"Das Maßnahmenpaket ist nur ein kleiner Baustein"

"Das Maßnahmenpaket ist nur ein kleiner Baustein"

Interview: Simin Sadeghi/Onlinefassung: Dagmar Scherer   27.10.2023 | 13:15 Uhr

Viele Kommunen sehen sich mit der Zahl der Flüchtlinge überfordert. Die verschärften Abschieberegeln könnten das Problem nicht lösen, seien aber ein wichtiges Signal, sagt der Saarlouiser Landrat Patrik Lauer.

Die Bundesregierung hat sich auf schärfere Abschieberegeln geeinigt. Damit will sie zeigen: Wir handeln, auch vor dem Hintergrund, dass die Stimmen der Opposition von Seiten der CDU und AfD immer lauter werden.

Aber auch der Druck aus den Kommunen wird immer größer. Angesichts deutlich gestiegener Asylbewerberzahlen in diesem Jahr sehen sich viele an der Belastungsgrenze. Abschiebungen alleine würden nicht helfen, kritisiert der deutsche Städtetag.

In Saarlouis sei die Lage "dramatisch", sagt Landrat Patrik Lauer. Das Problem sei, dass die Belastung kummuliere. "Wir haben in den letzten zwei Jahren allein im Landkreis Saarlouis 2000 Flüchtlinge aufgenommen und im Moment sind wir bei 120 bis 150 Flüchtlingen pro Monat, die zugewiesen werden." Dabei sei die Lage auf dem Wohnungsmarkt im Landkreis ebenfalls dramatisch. Es gebe kaum noch freie Wohnungen.

Keine grundlegende Problemlösung aber ein wichtiges Signal

Die nun verabschiedeten Abschieberegeln der Bundesregierung würden die Gesamtlage der Probleme nicht lösen können, sagt Lauer. Die Zahl der Betroffenen, für die es greife, sei einfach zu klein. "Das jetzt beschlossene Maßnahmenpaket ist nur ein kleiner Baustein."

Nichtsdestotrotz halte er das Paket für "wichtig und richtig." Es müsse einfach ein Unterschied gemacht werden, ob jemand zu Unrecht ins Land gekommen sei, "oder ob er zurecht aus Furcht vor politischer Verfolgung oder wegen Krieg und Bürgerkrieg hier Zuflucht gesucht hat", so Lauer.

Landrat Lauer ist überzeugt, dass das neue Maßnahmenpaket auch eine große Signalwirkung in den Herkunftsländern der Betroffenen haben wird. "Dass der deutsche Staat diejenigen, die zu Unrecht hierher kommen, auch zeitnah und effektiv zurück führt."

Vielfältige Abschiebe-Hindernisse

Aktuell gibt es im Saarland insgesamt weniger als 300 ausreisepflichtige Asylbewerber. Im Landkreis Saarlouis seien es derzeit über 200 Personen, sagt Lauer. Dass die Zahl im Landkreis Saarlouis im Vergleich so hoch ist, liegt daran, dass viele Asylbewerber im Saarland im Ankerzentrum in Lebach untergebracht sind und dass diejenigen, die zurzeit nur geduldet sind, mitgerechnet werden.

"Ich kann ihnen aber nicht sagen, wie viele der Personen jetzt leichter abgeschoben werden können durch die Reform der Bundesregierung", sagt Lauer. Denn die Abschiebe-Hindernisse seien sehr vielfältig. "Das können Probleme sein bei der Beschaffung von Ausweispapieren, das kann die fehlende Bereitschaft des Herkunftslandes sein, den Betroffenen überhaupt zurückzunehmen, das können auch Erkrankungen sein und es können aber auch Fälle sein, in denen sich der Betroffene bisher der Abschiebung entzogen hat." Letztere würden jetzt aber von den verschärften Abschieberegeln erfasst werden und damit werde auch ein deutliches Zeichen gesetzt.

Organisierung der Rückführung wird erleichtert

Die Verschärfungen im Asylrecht sehen neben einer konsequenteren Abschiebung auch härtere Konsequenzen für Schleuser und vor allem auch mehr Rechte für Polizei und Behörden vor. Lauer ist überzeugt, dass es damit leichter werde, Rückführungen organisiert vorzunehmen.

Wenn jemand zum Ausreisetermin nicht anwesend sei, könne er beim nächsten Vorsprechen in Ausreisegewahrsam genommen werden. Das sei auch wichtig vor dem Hintergrund, dass die Organisation einer Ausreise einige Zeit brauche. Die Maschine müsse gebucht und die Formalitäten geregelt werden. "Da waren zehn Tage immer zu knapp. Deshalb musste der Betroffene oft aus dem Ausreisegewahrsam entlassen werden. Die Verlängerung auf 28 Tage sind ein geeignetes Mittel, um eine geordnete Rückführung organisieren zu können."

Auch die Regelung, dass eine Abschiebung nun nicht mehr angekündigt wird, hält Lauer für sinnvoll.


Mehr zu verschärften Abschieberegeln und zur Flüchtlingssituation


Bundeskabinett billigt Entwurf
Welche neuen Regeln für Abschiebungen geplant sind
Im Saarland sind in diesem Jahr bereits 122 Menschen abgeschoben worden. Künftig könnten die abgelehnten Asylbewerber schneller als bisher das Land verlassen müssen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein entsprechendes Maßnahmenpaket gebilligt. Kritiker bezweifeln aber den Nutzen.

Äußerungen des Bundeskanzlers
Saar-Juso-Chef: Harter Abschiebekurs - ein "Etikettenschwindel"
Bundeskanzler Olaf Scholz möchte einen härteren Kurs in der Migration durchsetzen und spricht sich für Abschiebungen "im großen Stil" aus. Das stößt auf Widerspruch - auch aus den eigenen Reihen. Auch Saar-Juso-Chef Steven Commey-Bortsie übt Kritik.

Innerhalb eines Jahres
Knapp 11.000 Geflüchtete mehr im Saarland
Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Geflüchteten im Saarland um etwa 11.000 gestiegen. Das zeigen aktuelle Zahlen des saarländischen Innenministeriums. Dabei hat sich vor allem die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine mehr als verdoppelt.

Ein Thema in der "Region am Mittag" am 27.10.2023 auf SR 3 Saarlandwelle

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja