Stiller Widerstand
Das Minheimer Kreuz - spannende Ausblicke auf die Mosel und ihre Geschichte
Ganz in der Nähe von Bernkastel-Kues liegt das kleine Dorf Minheim - das unter anderem einen ganz besonderen Kreuzweg zu bieten hat. Dieser führt zum Minheimer Kreuz - einer der schönsten Aussichtspunkte an der Mosel. Von hier hat man einen großartigen Blick auf die Halbinsel Minheim, auf kleine Orte, Weinberge und teils unberührte Natur. Das Kreuz selbst war übrigens ein Zeichen des stillen Widerstands gegen die Nazis.
Früher haben wir zwei Groschen gebraucht, sind dann zur alten Fähre an die Mosel, haben uns übersetzen lassen und konnten innerhalb einer halben Stunde oben am Kreuz stehen. Heute ist das nicht mehr ganz so einfach. Man muss sich ins Auto setzen und über die Brücke fahren, die fast schon bei Piesport liegt.
Von hier gehts dann wieder moselabwärts, bis man auf der gegenüberliegenden Moselseite von Minheim ist. Wer hier aussteigt, hört, wenn der Autoverkehr an der Bundesstraße es zulässt, den kleinen Fußbach, der den Hang runter plätschert. Von hier aus geht´s serpentinenförmig einen schmalen Pfad hoch, immer vorbei an den einzelnen Kreuzwegstationen. 14 an der Zahl, die in den vergangenen Monaten alle restauriert wurden.
Kreuzweg wurde restauriert
In meiner Kindheit ist hier tatsächlich die gesamte Kirchengemeinde hochgetrottet. Vorneweg der Pastor mit den Messdienern, der an die Kreuzigung erinnerte und den Rosenkranz betete. Dahinter die Minheimer und einige Piesporter, die auch heute noch gerne hierher kommen. Allen voran Alfred Hilmes, der auch dafür gesorgt hat, dass dieser Kreuzweg restauriert wurde. Er hat das notwendige Kleingeld investiert und auch selbst mit angepackt. Ja, er hat sogar einen Waldweg ausbauen lassen, damit auch die älteren Menschen wieder zum Minheimer Kreuz kommen.
Sie können über Piesport Richtung Horath mit dem Auto über den Berg fast bis ans Kreuz ranfahren, kommen nicht von unten, sondern von oben direkt zum Kreuz. Dieser neue, breite Weg zwischen lichten Bäumen im Mischwald ist auch sehr schön zu wandern. Leider in Richtung Piesport nur mit gutem Schuhwerk, denn hier haben sich tiefe Furchen in den Boden gegraben. Nur das neu ausgebaute Stück ist mit normalen Schuhen zu gehen. Und die Serpentinen, die von unten nach oben zum Kreuz führen.
Schöner Rundumblick
Oben angekommen weiß man, warum man diese Mühe auf sich genommen hat. Man wird mit einer wunderschönen Aussicht belohnt, sagt Alfred Hilmes, für ihn einer der schönsten Aussichtspunkte an der Mosel. Von hier oben, direkt vor dem Kreuz und oberhalb einer kleinen Kapelle sieht man nicht nur die Halbinsel Minheim, die regelrecht von der Mosel umschlungen wird. Man sieht nach links schauend Piesport mit den Ortsteilen Reinsport, Niederemmel und Müstert.
Wendet sich der Blick nach rechts, fällt einem gleich die Staustufe und das Wintrich ins Auge. Auf den zweiten Blick erkennt man auch Kesten und Monzel. Alles kleine Moseldörfer, die viel Gemütlichkeit, Gastfreundschaft und den besten Wein zu bieten haben. Man schaut auf die Weinlagen Piesporter Goldtröpfchen, Minheimer Günterslay, Wintricher Großer Herrgott oder Kestener Pauslinsberg.
In die Kindheit zurückversetzt
Hilmes kommt an jedem Wochenende hierher, steht oft eine ganze Stunde da und genießt diese Aussicht. Er sagt, dass er immer wieder Neues entdeckt, vor allem aber Ruhe findet, sich vom Stress der Arbeit auf dem Schäferhof erholt, wo er Obst aus eigenem Anbau anbietet. Ihm geht es ähnlich wie mir. Wir fühlen uns an unsere Kindheit erinnert. Hilmes ist oft mit seinen Eltern hierher spaziert. Denn der Schäferhof liegt hinter dem Minheimer Kreuz. Sie haben also den entgegengesetzten Weg gewählt, sind von oben, wo ihr Hof liegt, nach unten Richtung Minheim gegangen, wo die Verwandten der Mutter lebten.
Hilmes hat nicht nur Geld und Arbeit, sondern auch viel Herzblut hier reingesteckt. Zum Einen wegen seiner positiven Kindheitserinnerungen, zum Andern aber auch, weil ihn die Entstehungsgeschichte des Kreuzweges und vor allem des Kreuzes fasziniert.
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Widerstand gegen die Nazis
Dieses Kreuz, das man von Minheim aus jeder Straße sehen kann, ist ein Zeichen des stillen Widerstands gegen die Nazis gewesen. Die ließen in den 1930er Jahren die Kreuze in den Klassenzimmern der alten Minheimer Schule entfernen, was einigen Minheimern nicht gefiel. Sie überlegten, wie sie sich dagegen wehren könnten, ohne Gefahren einzugehen.
