Heiße Industriegeschichte
Das Ofenmuseum Reichenbach
Im Zeitalter von Zentralheizungen und Doppelfenstern fristen die meisten ein Dasein in der Ecke oder in einer Nische: Heizungen sind einfach eine Nebensache geworden – sie müssen funktionieren und Wärme spenden. Dass es früher einmal ganz anders war, das zeigt die Ofenausstellung von Maria und Wolfgang Lengler.
Maria und Wolfgang Lengler leben im saarländischen Oberthal. Sie haben in den letzten Jahrzehnten Öfen gesammelt und vor Kurzem ihren Lebenstraum erfüllt: ein eigenes Museum in Reichenbach in der Verbandsgemeinde Baumholder. Rund 30 gusseiserne schwarze Öfen aus drei Jahrhunderten sind da zusammengenommen in der Halle zu sehen – mache sind an die acht Zentner schwer.
In der ehemaligen Turnhalle sind viele Raritäten zu sehen. So zum Beispiel ein Bockenheimer Stubenofen. An der Vorderseite ist sinnigerweise ein Bildnis mit einem offenen Feuer, um das sich Alt und Jung scharen. Oder ein um 1900 gegossener Küchenherd im Jugendstil. Blumen, Ranken und schön geformtes Blattwerk umgarnen die Außenseiten.
Dass Ofenrohre nicht nur nützlich, sondern auch schön sein können, zeigt der seltene Siegener Kastenofen aus dem Jahr 1870. Damit die Wärme möglichst im Zimmer bleibt und nicht im Schornstein verpufft, sind die riesigen Metallröhren in Lyraform. Gleichzeitig ist dies auch ein Symbol für Frieden im Haus.
Richtig große Wärmemonster sind in der Mitte des Museums aufgestellt: die so genannten Säulenöfen. Sie sind bis zu 2,60 Meter hoch und können ein Gewicht von bis zu acht Zentnern auf die Waage bringen. Solche edlen Raritäten standen meistens in herrschaftlichen Häusern oder Villen.
Kolosse aus Eisen
Doch die Öfen waren nicht nur ein schnödes Stück gegossenes Metall. Sie konnten sogar den politischen Standpunkt widerspiegeln und sehr deutlich Flagge zeigen. Denn durch die Verzierungen konnte man schnell erkennen, welcher parteilichen Strömung jemand zugehört oder welche Idee und Gesellschaftsform er unterstützte. So wurde 1879 zur Reichsgründung extra ein eigener Kaiserofen von der Neunkircher Familie Stumm gegossen. Die Wappen der Einzelstaaten verzieren die Seiten – Germania und Kaiserapfel thronen auf dem weit über zwei Meter hohen Feuerungetüm.
Spätestens beim wertvollsten Stück der Sammlung wird klar: Öfen – das waren vor dem Zeitalter der Zentralheizung nicht nur Kochgelegenheiten und Wärmespender. Da gab es viel Know-How, das heute längst vergessen ist. Wasserbäder, Luftregulierungen – und, wer es ganz bequem und sauber haben wollte, ließ sich sogar den Ofen so in die Wand einbauen, dass das Personal das Holz im Nebenraum einlegte, ohne die hohen Herrschaften zu stören.
Auch bei diesem Alltagsgegenstand zeigt sich: Wer wirklich Geld hatte und protzen wollte, der schaffte sich entsprechende schwergewichtige Kolosse aus Gusseisen an – was heute Autos oder Häuser sind, das waren damals auch die Öfen.
Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Familie Stumm – schließlich waren ihre Öfen auch ein Renner in der damaligen Zeit. Eine Ahnentafel der Familie erinnert an diese Zeit, als Eisen, Kohle und Stahl das Saarland in die erste industrielle Liga brachten. Zwei seltene Industriebilder zeigen aber auch die Schattenseiten. An Sicherheit dachte damals kaum jemand. Ohne Sicherheitsschuhe, Schutzhemd und häufig ohne Handschuhe mussten die Arbeiter an den Schmelzöfen ihren Dienst tun. Viele verletzten sich oder wurden krank, als sie das glühend heiße Gusseisen zu Ofenteilen verarbeiteten.
Normalerweise wären diese Kunstwerke der Industrialisierung in Vergessenheit geraten, wenn nicht das Ehepaar Lengler eine Leidenschaft für das spröde Metall entwickelt hätte. Immer wieder haben sie kostbare Stücke entdeckt – die meisten allerdings in einen sehr schlechten Zustand. Das konnten die beiden nicht mit ansehen. Kein Wunder – schließlich spielt Metall auch in ihrem beruflichen Alltag eine wichtige Rolle. Sie arbeitet als Produktionsmitarbeiterin – er ist Schweißer.
Seit mehreren Jahrzehnten sind sie nun dabei. Sie waren fasziniert von den Formen und Reliefs. Damit begann ihre Sammlung – und Jahr für Jahr kamen neue Öfen hinzu. Bald reichte der Platz in den eigenen vier Wänden in Oberthal nicht mehr aus. Eine Scheune wurde angemietet. Da waren die Zeitzeugen zwar gut aufgehoben – aber quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Im Laufe der Zeit wuchs bei den Lenglers die Idee, ein eigenes Museum zu eröffnen, damit auch Besucher die wärmenden Schätze aus der Industriegeschichte bewundern können. Lange haben die beiden im Saarland gesucht – und nach viel Mühe trotzdem nichts gefunden. Als dann in Reichenbach die ehemalige alte und in die Jahre gekommene Turnhalle günstig zum Verkauf stand, haben sie nicht länger gewartet. In Eigenarbeit, mit viel Engagement und Herzblut wurde im vergangenen Jahr die Halle hergerichtet. So entstand ein kleines persönliches Themenmuseum, das hier im Südwesten einmalig ist.
Herbert Mangold
Kontakt
Ofenmuseum
Hauptstraße 23
55776 Reichenbach
über Rathaus
Tel.: (06783) 98 00 92
E-Mail: info@reichenbach-nahe.eu/ofenmuseum
Öffnungszeiten
März bis Ende Nov./Anfang Dez. (bis zum Weihnachtsmarkt)
So. und an den Feiertagen 10.00 – 17.00 Uhr.
Eintritt
Der Eintritt ist frei. Das Ehepaar Lengler bietet meistens Kuchen und Kaffee an. Das Museum ist auf Unterstützung angewiesen und freut sich daher über Spenden.
Anfahrt
Wer von Saarbrücken über Landstuhl anreist, fährt auf der A 62 Richtung Trier bei der Ausfahrt Freisen ab. Dann fährt man auf der L 348 und L 169 sowie L 176 immer Richtung Idar-Oberstein bis man nach Reichenbach kommt. Nach dem Ortschild links abfahren. Nach einigen hundert Metern kommt man zur Hauptstraße. Dann links abbiegen und kurz danach kommt das Ofenmuseum.