Ulli Wagner von der Leipziger Buchmesse 2024
Vom 21. bis 24. März trifft sich die Bücherwelt wieder in Leipzig. Es ist DER Frühjahrstreffpunkt für Verlage, Autorinnen und Autoren und natürlich Lesefreunde. Auch in diesem Jahr ist SR 3-Reporterin Ulli Wagner live vor Ort und und berichtet in ihrem Blog täglich darüber, was es Spannendes auf der Messe zu erleben gibt.
Die Tagebuch-Tage!
- Mittwoch, 20. März
- Donnerstag, 21. März
- Freitag, 22. März
- Samstag, 23. März
- Sonntag, 24. März
Sonntag, 24. März (5)
Schön war er, der "Saarländische Abend" im "Theater der jungen Welt" draußen in Lindenau. 2015 hatte sich das Saarland damit zum ersten Mal in die Reihe "Leipzig liest" eingebracht. Die ist für viele ja der wahre Grund, weshalb sie jedes Frühjahr hierher pilgern. Noch nicht ganz so lange, aber bereits traditionell, beginnt dieser Abend mit einer szenischen Lesung der besonderen Art: Schauspielerin und Autorin Isabella Archan nimmt uns mit in eine Welt voller Rätsel und Humor und alle, die sich darauf einlassen, haben die Außenwelt innerhalb weniger Sekunden vergessen.
Von Beginn an, also seit 2015, sorgt die Leipziger Band "Spanish Mode" für den guten Ton und für beste musikalische Unterhaltung mit lateinamerikanischen Rhythmen.
Dazwischen serviert Jörg Sämann, der Literaturbeauftragte im zuständigen Ministerium des Saarlandes, kleine literarische Happen. Gestern waren das zum Beispiel Romanfragmente von Andreas Drescher, Schauriges von Germaine Paulus oder Nachdenkliches und zugleich Urkomisches mit den "Okay, Bommer"-Kolumnen von Frank P. Meyer. Gestern machte das Saarland aber auch seinem Motto "Literatur grenzenlos" alle Ehre und damit zugleich auch dem Gastland dieser Buchmesse.
Das sind in diesem Jahr die Niederlande und Flandern gemeinsam und der hier in Leipzig gegründete Seume-Verlag aus Saarbrücken hat zu dieser Buchmesse eine Reiseführer Antwerpen herausgebracht. Der ist Teil der "Seume Promenaden", stammt aus der Feder des waschechten Flamen Johan Dielemann und heißt "Antwerpen. Auf der Suche nach der Seele meiner Stadt". Bessere Werbung für einen Städtetrip an die Schelde gibt es kaum.
Dieser "Saarländische Abend" im Rahmen von "Leipzig liest" ist aber nicht nur für den Kulturgenuss da, sondern vor allem auch für den Austausch. Aber nicht, dass jetzt wer denkt, wir würden da unter uns bleiben. Keineswegs. Gestern hatten die Einheimischen sogar fast die Mehrheit.Die Veranstaltung steht in jedem Messe-Programm, die Band macht immer fleißig Werbung "für die aus dem Saarland" und es gibt auch etliche "Wiederholungstäter", solche also, die einmal eher zufällig dabei waren und nun immer wiederkommen und auch noch Freunde mitbringen.
Und es gibt auch so manche, die sich das ganze Jahr schon darauf freuen, im März zur Buchmesse mal wieder "saarländisch" zu hören und sich von und mit Grimmelshausen-Preisträger Frank P. Meyer die Lachmuskeln trainieren zu lassen.
So schön wie gestern war er allerdings schon lange nicht mehr, der "Saarländische Abend" hier in Leipzig. Wirklich eine runde Sache, wie der gesamte Messeauftritt hier.
Nach der Messe ist vor der Messe
Auf dem Buchmarkt ist es ein bisschen wie im Sport. Dort heißt es: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel und hier: Nach der Messe ist vor der Messe oder auch vor dem nächsten Festival. Das kommt bei uns im Saarland gleich nach den Osterferien. Am 12. April beginnt "erLESEN!", das Literaturfestival im Saarland. Und manche von den Autorinnen und Autoren, die dann hier bei uns auftreten, konnte ich schon in Leipzig treffen. Wie zum Beispiel Karina Urbach.
