Kommentar: "Der inhaltliche Streit ist derzeit in den Hintergrund gerückt"

"Der inhaltliche Streit ist derzeit in den Hintergrund gerückt"

Ein Kommentar von Janek Böffel   18.10.2023 | 16:20 Uhr

Nach einer intensiven Haushaltsdebatte im saarländischen Landtag scheinen die Gräben zwischen SPD und CDU tiefer geworden zu sein. Das Problem: Niemand scheint zurückstecken zu wollen, warnt Janek Böffel aus der SR-Politikredaktion in seinem Kommentar.

Wer dieser Tage mit Abgeordneten aus dem Landtag über die Debattenkultur im Hause spricht, der erntet oft sich verdüsternde Blicke. Und wer den Debatten zuhört, kann zumindest teilweise nachvollziehen wieso. Der Ton im Parlament ist rauer geworden - und lauter. Und das Problem ist: Niemand im Parlament ist wirklich glücklich darüber.

Endlich wieder Feuer?

Ja, die Begeisterung vor ein paar Monaten war auch bei mir groß, endlich wieder ein Schlagabtausch zwischen Regierungsfraktion und Opposition. Endlich wieder Feuer. Dass da der Zungenschlag mal ein bisschen heftiger wurde, gar nicht schlecht - gerade nach den drögen Jahren der großkoalitionären Eintracht. Doch in den letzten Monaten scheint der Ton noch einmal schärfer geworden sein.

Und das liegt, ja, auch an der AfD, aber vor allem an den beiden Volksparteien. Wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU, Stephan Toscani, den Wirtschaftsminister einen Blender nennt. Oder wenn SPD-Innenminister Reinhold Jost die ehemalige Finanzstaatssekretärin über unangenehm lange Minuten persönlich angreift. Das ist tatsächlich ein neues Niveau. Doch auch sonst kaum eine Rede ohne Zwischenrufe von allen Seiten, ohne handfesten Streit.

Persönliche Angriffe von allen Seiten

Nun könnte man sagen: Sollen sie doch! Wie gesagt, niemand möchte die Debatten mit Samthandschuhen zurück. Das Problem ist aber, dass man längst den Eindruck bekommt, dass beide Seiten mit den Geistern, die sie mit ihrer neuen, wuchtigen Debattenkultur riefen, nicht mehr klar kommen.

Beinahe jeder Angriff des politischen Gegners wird als persönliche Verletzung genommen, nur um dann selbst mit gleicher Wucht zurückzuschießen. Politische Konflikte sollten nicht aus dem Gefühl einer persönlichen Angefasstheit ausgetragen werden, sondern an der Sache entlang. Doch es scheint, als könnte das kaum noch einer trennen.

Der inhaltliche Streit ist derzeit in den Hintergrund gerückt. Und niemand wirkt bereit als erster abzurüsten. Die Situation scheint längst verfahren und sie droht damit die politische Kultur insgesamt im Land zu beschädigen.

Wo bleibt das Eingreifen der Landtagspräsidentin?

Und so stellt sich am Ende auch die Frage nach der Rolle Landtagspräsidentin. Es ist nämlich auch ihre Aufgabe, solche Stimmungen in ihrem Haus zu erkennen und entgegenzusteuern. Dass das Murren auf beiden Seiten so lautstark geworden ist, darf nicht sein. Nicht zu reagieren, noch weniger.

Aber vielleicht ist auch das eine der Erkenntnisse, dass es ihr auch noch an Erfahrung im parlamentarischen Betrieb fehlt, um solche Strömungen zu erkennen und vielleicht auch die nötige Wirkmacht und der nötige Einfluss, solchen Entwicklungen Einhalt zu gebieten. Sie, die vorher gerade einmal drei Jahre als Nachrückerin im Parlament gesessen hatte und überhaupt zur Überraschung vieler in dieses Amt gekommen war.

So schwungvoll phasenweise Dinge wie ein Lobbyregister oder die endlich detailreichen Angaben zu den Nebeneinkünften der Abgeordneten angegangen wurden, es geht bei diesem Amt auch darum, aber es geht um so viel mehr. Es ist kein regulärer Job an einer Verwaltungsspitze, auf irgendeinem Amt. Es ist das höchste Amt in diesem Land.

Ansehen des Parlamentes wahren

Es geht auch und vielleicht sogar zuvorderst um das Ansehen des Parlaments. Und die Debatten in diesem Haus sind auch Ausdruck der politischen Kultur in diesem Land. Sie bestimmen auch den Eindruck, den Menschen von unserer Demokratie haben. Und nichts weniger als deren oberste Hüterin im Land ist die Parlamentspräsidentin doch.

Es ist eben kein Grüßaugust-Posten auch wenn man oft den Eindruck gewinnen könnte. Es ist nun an ihr, die Risse zwischen den beiden Volksparteien zuzuschütten. Klar zu machen, welcher Streit dem Hause angemessen ist und welcher nicht. Denn Streit braucht es. Um die Sache. Nicht um persönliche Befindlichkeiten.

Ein Thema in der Sendung "Region am Nachmittag" am 18.10.2023 auf SR 3 Saarlandwelle.


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