Ritualbad in Bischheim (Foto: Patrick Wiermer)

Das jüdische Erbe im Elsass bewahren

Im Museum des jüdischen Ritualbades (Mikwe) von Bischheim

Patrick Wiermer  

Zur jüdischen Tradition gehören auch heute noch rituelle Bäder, die sogenannten Mikwes. Diese sind inzwischen wie moderne Badezimmer eingerichtet. Etwas ganz anderes findet man im Museum des Bischheimer Mikwes. Im Cour des Boecklin wirkt alles ausgesprochen spartanisch. Roh in den Fels eingelassen geht es um die Konzentration auf das Ritual an sich.

Jüdische Traditionen und das jüdische Leben prägen schon seit Jahrhunderten das Leben im Elsass. Trotz mehrerer Pogrome im Verlauf der Geschichte ist Straßburg immer noch ein wichtiges jüdisches Zentrum mit zehn Synagogen, mehreren koscheren Supermärkten, Bäckereien und Restaurants. Und in Straßburg gibt es auch immer noch eine Mikwe, ein rituelles Bad. Öffentlich zugänglich ist es allerdings nicht.

Anders die Mikwe in Bischheim, einem Vorort von Straßburg. Sie erzählt vom einst blühenden jüdischen Leben in den elsässischen Gemeinden. In Bischheim gehörten zu Höchstzeiten rund um das Jahr 1850 etwa 750 Personen der jüdischen Gemeinde an, das war ein Drittel der Bevölkerung. Heute gibt es dort zwar noch eine Synagoge, aber nur noch acht jüdische Familien. Das Museum mit der Mikwe im Cour des Boecklin zielt daher auch vor allem darauf ab, das schwindende Erbe zu bewahren.

Jüdischer Alltag früher und heute

Durch die Sammlung führt Fabienne Schnitzler. Sie repräsentiert wohl wie kaum eine andere die bewegte Kulturgeschichte des Elsass. Schnitzler entstammt einer deutsch-französischen Familie – „Aber ich bin Elsässerin“. Liiert ist sie mit einem Juden aus Marokko – und das als Christin. Gelebte Völkerverständigung.

Hass, Pogrome und Verfolgung der Juden ziehen sich wie ein roter Faden durch die letzten Jahrhunderte. Davon berichtet das Museum in Bischheim, aber eben auch vom jüdischen Alltag heute. In einer Vitrine sind mehrere Silberwaren zu sehen, prächtige Kannen und Becher für den Kiddusch, die Segnung des Schabbats. Daneben ein Jad, ein Torazeiger, mit dem die Heilige Schrift gelesen wird. Das Judentum ist voller Rituale, die nicht immer leicht zu verstehen sind.

Mediathek

[Audio: SR 3, Patrick Wiermer, 26.08.2016, Länge: 3:43 Min.]
Tour de Kultur: Das Mikwe Museum von Bischheim
[Audio: SR 3, Patrick Wiermer, 26.08.2016, Länge: 3:43 Min.]

Spirituelle Reinigung

Dazu zählt auch die Mikwe, das rituelle Bad. Der Badende soll durch das Untertauchen (Twila) gereinigt werden. Das ist allerdings mehr in spiritueller als in hygienischer Sicht zu verstehen. Ähnliches gilt auch für die christliche Taufe, die wohl aus der jüdischen Tradition hervorgegangen ist. Doch im Gegensatz zur Taufe, suchen gläubige Juden die Mikwe regelmäßig auf. „Etwa verheiratete Frauen nach der Menstruation“, erklärt Schnitzler, aber auch Männer, etwa vor Feiertagen und dem Schabbat.

Neben der Vitrine geht es hinab zur Mikwe. Eine enge Wendeltreppe führt etwa zehn Meter in die Tiefe. Die Temperatur sinkt, es riecht feucht. Die Treppe selbst ist ein barockes Kleinod, die Stufen sind fein ineinander gearbeitet, führen wie die Windungen eines Schneckenhauses von oben nach unten. „Die Treppe ist etwa zur gleichen Zeit entstanden wie die Mikwe. Ob sie aber für das rituelle Bad gebaut wurde, ist unklar“, sagt Schnitzler.