Die Deutsche, die in England lebt, ist Historikerin und hat sich mit Sachbüchern einen Namen gemacht. Durch eine persönliche Begegnung hat sie sich für die Arbeit des Geheimdienstes im Wien der Nachkriegszeit interessiert und für die Dreharbeiten rund um "Der Dritte Mann". Daraus ist ein wunderbarer Kriminalroman entstanden. "Das Haus am Gordon Place" ist Karina Urbachs erster Ausflug in die Fiktion, aber bestimmt nicht ihr letzter. Sie präsentiert ihren Roman am 22. April im Theater am Ring in Saarlouis.
Am 17. April bereits tritt Iris Wolff in den Lichtspielen in Wadern auf. Die gefeierte Autorin kann sich noch gut an ihre erste Lesung vor drei Jahren in Wadern erinnern - ebenfalls im Rahmen von "erLESEN!" und sie freut sich schon auf das Saarland und auf den, wie sie sagt, so besonderen Leseort, das zum Kultursaal reaktivierte alte Kino, die Lichtspiele Wadern. Iris Wolff hat ihren neuen Roman "Lichtungen" im Gepäck.
Auch sie ist im Saarland keine Unbekannte und zusammen mit Arno Strobel hatte Ursula Poznanski auch schon einmal einen Auftritt bei "erLESEN!"
In diesem Jahr kommt die Bestseller-Autorin aus Österreich aber nicht zum Literaturfestival, sondern zur Buchmesse Saar, die Karsten Wolter und sein Team aus dem Drachenwinkel in Diefflen auf die Beine gestellt haben. Vom 29. Mai bis zum 08. Juni werden sich dann wieder zahlreiche Promis aus dem Literaturbereich im Saarland die Klinke in die Hand geben - neben Ursula Poznanski etwa auch Alex Beer, die Krimi-Autorin, die immer für eine Überraschung gut ist, Nele Neuhaus oder auch Linus Geschke.
Er war schon oft hier im Saarland, hat er mir erzählt, als wir uns zufällig bei einer Lesung im Kupfersaal getroffen haben. Das sei allerdings schon länger her. Ich konnte mich an keine Geschke-Lesung bei uns erinnern, aber er half mir auf die Sprünge, bevor ich ins Grübeln kam: damals hätte er noch nicht als Autor gearbeitet, sondern für die Peugeot. Und damals war die Deutschland-Zentrale ... alles klar.
Nun kommt er also zum ersten Mal als Autor in Saarland und das gleich mit einer Deutschland-Premiere. Am 30. Mai stellt Linus Geschke, zusammen mit Moderator Mike Altwicker seinen dann wirklich druckfrischen Roman "Wenn sie lügt" vor. Auf den Markt kommt der dann am 31. Mai.
Das PL-Spezial oder "Fly me to the moon"
Ich habe ja schon ein paar Mal über ihn geschrieben, hier in meinem Messe-Tagebuch und auch versprochen, noch ausführlicher auf ihn einzugehen, auf diesen inzwischen Dreizehn-Jährigen, der mit 12 sein erstes Buch geschrieben und "Fly me to the moon" nun in Leipzig vorgestellt hat.
Dass wir davon überhaupt etwas erfahren haben, ist den aufmerksamen Augen des Kollegen Heger zu verdanken (prima gemacht, Gerd!). Dem war ein Hinweis am späten Donnerstagabend in einem Kinderspielemagazin aufgefallen und beim Namen Theiss hatte es zu klingeln begonnen. Eine kurze Recherche aus Leipzig hat dann Freitagmorgen schnell bestätigt, dass es sich bei dem jungen Autor tatsächlich um den Sohn von Peter und Laura Theiss handelt. "Sorry, in der ganzen Aufregung haben wir euch total vergessen", begrüßte mich PLs Mutter, als wir uns bei der "Blauen Stunde" am Saarland-Gemeinschaftsstand trafen.
