der Ludwigsplatz in Alt-Saarbrücken (Foto: Patrick Zarth)

Zeitreise für Fußgänger

 

Eine Mondscheintour durch den Saarbrücker Barock. Auf den Spuren von Karl-Friedrich Stengel ins Fürstentum Nassau-Saarbrücken führt diese kleine Nachtwanderung unter kundiger Führung. Und als krönenden Abschluss gibt es ein Barockmahl, inspiriert von Rezepten aus einem regionalen Kochbuch des Jahres 1769.

(05.08.2014) Schlag 18.00 Uhr auf dem Ludwigsplatz läutet Klaus Friedrich sie ein: seine Mondscheintour für Genießer – eine Zeitreise ins barocke Saarbrücken. Rund 30 Frauen und Männer wollen ihm folgen, auf den Spuren von Karl-Friedrich Stengel ins Fürstentum Nassau-Saarbrücken.

Das ist leichter als man denkt: Wer auf dem Ludwigsplatz steht, hat den ersten Schritt in die Vergangenheit schon gemacht: streng symmetrisch stehen sich die Häuser gegenüber. Grau-weiße Fassaden mit geschwungenen Fenstern und reich geschmückten Türrahmen bilden die Kulisse. „Eines der schönsten Barockensembles in Deutschland“, wird Klaus Friedrich gleich sagen und den Besuchern aus dem Saarland und Lothringen vorspielen, wie der 81-jährige Stengel bei der Eröffnung der Kirche als erster über den Platz schritt. Man sagt, ihm wurde auf einem Kissen sein Arbeitsgerät vorausgetragen: ein Graphometer. „Erst dann kam der Fürst“, sagt Klaus Friedrich. Und: „Stellen Sie sich das doch mal vor.“

Heckenanlage im Schlossgarten (Foto: Patrick Zarth)
Heckenanlage im Schlossgarten

Auf den Spuren von Karl-Friedrich Stengel

Die Ludwigskirche ist den Maßen des salomonischen Tempels aus dem Alten Testament nachempfunden. Ein Meisterwerk und der Einstieg ins Saarbrücker Barock, der hinter dem Platz am Bau der Hochschule der Künste beginnt. Vor dem Kirchenportal zeigt sich auch die Stengelsche Städteplanung: Sichtbare und unsichtbare Blickachsen zwischen Ludwigskirche, St. Johanner Markt und Schloss gehören dazu. So blickt man vom Eingangsportal der Ludwigskirche aus direkt auf die alte lutherische Kirche im gegenüberliegenden St. Johann und auf den Kaninchenberg.

Und in diese Richtung treibt es ihn jetzt, den Zeitreiseleiter. Der Saarbrücker Barock ist schließlich nicht nur vor der Ludwigskirche zu finden. Klaus Friedrich spürt ihn auf Hinterhöfen auf, wo beispielsweise eine uralte Hopfenhecke wuchert. Er geht einmal um die Ecke und landet in der Altneugasse unterhalb der mittelalterlichen Stadtmauer. Auf einem kleinen Platz: das letzte originale Kopfsteinpflaster aus dem Barock. „Hier gingen vielleicht schon Goethe und Mozart“, schwärmt Klaus Friedrich und treibt seine Zeitreisegäste zu Eile. Es gibt noch so vieles zu sehen, weiß Klaus Friedrich und seine Barock-Begeisterung wirkt ansteckend.

Mondscheintour durch den Saarbrücker Barock (Foto: Patrick Zarth)
Mondscheintour durch den Saarbrücker Barock

"Der Barock ist die Stunde Null des Saarlandes"

Und er kann sie auch begründen: Der Barock ist aus seiner Sicht die Stunde Null des Saarlandes. So war das Land nach dem Dreißigjährigen Krieg nahezu entvölkert. Ganze 70 Untertanen hatte Saarbrücken damals noch. Ein echtes demografisches Problem sozusagen, das über die Jahre durch Zuwanderer aus der Schweiz, Österreich, Bayern, Hessen, Frankreich und der Wallonie gelöst wurde. Diese Zuwanderer sind die eigentlichen Vorfahren der heutigen Saarländerinnen und Saarländer, sagt Klaus Friedrich.

