"Die Breitz-Affäre – ein Resultat totaler Inkompetenz"
Ein Kommentar von Barbara Grech
Wollte die Direktorin des Saarlandmuseums die Ausstellung mit der umstrittenen Künstlerin Candice Breitz gar nicht absagen? Ein Chat-Protokoll von Andrea Jahn mit der Künstlerin, das dem SR vorliegt, könnte das belegen. Oder wollte Jahn nur einem Streit mit Breitz aus dem Wege gehen? Oder hat Kulturministerin Christine Streichert-Clivot doch mehr Einfluss auf diese Entscheidung genommen? Dazu ein Kommentar von SR-Kulturreporterin Barbara Grech.
Glaubt man dem Chatverlauf, den Museumsdirektorin Andrea Jahn anscheinend mit der Künstlerin Candice Breitz geführt hat, dann wäre diese Absage ein klarer Fall von Cancel Culture, von einem derben Eingriff in die künstlerische Freiheit einer kulturellen Institution und ein Gängeln einer Führungsperson mit Redeverbot.
Doch kann man diesen Botschaften von Andrea Jahn an die Künstlerin tatsächlich Glauben schenken? Ihr Verhalten in der Öffentlichkeit jedenfalls war keinesfalls so mutig und entschlossen wie ihre Chat-Nachrichten.
Im Gegenteil: Mehr oder minder überzeugend verteidigte Jahn immer wieder diese Ausstellungs-Absage. Hat Sie also bei der Künstlerin eine dicke Lippe riskiert und ist derweil vor einer wild agierenden Ministerin eingeknickt?
Und was ist mit Ministerin Streichert-Clivot? Hat sie eben doch Einfluss auf diese Entscheidung genommen und – wie in einem Chat von Jahn behauptet – Kontrolle über die Museumschefin ausgeübt?
Geballte fachliche und kulturpolitische Inkompetenz
Wer also sagt da nicht die Wahrheit? Wenn sie mich persönlich fragen: Ich glaube weder der einen, noch der anderen. Beide rücken sich die Wahrheit zurecht, um die jeweilige geballte Inkompetenz zu übertünchen. Denn darum geht es in Wahrheit bei dieser Affäre: um geballte fachliche und kulturpolitische Inkompetenz.
Eine Museumsdirektorin, die fröhlich-naiv Künstlerinnen in ihr Haus einlädt, ohne sich ein Bild zu machen, für welche Positionen diese eigentlich stehen. Dass Candice Breitz, sagen wir es mal diplomatisch, eine komplizierte Künstlerin ist, die gerne mit politisch teilweise auch kruden Aussagen provoziert, weiß jeder, der ab und an mal im Feuilleton einer überregionalen Zeitung blättert.
Das hat Jahn offensichtlich nicht getan. Ihre Auswahlkriterien: hauptsache weiblich, irgendwie feministisch und schön im weiblich-hysterischen Mainstream, der gerade in der Kunstszene den Ton angibt.
Man muss in einer Demokratie nicht einer Meinung sein
Damit wäre sie wahrscheinlich gut gefahren, hätte sie nicht übersehen, dass Breitz – und jetzt mal ganz undiplomatisch – auch eine ziemliche Krawall-Nudel ist.
Allerdings ist meiner Meinung nach alles, was sie in Sachen Hamas und der Regierung Israels gesagt hat, in einer Demokratie, in der wir ja hoffentlich noch leben, erlaubt. Man muss mit ihr nicht einer Meinung sein, aber man muss es aushalten.
Ministerin ist der Kulturfreiheit verantwortlich
Und damit kommen wir zu Christine Streichert-Clivot, die sich, aufgrund ihrer geballten Inkompetenz in Sachen Kulturpolitik – auch schön mainstreamig – zur Wortführerin in Sachen Antisemitismus im Kulturbetrieb gemacht hat.
Ein Beispiel: Bei der letzten Kulturausschuss-Sitzung im Landtag habe ich sie gefragt, wie denn jetzt das Vertrauensverhältnis zu Jahn nach dieser ganzen Affäre sei? Daraufhin monologisierte Streichert-Clivot, gefühlt zwei Minuten lang, über die schlimme Situation der Juden in Deutschland und den grassierenden Antisemitismus im Land.
Damit hat sie zweifelsohne recht. Nur war das – erstens – nicht die Antwort auf meine Frage und – zweitens – ist sie nicht die Antisemitismus-Beauftragte im Land, sondern als Ministerin für die Kultur und die damit verbundene Kulturfreiheit verantwortlich.
Doch die aktive Gestaltung der Kulturpolitik im Land ist ihre Sache nicht. Siehe den noch immer nicht besetzten Posten des Festivals "perspectives" oder eben das Drama um Andrea Jahn, die sie als Kulturministerin auf den Posten gesetzt hat.
Wie weiter?
Wie es nun weitergeht? Eine Auflösung des Vertrags von Andrea Jahn ist wahrscheinlich. Und nein nein, Jahn wäre dann nicht das Bauernopfer für eine verfehlte kulturpolitische Entscheidung. Wäre Jahn kompetent, hätte sie diese Causa gestalten und kommunizieren können.
Und Christine Streichert-Clivot? Die muss jetzt erstmal beweisen, dass sie eine Kulturministerin ist und nicht nur den Titel trägt. In drei kulturellen Leuchttürmen des Landes stehen Neubesetzungen an: bei "perspectives", dem Staatstheater und spätestens 2025 muss der Posten der Museumsdirektorin neu besetzt werden.
Dafür braucht es Expertise und das geht nicht mit ein paar Beratungsgremien mit Mitgliedern von außerhalb. Ob sie diese Expertise hat? Nach dieser Affäre – fragwürdig.
Mehr zur "Breitz-Affäre"
Ein Thema in der "Region am Nachmittag" am 07.03.2024 auf SR 3 Saarlandwelle