Am Samstag Morgen saß Peter Lauras Theiss, begleitet von seinem Co-Autor, dem Wissenschafts-Journalisten Patrick Klapetz, auf der Bühne, als würde er das mindestens einmal pro Woche tun und auch das Signieren danach ging im so flott von der Hand, dass ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus kam.
"Hast Du das schon oft gemacht", habe ich ihn gefragt. "Ja" hat er geantwortet und weil er mir wohl angesehen hat, dass ich das nicht kapiere, wo das Buch doch gerade erst erschienen ist, hat er mich erlöst und erklärt: "ich habe das geübt!"
So einer ist Peter Lauras Theiss. Sich mit seinen Freunden treffen und ins Kino gehen, macht er aber auch gerne, der Sohn von Laura Theiss und von Peter Theiss, bekannter Unternehmer und Kultursponsor. Und inzwischen ganz der stolze Vater, während die Mutter alles mit dem Handy festhält.
PL, wie der Dreizehnjährige genannt wird, interessiert sich schon lange für Raumfahrt und Wissenschaft. Er will Raumfahrt-Ingenieur werden und wie Matthias Maurer will er auf den Mond fliegen. Sollte es nur einem von beiden gelingen, habe ich eine klare Vorstellung davon, wem! Und er weiß ganz genau, dass das kein Spaß wird, sondern dass er wirklich hart wird trainieren müssen und sich auch gegen viele andere wird durchsetzen müssen. Aber er kennt schließlich auch Leute, die es schon ganz weit gebracht haben in der Raumfahrt. Matthias Maurer zum Beispiel und diesen einen deutschen Astronauten, der schon aus dem Weltall so viel für Kinder - und für die "Sendung mit der Maus" gemacht hat - und dem er auch einmal persönlich begegnen durfte, bei einem Raketen-Launch.
Alexander Gerst, auch Astro-Alex genannt, konnte PL Löcher in den Bauch fragen und dieses wirklich exklusive Interview ist ebenso in seinem Buch "Fly me to the moon" abgedruckt wie dieses aussagestarke Foto, dass wir hier netterweise auch nutzen dürfen.
"Fly me to the moon" ist eine Mischung aus Fiktion und Wissenschaft, bei vielem hat Co-Autor Patrick Klapetz geholfen, aber vieles ist auch der reichen Vorstellungskraft von Peter Lauras zu verdanken. Und weil man nie genug für den Nachwuchs und schon gar nicht für die Raumfahrt tun kann - sagt der Generaldirektor der ESA Dr. Josef Aschbacher -ist dieses Buch auch in Kooperation mit der ESA entstanden. "Fly me to the moon" von Peter Lauras Theiss und Co-Autor Patrick Klapetz ist beim Spurbuchverlag erschienen und kostet 19,80 Euro.
Samstag, 23. März (4)
Für mich ist die "Blaue Stunde" am Saarland-Gemeinschaftsstand beruflich ein Pflichttermin, aber einer, den ich gerne wahrnehme. Ich bin also immer dabei, wenn am Ende des zweiten Messetages - zur Halbzeit - eine erste Bilanz gezogen wird und Netzwerke geknüpft werden. Aber ich habe diesen Stand noch nie so voll und so laut erlebt wie in diesem Jahr
Bereits vor 17.00 Uhr war zu erkennen, dass am Saarland-Gemeinschaftsstand etwas Besonders los sein muss. Aus allen Hallen kamen Verleger, Autorinnen und andere Kreative aus dem Saarland oder mit Saarlandbezug zum großen Stand in Halle 5 und über Messenger wurden schnell noch welche eingeladen und zur "Blauen Stunde" gelotst, die von dieser hübschen Tradition womöglich nichts wussten.
Es wurde gesproocht, gemait, genetzwerkt und manche begegneten sich dort am Saarland-Gemeinschaftsstand zum ersten Mal. Ich zum Beispiel einem Dreizehnjährigen aus dem Saar-Pfalz-Kreis, der mit 12 ein Buch geschrieben hat, das er heute hier in Leipzig vorstellen wird.
