was geschehen ist, kapiert zu haben. (...) Die Daltons sind die Bösen, doch im neuen Album helfen sie Lucky Luke unabsichtlich, so dass wir merken, dass sie eigentlich unsere eigene Schattenseite sind.
Jul/Achdé:
Lucky Luke Fackeln im Baumwollfeld
ab 29.10.2020 als Softcover (Egmont Ehapa Media, €6.90) und ab 05. November als Hardcover (Egmont Comic Collection, € 12.00)
In Frankreich: Un Cowboy dans le Coton (Dargaud / Lucky Comics)
(Interview vom Verlag zur Verfügung gestellt)
Die bisherigen Artikel von sr.de/bd
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Konzept
Die Comicbegeisterung in Frankreich ist mit dem deutschen Comicmarkt nicht zu vergleichen. Aber sie schwappt auch über die Grenze: Gut die Hälfte aller frankophonen Bücher, die für Deutschland übersetzt werden, sind Comics. Von den Klassikern wie Asterix oder Lucky Luke bis zu heutigen Serien wie Largo Winch oder XIII, von Cartoongrößen wie Sempé oder Pénélope Bagieu bis hin zu den Zeichnern und Zeichnerinnen von Charlie Hebdo oder den Graphic Novels eines Guy Delisle.
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