Kommentar: "Links von der SPD wird es keine ernstzunehmende Partei mehr geben"

"Links von der SPD wird es keine ernstzunehmende Partei mehr geben"

Ein Kommentar von Janek Böffel

  23.10.2023 | 16:20 Uhr

Jetzt ist es endgültig klar: Sahra Wagenknecht wird eine eigene Partei gründen. Sie will eine Lücke auf der politischen Landkarte füllen und Wähler der AfD zurückgewinnen. Doch Wagenknecht schafft damit schlussendlich nur tatsächlich eine Lücke im Parteienspektrum der Bundesrepublik. Der Kommentar von Janek Böffel aus der SR-Politikredaktion.

Vielleicht mag der Erfolg an der Urne Wagenknecht im kommenden Jahr auf den ersten Blick Recht geben. Vielleicht mag sie die AfD im Osten und bei den Europawahlen ein wenig zurechtstutzen. Aber was dann? Am Ende wird diese Parteigründung vor allem eines bewirken: dass es links von der SPD keine ernstzunehmende Partei mehr geben wird.

Links von der SPD, deren Kanzler unlängst verlauten ließ, „in großem Stil abschieben zu wollen“ und deren Gegenwind für ihn aus der eigenen Partei allenfalls ein junges Lüftchen ist.

Am Ende droht eine AfD mit rotem Anstrich

Das Bündnis Sahra Wagenknecht wird das Ende der Linkspartei in Deutschland einläuten, oder besser gesagt, des kümmerlichen Rumpfs, der von ihr noch übrig ist. Wagenknecht füllt damit aber keine Lücke im Parteien-Spektrum, sie füllt eine Lücke, die sie selbst erfunden hat. Am Ende droht eine AfD mit rotem Anstrich.

Eine weitere Partei, die sich ein „Wir gegen die da oben“ auf die Fahne schreiben lässt. Oder noch fataler mit einem „Wir“ gegen „Die“. Und ja, es geht gegen die vorgeblichen Eliten, aber vor allem kehrt doch auch Wagenknecht selbst immer wieder zu diesem einen Thema Migration zurück.

Denn natürlich weiß sie, auf welches Klientel sie abzielt und in welcher Tonart sie dieses Klientel abholt. „Die“ - das sind in ihren Reden vor allem die, die hierher flüchten. Die so oft noch Schwächeren. Die billigste Antwort, auf alle Probleme. Natürlich muss Wagenknecht so tun, als schließe sie eine weiße Stelle auf der politischen Landkarte. Es ist der selbsterfundene Mythos, mit dem sich populistische Parteien umgeben, das anzusprechen, was angeblich sonst keiner tue. Nur um dann am Ende vorgeblich einfache Antworten zu liefern.

Was wirklich auf der politischen Landkarte fehlt

Dabei braucht es dringend eine wirkmächtige linke Kraft in diesem Deutschland. Eine, die sich nicht in innerparteilichen Grabenkämpfen verliert, sondern eine, die alle Schwachen im Blick hält, ihre Belange nicht nur verteidigt, sondern auch einfordert und erkämpft. So eine Linke braucht es tatsächlich auf der politischen Landkarte, denn die Linke ist es schon lange nicht mehr.

Es braucht aber keine AfD mit anderem Anstrich, es braucht nicht noch eine Partei mit dem nicht zu haltenden Versprechen, einfache Lösungen zu bieten.

Für die Herausforderungen gibt es keine einfachen Lösungen

Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet Wagenknecht, die Intellektuelle, deren Klugheit kaum jemand in Frage stellt, vorgibt, es sei mit einfachen Lösungen getan. Die Herausforderungen für dieses Land sind keine, die einfache Lösungen haben. Wer wie sie so tut, als sei dem nicht so, vergeht sich am Diskurs.

Es spricht aber auch für den Zustand des Landes, dass sie damit offenbar bei vielen verfangen dürfte. Eine gerechtere Steuerpolitik, die die Schere zwischen arm und reich schließt, statt sie weiter zu öffnen, das ist kompliziert. Das lässt sich weder auf einem Bierdeckel umreißen noch in zwei Minuten auf den Talkshowbühnen der Republik.

Eine ökologische Wende, die soziale Folgen erst abfedert, um dann im Blick zu halten, dass von den Erfolgen alle profitieren, das ist nicht einfach. Das auszusprechen und dann ja auch komplizierte Lösungen zu erarbeiten, das ist Politik.

Die Herausforderungen im Jahre 2023 lassen sich nicht mit der simplen Dreifaltigkeit aus Abschieben, Verbrennungsmotor und russischem Gas bewältigen. Egal ob von BSW oder AfD.

Nun gibt es wirklich eine Lücke

Es gibt nun endgültig eine Lücke im politischen Koordinatensystem der Republik. Die progressive Linke links von der SPD wird keine parteipolitische Heimat mehr haben. Diejenigen, die soziale Gerechtigkeit und Fortschritt, Minderheitenpolitik und breite Masse, ökologische Wende und soziale Revolution vereinen wollen. Die, die wissen, dass es komplizierte Antworten auf komplizierte Fragen braucht. Für sie kann das Bündnis Sahra Wagenknecht keine Heimat sein.


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