Peter Lauras Theiss heißt dieser aufgeweckte Junge, der Astronaut werden will und das meint er mindestens so ernst wie Matthias Maurer und Alexander Gerst zusammen. "Fly me to the Moon" heißt sein Buch, also "Flieg mich zum Mond" - mehr verrate ich noch nicht, denn PL, wie er genannt wird, und sein Buch bekommen einen Ehrenplatz in diesem Messe-Tagebuch.
Fleißig Kontakte geknüpft und Ideen ausgetauscht hat bei der "Blauen Stunde" auch Viktoria Etzel. Die Neu-Saarländerin erlebt hier ihre zweite Buchmesse als Autorin. In Frankfurt hatte die gebürtige Hessin im vergangenen Herbst ihre erste Messe-Lesung. Hier nach Leipzig wollte sie früher schon mal kommen, als Büchernärrin quasi, aber da hatte Corona ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Diesmal also hat es geklappt und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn als ich die Autorin von Jugendbüchern am Oetinger-Stand besucht habe, da bekam sie gerade großes Lob von der Verlagsspitze.
Markus Heitz, der Bestseller-Autor aus dem Saarland, erlebt Leipzig ganz anders als Messe-Neuling Etzel. Wobei auch er sich - nach gefühlt 100 Buchmessen, wie er scherzhaft sagt - die Neugier und das Interesse am direkten Kontakt mit seinen Leserinnen und Lesern bewahrt hat. Für ihn mit seinen vielen Terminen wird das gerade am Messewochenende "die Hölle", erzählt er und verbessert sich dann gleich selbst: "Ach, eigentlich ist es ja eher ein Bücherhimmel und genau so wollen wir es ja auch haben".
Ich muss heute früh draußen auf der Messe sein, Denn schon kurz nach Öffnung der Hallen gibt es aus Saarland-Sicht zwei Konkurrenz-Veranstaltungen - mit Frank P. Meyer und seinen "Okay, Boomer"-Kolumnen und eben mit dem 13-jährigen PL Theiss. Ich habe mich bei dem Erwachsenen entschuldigt und werde natürlich die Nachwuchskraft aus dem Saarland unterstützen. Meyer & Co kann ich ja später noch erleben - beim "Saarländischen Abend" im Rahmen der Aktion "Leipzig liest". Und darauf freue ich mich sehr.
Mein erster Weg auf der Messe führte mich heute zum jüngsten Premierenleser, den ich je erlebt habe. Gestern Abend war ich Peter Lauras Theiss ja zum ersten Mal begegnet und hatte mit Staunen von seinem Großprojekt gehört. Ich hatte ja angekündigt und versprochen, dass dieser Junge und sein "Fly me to the Moon" einen Sonderplatz in diesem Messe-Blog bekommen. Weil es so umfangreich ist, setze ich das aber erst um, wenn ich wieder zuhause bin - quasi als krönender Abschluss.
Heute hatte ich nicht ganz so viele Termine auf der Messe und das war auch gut so: am Wochenende dauert es nämlich mindestens doppelt so lange von einer Halle in die nächste wie sonst. Da kann sich ein Interview schnell mal um eine halbe Stunde verzögern, manchmal auch noch länger, weil natürlich auch die Autorinnen und Autoren nur mühsam voran kommen und alle paar Meter um ein Autogramm gebeten werden. Eigentlich hatte ich bei Fischer Arno Strobel treffen wollen, aber da war mittags kein Durchkommen.
Wie gut, dass der zufällig bei Argon vorbei kam, als ich mich bei diesem Hörbuchverlag gerade über das neue Programm informiert habe. Argon bringt auch die Thriller von Arno Strobe als Hörbuch raus - die Mörderfinder-Reihe mit Dietmar Wunder als Erzähler und die Stand Alones mit Sascha Rotermund. Das war eine schöne Zufallsbegegnung. Überhaupt hat es gut getan, in der Audio-Ecke zu erleben, wie gefragt "das gesprochene" Wort im Moment ist. Da geht einer Radio-Frau wie mir natürlich das Herz auf!