Es entstand die Idee, dieses Kreuz viel größer und nicht nur für die Schulkinder erkennbar auf der anderen Seite der Mosel zu errichten. Es sollte für das ganze Dorf zu sehen sein, viel deutlicher und wirkungsvoller als in der Schule, wo jetzt Hakenkreuze an der Wand hingen. Hier oben auf dem Berg auf der anderen Moselseite, wo ein Teil des Bergs vor vielen Jahren abgerutscht war und sieben Arbeiter unter sich begraben hatte. Das war ein Ort, der für die Minheimer zu dieser Zeit wohl noch große Bedeutung hatte und gleichzeitig ein Berg auf der Nordseite, den man für den Weinbau nicht nutzen konnte.
Kleine Schilder aus Marmor
Früher wurde hier Schiefer abgebaut, ein Baustoff, mit dem an der Mosel viele Häuser verkleidet werden. Nach dem Unfall hat man hier eine Lourdes-Grotte angelegt, in der viele Minheimer kleine aus Marmor oder anderem Stein gefertigte Schilder aufstellten. Darauf bedankten sie sich, wenn sie sich nach einer Krankheit erholt hatten, bei einem Unfall glimpflich davon gekommen waren oder ihr Leben irgendwie eine positive Wendung genommen hatte. Auf den kleinen Schildern ist meist die Aufschrift „Maria hat geholfen“ zu lesen.
Ein geschichtsträchtiger Ort ist dieser Berg also für die Minheimer, und hier sollte auch das riesig emporragende weiße Kreuz als Zeichen des Protestes oder des zivilen Ungehorsams aufgebaut werden. Direkt unterhalb des Felsens, auf dem das Kreuz steht, haben diese Leute auch noch eine Kapelle gebaut. Und vielleicht hat man in einer Vorahnung an das, was in den Jahren danach kommen sollte, die Opfer des Ersten Weltkriegs aus Minheim in dieser Kapelle namentlich aufgeführt. Vielleicht sah man den nächsten Krieg schon auf sich zukommen.
Ruhebänke wurden aufgestellt
Den Akteuren muss diese ganze Aktion auf jeden Fall ein Herzensanliegen gewesen sein. Denn viele Stationen des Kreuzweges und die Kapelle sind mit Hunderten von kleinen Steinen errichtet und verziert worden. Eine Arbeit, die viel Geduld erforderte, besonders wenn man daran denkt, dass das ganze Material zu Fuß angeschleppt werden musste. Wege wurden angelegt, Ruhebänke aufgestellt und Geländer angebracht.
Alfred Hilmes erzählt sehr respektvoll von diesen Menschen und ihrer Arbeit. Er will sich noch mehr mit dieser Geschichte beschäftigen, Hinweisschilder aufstellen und an den stillen Widerstand erinnern. Denn diese Geschichte war mitsamt dem Kreuz fast in Vergessenheit geraten. Nur wenige Minheimer spazierten noch hierher, seit die Fähre ihren Dienst eingestellt hatte. Und uns Kindern hat früher keiner erzählt, warum dieser Kreuzweg auf der anderen Moselseite liegt, und welche Bedeutung es hat, dass man das Kreuz von überall im Dorf sehen kann.
Erste Andacht nach vielen Jahrzehnten
Jetzt, nachdem Alfred Hilmes Kreuzweg und Minheimer Kreuz sozusagen wiederbelebt hat, trifft man wieder öfter Menschen hier oben. In diesem Jahr fand nach mehr als 50 Jahren wieder eine Andacht vor dem Kreuz statt. Die älteren Leute aus Minheim wurden mit einem Bus hergebracht, es waren Sitzbänke aufgestellt worden, der Musikverein hat gespielt. Dieser Verein hat sich eine alte Tradition bewahrt. Jedes Jahr am 1. Mai machen sich die Musiker aus Minheim auf den Weg zum Kreuz und spielen morgens um 7.00 Uhr schon Kirchenlieder von dort, die jeder im Dorf hören kann.
Und wenn sich der Wunsch von Alfred Hilmes erfüllt, dann wird auch die Gemeinde Piesport bald ihre Wanderwege, die hier vorbei führen, wieder in Ordnung bringen, damit man von Minheim, Richtung Piesport, über das Kreuz wieder zurück zur Mosel wandern kann. Die Minheimer Jungwinzer bringen auch schon mal ihre Gäste mit dem Traktor zum Fuße des Kreuzes, gehen mit ihnen den Weg hinauf und bieten oben Weinproben an.
Renate Wanninger
Auf einen Blick
Kontakt
Gemeinde Minheim
Ortsbürgermeister
Hans-Werner Mertes
54 518 Minheim
Tel.: (0 65 07) 24 88
E-Mail: info@minheim.de
www.minheim.de
Alfred Hilmes
Schäferhof 2a
54 498 Piesport
Tel.: (0 65 07) 51 18
Öffnungzeiten:
Öffnungszeiten
Ganzjährig
Eintritt
Der Eintritt ist frei.
Anfahrt
A 1 aus Richtung Trier kommend, Abfahrt Salmtal, über Klausen Richtung Minheim/Piesport, über die B 53 zum Fuße des Kreuzes.
Oder von der B 53 in Piesport über die L 156, dann L 157 Richtung Horath von oben an das Minheimer Kreuz ranfahren.