Adrià Pujol Cruells: "Feinschnitt Barcelona"

Adria Pujol Cruells: "Feinschnitt Barcelona"

Tobias Wenzel   04.02.2025 | 18:00 Uhr

In Adrià Pujol Cruells autobiographischem Roman erzählt der Schriftsteller von seiner Studentenzeit in Barcelona. Nun wurde das Buch ins Deutsche übersetzt. Tobias Wenzel hat "Feinschmitt Barcelona" gelesen und mit dem Autor darüber gesprochen.

Aus den Laternen auf der Plaça del Sortidor rinnsalt kränkliches Licht, ich rauche. Auf den Bänken schlafen Menschen.

Auf dem Heimweg spaziert Adrià Pujol Cruells nachts durch Barcelona und erinnert sich, wie er 1992 aus einem Dorf hierher zog. So lässt der katalanische Schriftsteller seinen autofiktionalen Roman „Feinschnitt Barcelona“ beginnen. Damals standen die Bewohner Barcelonas noch unter dem Eindruck der Olympischen Spiele im selben Jahr. Und Pujol Cruells sah mit achtzehn die Stadt getrübt durch den frühen Tod seiner Mutter, die an Krebs starb:

"Die Umgebung – ob Barcelona, Paris oder Berlin, ein Dorf oder ein Strand – ist ein Spiegelbild unserer eigenen Gemütslage. Wenn wir glücklich sind, erscheint uns jede Stadt als schön. Wenn wir aber traurig sind, wird die Stadt grau und desillusionierend. Die Landschaft selbst gibt es gar nicht. Sie ist nur der Gemütszustand eines jeden Betrachters.“

Beim Lesen dieses Buchs, dessen Sprache so dicht und intensiv ist wie Barcelona selbst, wird schnell klar, dass hier auch ein Anthropologe schreibt. „Feinschnitt Barcelona“ ist nicht nur der Entwicklungsroman eines Studenten in der Großstadt, sondern außerdem ein Essay über ihre Menschen. Die porträtiert Pujol Cruells frech und mit viel Humor. Natürlich auch die massenhaften Touristen, Segen und Fluch zugleich:

Bestimmt dauert es nicht mehr lange, ehe man von uns verlangt, unsere Türen für auswärtige Gäste zu öffnen. Immer nur hereinspaziert, damit sie beim Rasieren Fotos von uns machen, das Öl eines Spiegeleis auf die Kochplatten spritzen, mit freiem Oberkörper vor dem Fernseher sitzen können.
„Meinen schlimmsten terroristischen Anschlag auf Touristen habe ich im Buch beschrieben: Mich haben Touristen einmal gebeten, von ihnen ein Foto zu machen. Das war zu der Zeit, als es noch keine Smartphones gab, sondern analoge Spiegelreflexkameras. Ich habe beim Fotografieren absichtlich die Köpfe der Touristen abgeschnitten. Zurück in ihrem Land haben sie dann die Negative entwickelt und die Aufnahmen ohne ihre Köpfe entdeckt. Das war aber eine einmalige Aktion. Und ich bitte dafür um Entschuldigung.“

„Feinschnitt Barcelona“ ist ein kluges und experimentierfreudiges Buch. Matthias Friedrich hat mit seiner äußerst kreativen, immer natürlich klingenden Übersetzung viel zum großen Vergnügen beim Lesen dieses fordernden und bereichernden Buchs beigetragen.
Fasziniert verfolgen wir, wie der Ich-Erzähler schildert und schimpft und deutet und denkt. Amüsiert lesen wir, wie er nackt auf einer Terrasse die Nachbarn provoziert. Wie er im Studium von den postmodernen Denkern angetan war, aber sie nun in einer „Schmierenkomödie“ als esoterisch und prätentiös entlarven möchte. Darin, stellt er sich schon mal vor, trifft ein Kulturbanause mit einem Fußball unterm Arm auf einen Postmodernen:

KULTURBANAUSE: Na, noch 'ne Runde kicken in der Pampa?
POSTMODERNER: Am Nicht-Ort, meinst du wohl, heißt: einem Transitraum, den wir durch die Repräsentation des informellen Sports mit einer neuen Bedeutung aufladen. Das ist, wie du weißt, ein Epiphänomen spätindustrieller, multikultureller, vielseitiger Gesellschaften.
KULTURBANAUSE: Ach, keine Ahnung, ich wollte nur wissen, ob du Bock hast, vor 'nem Wermutwein und 'n paar Oliven noch 'n paar Bälle reinzuzimmern.

„Feinschnitt Barcelona“ ist ein großartiger Roman über einen Studenten in einer touristischen Stadt und ein amüsanter Essay über die Spezies Mensch. Nach der Lektüre möchte man selbst Barcelona zu Fuß erkunden, ganz so wie Ich-Erzähler und Autor:

„Immer wenn ich Zeit habe, spaziere ich durch die Stadt. Das liebe ich. Einfach immer geradeaus gehen und sehen, was passiert.“

Adria Pujol Cruells
"Feinschnitt Barcelona"
Aus dem Katalanischen von Matthias Friedrich
Franken Verlag
256 Seiten, 24 Euro
ISBN: 978-3-911336-00-0


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 04.02.2025 auf SR kultur.


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