Und zum Schluss konnte ich dann auch noch ein Versprechen einlösen und mir noch eine Premiere anschauen: die der Comebeck Verlagsgruppe. Das saarländische Unternehmen ist zum ersten Mal auf der Leipziger Buchmesse. Andreas Schorr war früher in anderer Funktion Teil des Saarland-Gemeinschaftsstandes und kennt die Messe hier und vor allem auch die vielen vielen Besucherinnen und Besucher am Wochenende. Für Comebeck und Kerstin Daiker ist es aber der erste Besuch hier und sie ist total begeistert von Leipzig und dieser Frühjahrsbuchmesse.
Heute Abend treffen wir uns alle draußen in Lindenau zum "Saarländischen Abend" im Rahmen von Leipzig liest. Mehr dazu gibt es dann morgen früh hier!
Freitag, 22. März (3)
Der Abend war lang, die Nacht kurz ... aber es hat sich gelohnt. Nur selten schaffe ich es während der Buchmesse auf eine der vielen Abendveranstaltungen - leider. In diesem Jahr hatte ich mir den Donnerstagabend aber schon lange geblockt, denn da hatte dtv einen großen Abend mit dem bekanntesten und erfolgreichsten Krimi-Autor des Verlages geplant, mit Jussi Adler-Olsen. Ich bin ja bekennender Jussi-Fan und ich hatte schon lange die Zusage für eines der wenigen Interviews zum Abschluss seiner Reihe um Carl Mørck und das Sonderdezernat Q. Aber Anfang des Jahres musste Adler-Olsen alle Termine absagen - auch die hier in Leipzig.
Dtv hat aus der Not eine Tugend gemacht: Der Kupfersaal war gebucht, der Verlag hat auch noch andere exzellente Autoren und so kam der dtv-Thrillerabend zustande und der zeigte das Genre von seiner besten Seite: unterhaltsam, spannend, manchmal gruselig, aber immer auch zum Schmunzeln oder gar laut lachen. Das lag natürlich vor allem an den vier Protagonisten: Henri Faber, Benjamin Cors, Ivar Leon Menger und Frank Goldammer ...
Dass ich heute früh vor Herausforderungen stehe, hat aber nichts mit der kurzen Nacht zu tun. Das hängt einfach daran, dass heute der ÖPNV hier in Leipzig bestreikt wird.
Und deshalb stürze ich mich jetzt gleich mal in die Massen, die aktuell nur eine sichere Option haben, raus zum Messegelände zu kommen: mit der S-Bahn. Denn die Taxen sind mit Vorbestellungen schon ausgebucht und die Straßen sind noch voller als sonst, wie bei uns im Saarland an Streiktagen auch. Da geht gerade mehr Stopp als Go. Also warte ich lieber geduldig, bis ich irgendwann doch in eine S-Bahn reinpasse ... Insgeheim hoffe ich ja, dass die 16, die hier fast ums Eck abfährt und mich sonst immer zuverlässig zur Messe bringt, vielleicht doch fährt ... Schaun wir mal.
Wie gut, dass ich noch kurz an der Rezeption vorbeigeschaut habe, bevor ich los bin. Dort bekam ich einen Tipp, der Gold wert wart: einmal quer durch die Innenstadt laufen zum Augustplatz mit Gewandhaus und Oper. Wenn die 16 fahren würde, hätte ich dort die beste Chance, noch reinzukommen. Und sie fährt - nur die 16, aber dafür erstaunlich häufig.
Und tatsächlich war nur eine Station von Hauptbahnhof entfernt der Andrang so gering, dass ich sogar einen Sitzplatz ergattern und dem Ansturm am Bahnhof gelassen begegnen konnte.