Der Barock gehört quasi zu den ältesten bleibenden Spuren in der Stadt. Und über sie kann der Wirtschaftsassistent Klaus Friedrich einiges berichten. Er hat vor einigen Jahren die BarockStraße Saar­Pfalz initiiert. Innerhalb eines Jahres stand das vom Regionalverband Saarbrücken, dem Landkreis Neunkirchen, dem Saarpfalz-Kreis und der Stadt Zweibrücken gemeinsam getragene Projekt. Führungen wie die Mondscheintour für Genießer sind Teil des Konzepts. Eine Idee ist auch: die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart aufzuspüren.

Die Tour führt jetzt über den Saarbrücker Schlossplatz zum Schlossgarten. Auch hier tun sich neue Einblicke auf. Wer nach rechts geht, kommt in den hinteren Teil des Schlossgartens, wo Buchsbaumhecken in exakte geometrische Formen geschnitten wurden. Die Kulisse dafür: grau-weiße Barockfassaden in der Talstraße. Eine Oase in der Stadt, die zum Verweilen einlädt. Aber schon geht es weiter: über die Alte Brücke nach St. Johann. Klaus Friedrich führt seine Gäste durch die ehemalige Stadtmauer in Richtung Mainzer Straße. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden hier die ersten Häuser im barocken Stil gebaut. Zu einem Zeitpunkt, als andernorts längst klassizistisch geplant wurde.

Auch hier verweist Klaus Friedrich auf die besondere Geschichte der Region: Die Armut war groß. Durch die systematischen Plünderungen französischer Revolutionstruppen war eben die Stadt weit zurückgeworfen. Zwischen 1792 und 1812 wurden hier lediglich drei neue Häuser gebaut. Das letzte davon ist das Hotel Domicil Leidinger in der Mainzer Straße. Der Bau wurde 1812 fertig gestellt und hierher führt Klaus Friedrich seine Zeitreisenden. Bei „Mandelsupp“ und „gefülter Kalbs-Brust in einer Ragout oder Tunke“, wie die Gerichte im Zweibrücker Barock-Kochbuch heißen, können sie sich den Saarbrücker Barock quasi auf der Zunge zergehen lassen.

Kulinarischer Ausklang

Möglich wird das durch Zweierlei: Der Saarbrücker Hotelier Gerd Leidinger unterstützt die abendlichen Entdeckungstouren durch die Landeshauptstadt und lässt für diesen Abend ein besonderes Essen kochen. Und: Ein regionales Kochbuch aus dem Jahr 1769 liefert die Vorlage für ein leckeres Barockmahl. Es wurde in Zweibrücken gefunden und entschlüsselt. Spätestens nach einem Glas Weißwein vom Weingut Ollinger-Gelz ist jeder überzeugt, dass er den Barock persönlich miterlebt hat. Und weil das alles noch nicht reicht, wird Kaffee gekocht. Der kam ebenfalls im Barock nach Deutschland und wurde zunächst nicht gefiltert. Das Pulver wurde im Wasser aufgekocht, der Kaffee mit Gewürzen getrunken und ursprünglich mit Honig gesüßt. Experte für Kaffeefragen ist Peter Schuck aus Homburg, der dort ein eigenes Café betreibt.

Der Abend endet weit nach 22.00 Uhr im Stiefel Bräu am St. Johanner Markt. Dort wurde schon Anfang des 18. Jahrhunderts Bier gebraut. Mit einer Kostprobe holt Klaus Friedrich seine Zeitreisenden wieder zurück in die Gegenwart. Jetzt geht es noch einmal übers Kopfsteinpflaster und nach Hause. Den Blick auf das barocke Saarbrücken wird aber keiner so leicht vergessen.

Karin Mayer


Kontakt


Hotel Domicil Leidinger
Mainzer Straße 10-12
66111 Saarbrücken
Tel.: (0681) 93 270
Fax: (0681) 38 013
E-Mail: info@domicil-leidinger.de
www.domicil-leidinger.de

www.ticket-regional.de

Anmeldung

Voranmeldung notwendig, Kartenverkauf an allen Vorverkaufsstellen, die bei Ticket regional angeschlossen sind.

Eintritt

34,90 Euro Stadtführung und Barock-Essen, Getränk in der Stiefel Brauerei. Karten müssen im Voraus bezahlt werden. Führungen speziell für Kinder werden nach vorheriger Absprache vereinbart.

Tipp

Termine zu anderen Barock-Stadtführungen im Saarland: www.barockstrasse-saarpfalz.de

Anfahrt

Treffpunkt Ludwigsplatz Saarbrücken.

Autobahn Abfahrt Wilhelm-Heinrich-Brücke, abbiegen in die Stengelstraße und Parkplatz suchen.



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