Berufsbild "Intimitätskoordinator": Wie geht man mit Intimität auf der Bühne um?

Wie geht man auf der Bühne mit Intimität um?

Intimitätskoordinator regelt Nähe zwischen Künstlerinnen und Künstlern

  10.10.2024 | 15:45 Uhr

Leidenschaftliche Kuss-Szenen, enger Körper- und Hautkontakt, leicht oder gar nicht bekleidet: sowohl im Fernsehen, als auch auf der Bühne kommt man sich oft sehr nahe. Um dabei die Grenzen zu wahren, gibt es den Beruf des "Intimitätskoordinators".

Küsse und Sex auf der Bühne oder im Film. Je nach Drehbuch wird es intim zwischen den Darstellern und Darstellerinnen - und nicht immer ist das angenehm. Damit Grenzen bewahrt werden, gibt es seit ein paar Jahren die "Intimitätskoordinatoren".

Was macht ein Intimitätskoordinator?

Christine Christianus ist als Geigerin Mitglied im Saarländischen Staatsorchester und auch die Frauenbeauftragte am SST. Sie kennt sich mit dem Berufsbild des "Intimitätskoordinators" aus und beschäftigt sich mit diesen Themenfeldern. Das Berufsbild, erklärt sie, sei in der US-amerikanischen Filmbranche entstanden und gebe es jetzt seit rund fünf Jahren auch bei uns. Im Rahmen der "Me too"-Bewegung habe sich der Beruf weiter entwickelt und soll für Regie sowie Schauspieler und Schauspielerinnen einen sicheren Rahmen bieten.

Szenenfoto aus der Oper "Aida" (Foto: Astrid Karge)
Szenenfoto aus der Oper "Aida"

Persönliche Grenzen sollen gewahrt werden

Es ginge vor allem darum, sagt Christine Christianus, den Spagat hinzubekommen, auf der einen Seite mitreißende und intime Szenen auf die Bühne zu bekommen und auf der anderen Seite aber die persönlichen Grenzen aller Beteiligten zu wahren.

Gegen unsichere Räume und Tabuisierung

Intimszenen seien von jeher eher unangenehm für die Beteiligten gewesen und früher hätte man in den Proben diese Parts eher vermieden und auf die Aufführung gesetzt. Dabei sei es öfters zu Grenzüberschreitungen gekommen, die dann verschwiegen wurden.

Christiane Motter (Eine Frau); Silvio Kretschmer (Jonathan); Fabian Gröver (Vater) in "Der Weg zurück" (Foto: SST / Martin Kaufhold)
Christiane Motter (Eine Frau); Silvio Kretschmer (Jonathan); Fabian Gröver (Vater) in "Der Weg zurück" (Foto: SST / Martin Kaufhold)

Mit der Einführung des Berufs "Intimitätskoordinator" sei auch ein Abbau der Schamgrenzen einhergegangen. Nun könne mit der Regie beispielsweise effektiv beraten werden, wie Kuss- oder Sexszenen adäquat umgesetzt werden könnten.

Es sei ein großer Fortschritt, dass nun eine Sensibilität für diese Thematik entstanden sei, sagt die Expertin. Im Saarländischen Staatstheater selbst gebe es zwar keine extra Stelle für einen Intimitätskoordinator, aber sie als Frauenbeauftragte sei immer Ansprechpartnerin für die Kolleginnen und Kollegen. Zudem es bei ihnen im Haus auch eine Null-Toleranz-Grenze gebe, die auch vertraglich festgeschrieben sei.

Künstlerische Freiheit versus Sicherheit

Die Darstellung von Intimität in der Öffentlichkeit müsse immer im Einklang geschehen mit der Zustimmung der Darstellenden. Künstlerische Freiheit sei zwar ein hohes Gut, aber es müsse auch gewährleistet werden, dass ein sicheres Umfeld - sei es für Körper oder Seele - geschaffen werde. Intimitätskoordination sei von daher wesentlich.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" auf SR kultur am 10.10.2024.

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