Nun steht einen spannenden Messetag mit vielen Grüßen interessanten Interviews und Begegnungen nichts mehr im Wege. Ich freue mich drauf - auch auf die „Blaue Stunde“ zur Messe-Halbzeit heute um 17.00 Uhr am Saarland-Gemeinschaftsstand.
Donnerstag, 21. März (2)
Von heute an bis Sonntag hat die Leipziger Messe nun ihre Tore geöffnet für Lesebegeisterte aus aller Welt und gerade an den ersten beiden Tagen ist das Publikum erstaunlich jung: denn der Messebesuch steht für viele auf dem Schulprogramm und das macht einen Gang durch die Hallen zu einem ganz besonderen Erlebnis
Und dann gibt es ja auch noch die Manga Comic Con, die inzwischen fester Bestandteil der Leipziger Buchmesse ist und wesentlich dazu beiträgt, dass es hier so lebendig und bunt ist. Dazu später gerne mehr, ich freue mich schon drauf.
Mehr als 2.000 Aussteller und Ausstellerinnen aus 40 Ländern präsentieren sich hier in Leipzig. Mit dabei auch einige aus dem Saarland. Manche, wie Reinhard Klimmt oder Comebeck Publishing gehen ihre eigenen Wege, andere sind Teil des Saarland-Gemeinschaftsstandes in Halle 5. Dort präsentiert sich die Verlags- und Kreativszene aus dem Saarland und die bietet auch in diesem Jahr Partnern aus Ostbelgien wieder eine Messe-Heimat. Auch in diesem Jahr hat dieser Gemeinschaftsstand eine ansehnliche Größe, ist aber an einen anderen Platz gewandert und ich bin sehr gespannt, ob er dort ebenso ein Blickfang ist wie im letzten Jahr.
Apropos Blickfang: gestern Abend bei der Eröffnungsfeier waren überall solche Plakate zu sehen, in allen Farben de Regenbogens. Die Leipziger Buchmesse ist in diesem Wahl- und Krisenjahr eine politische. Manche verstehen sie auch als Weckruf an die Demokratie-Müden oder Demokratie-Satten.
Und sie ist ein Angebot zum Austausch, zum Zulassen anderer Meinungen, anderer Perspektiven, wie der Kanzler bei der Eröffnungsfeier betonte. Überall in der Stadt gibt es Aktionen und Lesungen, heute etwa mit Tagesthemen-Moderatorin Jessy Welmer, die mit ihrem Buch "Die neue Entfremdung. Warum Ost- und Westdeutschland auseinandertriften" gerade hier für Gesprächsstoff sorgt.
Die Kriege und Krisenherde sind ein allgegenwärtiges Thema. Und in vielen Foren und an vielen Stellen in der Stadt wird der Opfer von Machtmissbrauch und Unterdrückung gedacht - wie etwa hier am spontanen "Nawalny-Mahnmal", das ich auf dem Weg vom Hotel zur Nikolaikirche entdeckt habe.
Bereits am ersten Messetag ist der Andrang groß, wie hier vor der Gemeinschaftsbühne von ARD, ZDF und anderen öffentlich-rechtlichen Sendern. Das Buch lebt, Bücher bieten Unterhaltung, Ablenkung, aber auch Orientierung und die ist offenbar in diesen Zeiten besonders gefragt. Davon ist auch Reinhard Klimmt überzeugt.
Er ist "gefühlt seit 50 Jahren" auf der Leipziger Buchmesse, erzählt er, erst als interessierter Leser und seit langem auch als Aussteller auf der Antiquariatsmesse. Denn hier in Leipzig werden keineswegs nur Neuerscheinungen präsentiert.
Klimmt stellt seine wertvollen alten Bücher in Halle 5 aus - nur wenige Meter vom Saarland-Gemeinschaftsstand entfernt. Der ist, wie ich heute feststellen musste, doch ein bisschen geschrumpft, verglichen mit letztem Jahr, aber er ist immer noch weitaus größer als in den Anfangsjahren und vor allem ist er immer noch gut und schon von weitem zu sehen.
