Die Mitternachtstalks am Mittwoch
Vier Filme – Vier Talks. Auch am Mittwochabend konnten interessierte Gäste des 36. Filmfestivals Max Ophüls Preis mehr über vier Filme im Langfilmwettbewerb erfahren. Dieses Mal ging es um „Das Floß!“, „Lichtgestalten“, „Verfehlung“ und „Driften“.
„Das Floß!“ mit Julia C. Kaiser und Julia Becker
Mit dem „scripted Impro“-Film „Das Floß!“ starteten die SR-Talks in den zweiten Abend. Regisseurin und Produzentin Julia C. Kaiser sowie Darstellerin Julia Becker legten auch gleich ihre Plädoyers für diese Form der Arbeit ab. „Improvisation bietet einem Schauspieler die größtmögliche Freiheit“, sagte Becker, während Kaiser meinte, es mache einfach „sau Spaß“ freier als gewohnt beim Filmdreh zu agieren. Zwar habe man im Vorfeld eine Art Drehbuch gehabt, dieses aber mehr als Versprechen interpretiert, das jederzeit gebrochen werden durfte.
Während ein roter Faden dabei klar vorgegeben war, ermögliche die „scripted Impro“, so etwas wie eine neue Fassung des Films entstehen zu lassen, die man gemeinsam während des Drehs entwickelt hat. Kaiser verglich diesen Vorgang mit einem Gefäß, das die Schauspieler mit einer gewissen Achtsamkeit mit Leben füllen. Damit das Projekt zustande kam, wurde ein Teil der notwendigen finanziellen Mittel per Crowdfunding aufgetrieben. Regisseurin Kaiser erklärte, man sei diesen Weg bewusst gegangen, damit sichergestellt war, alles selbst bestimmen zu dürfen. Nur so sei die gewünschte Freiheit beim Arbeiten zu erreichen gewesen.
„Lichtgestalten“ mit Christian Moris Müller und David J. Rauschning
Die Entscheidung seines Vaters vor 20 Jahren, sein Leben noch einmal von vorne zu beginnen, brachte Regisseur Christian Moris Müller auf die Idee für seinen Film „Lichtgestalten“. Das Ergebnis sei eine komplette Selbstdarstellung bei der sich vieles um die Themen Neuanfang und Orientierungslosigkeit dreht. Dabei habe er das Ziel gehabt, eine Veränderung der beiden Hauptfiguren zu zeigen, ohne zu verraten, wohin diese führt. Die Kunst der Auslassung spielte dabei ebenso eine Rolle wie zahlreiche abrupte Abbrüche von Szenen, erklärte der für den Schnitt des Films verantwortliche David J. Rauschning.
Vor allem technisch sei das Drehen eine Herausforderung gewesen. Schließlich drehen die Protagonisten im Film ihr Leben eigenständig. Lösungen zu finden, um zu verhindern, dass das Bild ständig wackele, sei nicht immer einfach gewesen. Auch Hauptdarsteller Max Riemelt bestätigte diese Erfahrungen. Seine Kollegin Theresa Scholze, die gemeinsam mit Riemelt unter den Zuhörern saß, sprach insgesamt von einer gewissen Feinfühligkeit, die bei den Dreharbeiten vonnöten gewesen sei.
„Verfehlung“ mit Gerd Schneider, Sebastian Blomberg und Kai Schumann
Obwohl sich „Verfehlung“ mit dem Thema „Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche“ beschäftigt, sei es kein Film über den Missbrauch an sich. Vielmehr dreht sich die Geschichte, so Regisseur Gerd Schneider, um jemanden der unverschuldet in eine Situation gerät, in der er sich positionieren muss. Die Funktionsweise in der Hierarchie der Kirche und ihre Einstellung nach dem Motto „Wir regeln das schon“ habe ihn schon zu der Zeit gestört, als er selbst noch katholische Theologie studiert habe. Mit dem Film wolle er da „nicht draufschlagen“, sondern zeigen, warum es für jemanden aus dem System so schwierig ist, sich dagegen zu wehren.
Kein leichtes Thema, weshalb die Crew sich versuchte, gut vorzubereiten. Intensiv sei über die Gefühle von Priestern geredet worden und darüber, was ihnen abverlangt wird. Mehrere Tage verbrachte man außerdem in einem Kloster, was vor allem bei Darsteller Kai Schumann Eindruck hinterließ. Vorurteile seien dabei völlig über den Haufen geworfen worden. Er habe die Menschen dort als „coole Typen“ und „spirituelle Freaks“ empfunden. Darüber, ob beim Ergebnis der Arbeit eine Heldengeschichte entstanden ist, war sich Regisseur Schneider schließlich nicht ganz sicher. Seine beiden Darsteller dagegen schon.
„Driften“ mit Thomas Karim Patwa, Philipp Sicher und Max Hubacher
Um der Frage nachzugehen, wie man dem Geschwindigkeitsrausch derart verfallen kann wie die Hauptfigur in „Driften“, recherchierte Regisseur Karim Patwa eigenhändig in der illegalen Rennszene. Dabei habe er festgestellt, dass es dabei meistens auch um die Suche nach Glück gehe. Auch Hauptdarsteller Max Hubacher, selbst kein Auto-Fan, interpretierte die Bedeutung des eigenen Wagens für seine Figur als weitreichender als nur die Befriedigung materieller Bedürfnisse. Das Auto sei wie ein geschützter Raum, in dem man Freiheit finde.
Neben dem Geschwindigkeitsrausch spielt in „Driften“ auch das Thema Schuld und Sühne eine wichtige Rolle. So hätten sich auch zwei visuelle Ebenen ergeben, die es umzusetzen galt, erläuterte Kameramann Philipp Sicher. Wichtig sei dabei der Echtzeitcharakter gewesen. Der Rhythmus sollte nicht durch zu viele Schnitte gestört werden, weshalb möglichst lange am Stück gedreht worden sei. Vor allem bei den Rennszenen habe man eine gute Mischung zum Rest des Films herstellen wollen. Die Action sollte nicht im Vordergrund stehen, sondern ein Übergang zur inneren Welt des Fahrers erschafft und dessen Empfindungen sichtbar gemacht werden.