Großes Chaos bei Messenger für Saar-Schulen
Beim OSS-Messenger für Grund- und Förderschulen im Saarland herrscht auch knapp zwei Jahre nach der Einführung noch erhebliches Durcheinander. Großer Knackpunkt: die Verantwortlichkeit beim Datenschutz. Experten schlagen Alarm.
Informationen über den Wandertag, eine anstehende Klassenfahrt oder die Halbjahreszeugnisse: Darüber wurden Eltern früher durch zerknitterte Zettel am Boden des Schulranzens ihrer Kinder informiert. Das sollte der Messenger der „Online Schule Saarland“ (OSS) – eine Art Whatsapp für Schulen – ändern. Seit April 2022 soll die Handy-App die Kommunikation zwischen Eltern und Schulen erleichtern.
Nach Angaben des Bildungsministeriums nutzen bereits 133 der 161 Grundschulen und die Hälfte der 40 Förderschulen im Saarland den digitalen Messenger. Rund 3000 Erziehungsberechtigte und 2800 Lehrkräfte im Saarland greifen damit auf die Whatsapp-Alternative zurück.
Schulen zufrieden mit OSS-Messenger
Auch Schulleiterin und Vorstandsmitglied des Saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (SLLV), Petra Meier-Ziemiak, hat den Messenger an ihrer Grundschule in Tholey-Hasborn im Einsatz. „Unsere Erfahrungen sind sehr positiv“, sagt Meier-Ziemiak. „Die Kommunikation mit den Eltern aber auch unter den Lehrkräften ist ganz unkompliziert.“
Das saarländische Bildungsministerium habe auch versichert, dass der Messenger datenschutzrechtlich völlig unbedenklich sei.
Keine Überprüfung durch das Datenschutzzentrum
Diese Bewertung hat es aber zumindest vom unabhängigen Datenschutzzentrum des Saarlandes nie gegeben, weil es in die Einführung des OSS-Messengers an den Schulen gar nicht eingebunden war. „Alle prüffähigen Unterlagen, die man für eine datenschutzrechtliche Bewertung braucht, haben uns beim Start des Messengers nicht vorgelegen“, sagt Marco Schömer vom Datenschutzzentrum.
Eine Beteiligung des Datenschutzzentrums wäre laut saarländischem Datenschutzgesetz aber verpflichtend gewesen. Dass die nicht stattgefunden hat, bemängelte auch die Landesdatenschutzbeauftragte Monika Grethel in ihrem Tätigkeitsbericht 2022.
Das Bildungsministerium bestreitet das. „Vor Einführung des OSS-Messengers zum Schuljahr 2022/23 erfolgte eine Unterrichtung gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 Saarländisches Datenschutzgesetz an das Unabhängige Datenschutzzentrum“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Es steht also Aussage gegen Aussage.
Wer ist datenschutzrechtlich verantwortlich?
Noch immer unklar ist, wer die datenschutzrechtliche Verantwortung für den Messenger trägt. Das Ministerium sieht sich selbst verantwortlich, in der Datenschutzerklärung des Messengers wird aber auf das Impressum der jeweiligen Schulen verwiesen.
Im Impressum der Schulen steht, wer allgemein Datenschutzbeauftragter einer Schule ist - und dort steht einer SR-Stichprobe zufolge mal das Ministerium, mal die Schulleitung. Unklar ist, ob diese Schulleiterinnen und -leiter wissen, dass sie als Datenschutzbeauftragte ihrer Schulen auch für den OSS-Messenger verantwortlich sind.
Für einen Schul-Messenger sei es aber essentiell, dass die Frage nach der Verantwortung zu Beginn geklärt sei, sagt die Expertin für IT im öffentlichen Dienst, Bianca Kastl: „Da braucht man juristisches Wissen, dann braucht man technisches Wissen dazu, um zu wissen kann ich diese Verantwortung überhaupt übernehmen?“
Nicht verantwortlich ist nach Einschätzung des Datenschutzzentrums das Unternehmen hinter dem Messenger, Sdui. Für die digitale Infrastruktur hat das Saarland für das Jahr 2023 knapp 16.500 Euro an das private Software-Unternehmen gezahlt. Wie viel für 2022 und 2024 geflossen ist, teilt das Ministerium auf SR-Anfrage nicht mit - und bezieht sich auf Wettbewerbsgründe.
Kein „Open Source“-Programmcode
Problematisch wertet die Expertin auch, dass der Programmcode des Messengers nicht öffentlich ist - anders als die Online Schule Saarland selbst also kein „Open Source“. Damit könne man auch nicht überprüfen, ob der Messenger wirklich so sicher sei, wie er von dem Unternehmen beworben werde, kritisiert Kastl.
Sdui bewirbt die Anwendung auf seiner Website als „einfach und sicher". Warum sich das Ministerium in diesem Fall gegen eine Open-Source-Lösung entschieden hat, beantwortete es dem SR gegenüber nicht.
"Landesregierung hätte aus Luca-Geschichte lernen müssen"
Ein privater Software-Anbieter, kein Open-Source-Angebot und offene Fragen bei wichtigen Punkten: Das alles weckt Erinnerungen an das Luca-App-Desaster während der Corona-Pandemie.
Bianca Kastl ist der Meinung, die Landesregierung hätte aus der Luca-Geschichte lernen müssen: „Man hätte sich ein besseres Beispiel nehmen können aus diesen Lehren von einer landesweit ausgerollten Anwendung mit sehr vielen Beteiligten, die nicht einsehbar ist, bei der es zumindest unklar ist, wie sicher sie ist und einen offeneren Weg gehen können.“
Das Bildungsministerium will den Messenger weiterführen – für das Ministerium ist die Anwendung ein Erfolg. Das Fazit von Schulleiterin Meier-Ziemiak hingegen: „Wenn die App datenschutzrechtlich wirklich noch nicht überprüft ist, müssten wir uns als Schule überlegen, ob wir den Messenger überhaupt weiter nutzen können.“
Über dieses Thema hat auch die SR info Rundschau am 23.02.2024 berichtet.