Vertreten dort sind die Kreativwirtschaft, die diesen Gemeinschaftsstand auf der Leipziger Buchmesse gerne zum Netzwerken nutzen. Und natürlich Verlage aus dem Saarland oder solche von Saarländern und Menschen mit Saarlandbezug.
Zum zweiten Mal mit dabei ist auch der Grenz-Echo Verlag aus Eupen in Ostbelgien. Ohne diesen Gemeinschaftsstand könnten sie nie und nimmer ihre Bücher hier ausstellen, sagt Carolin Schulzen. So ist dieser Messestand irgendwie auch ein Stück gelebte Großregion. Alle profitieren davon. Auch das Saarland. Denn immerhin gibt es "bei uns" so auch ein Buch, das mit Unterstützung aus Flandern, einem der Partnerländer dieser Buchmesse, entstanden ist. Und der Grenz-Echo-Verlag präsentiert hier in Leipzig ein Buch, das genau den Nerv der Zeit trifft. Es heißt "Via Democratica Europa - Entdecken, was verbindet" und ist ein Reise- und Gedankenführer auf der Europastraße der Demokratie durch die Grenzregionen von fünf Ländern.
Mittwoch, 20. März (1)
Normalerweise genieße ich es, mit der Bahn zur Buchmesse zu fahren - voll bepackt, aber trotzdem stressfrei. In diesem Jahr war mir das zu unsicher und so habe ich mein mobiles Studio und alles andere in einen Dienstwagen gepackt und mich auch früher als sonst auf den langen Weg nach Leipzig gemacht.
Die Stadt ist schon seit Tagen im Buchmesse-Modus und begrüßt ihre Gäste mit einem wunderbaren Frühlingsanfang. Es sieht so aus, als freuten sich die Sachsen auf die vielen Besucherinnen und Besucher aus aller Welt.
Weil ich so früh dran war, konnte ich dieses Mal sogar schon vor der Eröffnungsfeier mein kleines mobiles Studio aufbauen.
Hier also werde ich die nächsten Tage und vermutlich auch manche Nacht arbeiten, Collagen basteln und Beiträge bauen und natürlich auch an diesem Messe-Blog - das klingt stressig, macht aber auch sehr viel Spaß.
Die Anforderungen an das Zimmer sind nicht extravagant, aber ein bisschen ungewöhnlich und die Arbeitszeiten sind es erst recht. Daher war ich froh, als ich vor vielen Jahren einen Ort gefunden habe, an dem sich gut arbeiten lässt, der Selbstversorgung ermöglicht und darüber hinaus auch noch bezahlbar ist - zu Messezeiten ist das gar nicht so einfach.
Inzwischen bin ich Stammgast hier, habe immer Kaffee und Tee dabei und mein erster Weg in Leipzig führt mich meist in einen kleinen Supermarkt ums Eck für Obst und Wasser. Falls ich mal was anderes brauche, nach der Arbeit versteht sich, gibt es ein reichhaltiges Angebot an der Rezeption.
Jetzt freue ich mich auf die Eröffnungsfeier zur Buchmesse. Die findet traditionell im Gewandhaus statt und das alleine ist immer einen Besuch wert. Zum ersten Mal war ich da im März 1990, also wenige Monate nach dem Fall der Mauer, zu einer Veranstaltung mit Kurt Masur im Vorfeld der ersten und einzigen freien Wahl zur Volkskammer - schon damals war dieser wunderbare Konzertsaal multifunktional.
Ich bin sehr froh, dass ich dieses Jahr am Eröffnungstag keinen Zeitdruck habe, denn das Protokoll bittet um frühzeitiges Erscheinen. Einlass- und auch Taschenkontrollen sind keine Seltenheit, aber einen solchen Protokoll-Hinweis habe ich noch nie bekommen ... dabei ist immer Prominenz dabei. Was da wohl dahinter steckt? Doch nicht etwa Überraschungsgäste aus dem Partnerland dieser Buchmesse, aus den Niederlanden? "Alles außer flach", so werben die zusammen mit Flandern für sich und ihre Literatur ... spannend ist das! Was mache ich da? Am besten gehe ich mal "even kijken" - tot ziens & allez dann!