Wassertiefe 30 Zentimeter

Auf halber Strecke in den Abgrund öffnet sich linker Hand ein Raum, der in den Fels gehauen wurde. Hier zogen sich die Badenden aus. „Vermutlich hat man einfach diesen bereits vorhandenen Raum als Umkleide genutzt. Es ist wohl zu mühsam gewesen, einen derartigen Raum neben der Mikwe neu anzulegen“, so Schnitzler. Unbekleidet und frei von Schmuck, Nagellack und Lippenstift, damit das Wasser den ganzen Körper berühren kann, gingen dann die Badenden die letzten Stufen hinab zum Becken.

Ritualbad in Bischheim (Foto: Patrick Wiermer)

Und das ist überraschend klein: Das Becken ist etwa 2 mal 1,50 Meter groß. Das Wasser ist etwa 30 Zentimeter tief. „Bei Regen steigt der Pegel auch mal an. Aber da der Grundwasserspiegel in den vergangenen Jahrhunderten nach und nach abgesunken ist, ist der Wasserstand gerade so aus­reichend für das Untertauchen“, so Schnitzler. Früher bedeckte das Wasser fast alle Treppenstufen, die direkt in das Becken führen. Es ist kalt, konnte aber bei Bedarf etwas erwärmt werden, indem man aufgeheiztes Wasser im Umkleideraum durch zwei Schächte im Boden in das Becken schüttete.

Garten des Cour des Boecklin

Das alles wirkt ausgesprochen spartanisch. Kein Vergleich zu den modernen Mikwes, die wie moderne Badezimmer eingerichtet sind. Das Bischheimer Mikwe ist roh in den Fels eingelassen, wirkt dadurch etwas urtümlich. Es ist die Konzentration auf das Ritual an sich, Wasser und Körper, inszeniert nur durch das fahle Licht zweier Kerzenleuchter, die früher in die zwei Kassetten über dem Beckenrand eingestellt wurden. Diese Aura ist auch heute noch spürbar.

Ritualbad in Bischheim (Foto: Patrick Wiermer)

Es geht wieder hinauf ans Tageslicht. Verlässt man das Museum, führt der Weg nach links in den Garten des Cour des Boecklin. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf das reizvolle grüne Fachwerkgebäude aus dem 17. Jahrhundert. Die Idylle hilft, sich zu erinnern, dass der Cour des Boecklin auch ein Symbol dafür ist, wie die Juden durch engagierte Bürger – nämlich im 15. Jahrhundert von der Familie Boecklin von Boecklingsau – vor Verfolgung geschützt wurden.

„Gerade in den heutigen Zeiten ist es wichtig, dass man das kulturelle und religiöse Erbe des Elsass bewahrt“, sagt Fabienne Schnitzler während des Rundgangs. Sie muss nicht einmal aussprechen, was sie mit den „heutigen Zeiten“ meint. 

Patrick Wiermer


Auf einen Blick


Kontakt
Musée du bain rituel juif
Cour des Boecklin
17, rue Nationale
F-67 800 Bischheim
Tel.: (00 333) 88 81 49 47

Öffnungszeiten
September bis Juni: Di., Mi. und So. 14.00 - 18.00 Uhr, Sa. 10.00 - 12.00 Uhr und 14.00 - 18.00 Uhr.
Juli und August.: Di. 16.00 - 19.00 Uhr, Mi. 10.00 - 12.00 Uhr und 14.00 - 18.00 Uhr, Fr. 10.00 - 13.00 Uhr, Sa. 10.00 - 16.00 Uhr.
Und nach telefonischer Vereinbarung.

Eintritt
Der Eintritt ist frei.

Anfahrt

Mit dem Auto
Von Saarbrücken aus Richtung Saargemünd. Hinter Saargemünd auf die A 4 Richtung Straßburg. Die Ausfahrt 50 Bischheim nehmen und von dort weiter Richtung Zentrum. Der Cour des Boecklin befindet sich im Zentrum der Gemeinde. Parkmöglichkeiten gibt es rund um die Christuskirche.

Mit dem Zug
Von Saarbrücken über Saargemünd nach Straßburg. Am Bahnhof von Straßburg in die Tram A steigen (Richtung Graffenstaden) und bis zur Alten Synagoge (Ancienne Synagogue) mitfahren. Dann zu Fuß den Fluss überqueren bis zur Haltestelle Les Halles – Pont de Paris. Dort den Bus nehmen (Linie 4 bis Reichstett Mairie) und dann in Bischheim an der Haltestelle Cheval Blanc aussteigen. Der Cour des Boecklin ist von dort aus in wenigen Minuten fußläufig zu erreichen.



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