Gut, dass ich mich frühzeitig auf den Weg gemacht hatte. Als ich aus der Grimmaschen Straße Richtung Augustusplatz kam, sah ich schon von weitem eine lange Warteschlange vorm Gewandhaus. Das habe ich hier wirklich noch nie erlebt. Es ging dann aber recht schnell mit den Einlass- und Taschenkontrollen und so war ich schon lange vor Beginn im Foyer, wo sich die Promis dieser Buchmesse gerade munter unterhielten.
Gut zu erkennen, schon wegen seiner Größe, der Ministerpräsident der Niederlande Marc Rutte, ins Gespräch mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth vertieft. Links von Rutte ist Jan Jambon, der Ministerpräsident von Flandern - gemeinsam sind die Niederlande und Flandern ja die Gast- oder Partnerländer dieser Buchmesse und mit dem Rücken zu uns Michael Kretschmer, der Ministerpräsident von Sachsen.
Die Niederlande trugen auch musikalisch etwas bei zum Gelingen dieser Eröffnungsfeier - mit einem Frauen-Quartett, dessen Repertoire von der Klassik bis zur Moderne reicht.
Und wie fast immer spielte auch das berühmte Gewandhausorchester auf - diesmal unter Leitung von Anna Rakitina, einer berühmten und sehr begehrten jungen Dirigentin, die bereits in Boston, Chicago oder New York begeistern konnte und auch heute Abend in Leipzig das Publikum sofort auf ihrer Seite hatte.
Weshalb nun aber dieser ungewöhnliche Sicherheitsaufwand? Das Geheimnis war schnell gelüftet.
Der Bundeskanzler gab sich die Ehre. Das gefiel manchen nicht und es brauchte Zeit und Geduld, bis er seine Rede trotz vereinzelt heftiger Rufe, wirklich beginnen konnte. Von "Blut an den Händen" und "Krieg" konnte ich da raushören, der Rest ging in Geschrei und Buhrufen unter.
Olaf Scholz sprach davon, dass Bücher den Horizont erweitern und dass sie uns das Zulassen lehren - das Zulassen andere Perspektiven und auch anderer Meinungen. Darüber sprach auch der israelisch-deutsche Philosoph Omri Boehm. Er wurde heute Abend mit dem "Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung" ausgezeichnet.
Er ging in seiner Dankesrede kurz in englisch auf die Zwischenrufe bei der Kanzlerrede ein und sprach sehr eindrücklich und eindringlich über Wahrheit und Freundschaft, über die Massaker vom 07. Oktober und über das, was gerade im Gaza-Streifen geschieht. Er sprach über seine palästinensischen Freunde, mit denen er so offen und vertrauensvoll sprechen kann, wie das in der Öffentlichkeit in dunklen Zeiten, wie er sagt, nicht geht. Und er sprach von der deutsch-jüdischen und deutsch-israelischen Freundschaft, die manchmal auf eine harte Probe gestellt wird und die nur dann eine Chance hat, wenn die Freunde wahrhaftig zueinander sind. Sehr beeindruckend und trotz aller Skepsis auch voller Hoffnung.
Und sie ist ein Angebot zum Austausch, zum Zulassen anderer Meinungen, anderer Perspektiven, wie der Kanzler bei der Eröffnungsfeier betonte. Überall in der Stadt gibt es Aktionen und Lesungen, heute etwa mit Tagesthemen-Moderatorin Jessy Welmer, die mit ihrem Buch "Die neue Entfremdung. Warum Ost- und Westdeutschland auseinandertriften" gerade hier für Gesprächsstoff sorgt.
Die Kriege und Krisenherde sind ein allgegenwärtiges Thema. Und in vielen Foren und an vielen Stellen in der Stadt wird der Opfer von Machtmissbrauch und Unterdrückung gedacht - wie etwa hier am spontanen "Nawalny-Mahnmal", das ich auf dem Weg vom Hotel zur Nikolaikirche entdeckt habe.