Die Großkatzenauffangstation in Maßweiler (Foto: Susanne Fischer)

Wo Tiger ein neues Zuhause finden

Die Großkatzenauffangstation in Maßweiler

Simone Mir Haschemi  

Verletzte und kranke Wildtiere, wie Füchse oder Rehe aber auch Großkatzen, wie zum Beispiel ehemalige Zirkus-Tiger finden in Maßweiler ein neues Zuhause. Die Tier- und Artenschutzstation befindet sich auf einem ehemaligen US-Militärgelände.

Ein leises Raunen geht durch die Besuchermenge. Die kleineren Kinder winden sich – unschlüssig, ob sie ganz vorn stehen wollen, um die Tigerdame Varvara besonders gut zu sehen, oder ob sie sich doch lieber hinter ihren Eltern verstecken sollen. Denn dass der große Tiger mit den großen Zähnen so nah sein würde, damit haben sie wohl nicht gerechnet. Im Grunde trennt sie nur der Zaun eines Geheges von der Tigerin. Und die sieht zwar bildschön und friedlich aus, aber dass der Eindruck täuscht, das ist wohl auch den kleinsten Besuchern klar.

Ehemaliges Militärgelände

Die Wildtierauffangstation in Maßweiler ist kein Zoo. Das wird schon deutlich, bevor man das Gelände betritt. Denn das hier ist ein ehemaliges US-Militärgelände, gut versteckt mitten im Wald. Teilweise stehen hier die riesigen Kasernengebäude noch leer, mit zerborstenen Fensterscheiben und abgebröckelten Fassaden. Richtig düster ist die Stimmung teilweise – und nicht zu vergleichen mit der von parkähnlich angelegten Zoos.

Die Großkatzenauffangstation in Maßweiler (Foto: Bogdan Baraghin)

Teilweise stapfen die Besucher über Treppen der alten Militäranlage auf Hügel hinauf, wo plötzlich zwischen alten Kasernengebäuden Schafe und Ziegen auf Lichtungen grasen. An anderen Stellen erinnert die Station mit ihren waldigen Wegen und den Gehegen ein wenig an einen Wildpark.

Die Tiere kommen an erster Stelle

Die Tiere werden hier in Maßweiler aber nicht in erster Linie gehalten, um sie den Menschen zur Schau zu stellen. Das ist nur ein Nebeneffekt. Die Tiere sind hier, damit es ihnen gut geht – oder jedenfalls besser als vorher und als anderswo. Es ist eine Tier- und Artenschutzstation. „Bei uns kommt der Besucher an zweiter Stelle und die Tiere an erster“, betont die Biologin Eva Lindenschmidt. Seit drei Jahren kümmert sie sich hier in Maßweiler um die großen und kleinen Tiere.

Nach Maßweiler kommen vor allem Tiere, die wieder ausgewildert werden sollen, verletzte und kranke Wildtiere. In manchen Fällen ist das allerdings nicht möglich – weil die Tiere zum Beispiel zu zahm geworden sind oder weil sie Behinderungen haben, die ihnen ein Leben in freier Wildbahn unmöglich macht: „Dieses Reh hier zum Beispiel ist in einer Familie mit Hunden aufgewachsen. Bei einer Treibjagd mit Hunden könnte das jetzt nicht erkennen, dass die Hunde ihm da keine Freunde sind …“

Mediathek

[SR 3, Simone Mir Haschemi, 08.08.2016, Länge: 2:58 Min.]
Audio: Wo Tiger ein neues Zuhause finden
[SR 3, Simone Mir Haschemi, 08.08.2016, Länge: 2:58 Min.]

Das Herzstück der Wildtierauffangstation ist räumlich und für die meisten Besucher sicher auch emotional die Großkatzenanlage. Seit letztem Jahr können hier Tiger unterkommen. Die jungen Tiger-Geschwister Bela und Sharuk wurden vor zwei Jahren in Baden-Württemberg in privater Haltung geboren. Das gibt es tatsächlich in Deutschland, das ist unter strengen Auflagen teilweise erlaubt. Dort konnten sie dann allerdings nicht bleiben, weil ihr Gehege schnell zu klein für sie wurde. So kamen sie zu Tierart e. V. nach Maßweiler.

Tigerin aus einem bulgarischen Zirkus

Die Tigerin Varvara schaut seelenruhig zu den doch ziemlich nahestehenden Besuchern vor dem Gehege rüber – sie scheint die Besucher deutlich weniger interessant zu finden als umgekehrt. Varvara hat vorher in einem Zirkus in Bulgarien gelebt. Dort wurde ein Wildtierverbot erlassen, so wurde Varvara „arbeitslos“. Ihr Besitzer hat sie daraufhin zu Hause in einem winzigen Wagen im Garten stehen lassen. Der Tiger stand kurz vor der Einschläferung, da hat sich die Tierschutzorganisation Vier Pfoten eingeschaltet und Varvara nach Maßweiler bringen lassen.

Die Tiger können nicht mehr in ihrer ursprünglichen Heimat ausgewildert werden. „Wenn sie an Menschen gewöhnt sind“, erklärt Eva Lindenschmidt, „verlieren sie so weit die Scheu, dass sie menschliche Nähe suchen würde, und sie können auch das Jagen nicht mehr lernen.“

Finanziert durch den Verein "Vier Pfoten"

Wenn sie schon in Gefangenschaft leben müssen, sollen es die Tiger so gut wie möglich haben. Das ist das Ziel der Tierschutzorganisation Vier Pfoten, die für den Verein Tierart e. V. die Großkatzenanlage finanziert hat. Die Mitarbeiter in Maßweiler sind stolz darauf, dass die Gehege hier größer sind, als es für die Tigerhaltung sonst der Fall ist.

Kratzbäume, Badebecken, Felsen und Gras sollen den Tigern eine angenehme Umgebung schaffen. Außerdem bekommen sie immer wieder neue tigergerechte Beschäftigungsmaterialen – in der Weihnachtszeit hat sich zum Beispiel gezeigt, dass die Tigerin Varvara eine Leidenschaft für das Zerfetzen von Tannenbäumen hat …

Weil die Tierschutzstation in Maßweiler kein Zoo ist, kann man sie zurzeit auch nur im Rahmen einer Führung besuchen und darf nicht allein über das Gelände streunen. Die Führungen sind an schönen Tagen gut besucht – vor allem die Tiger auf einem abgelegenen, versteckten Gelände mitten im Wald hier in der Pfalz ziehen Familien mit Kindern an.

Aber die Führungen dienen auch dazu, das Interesse für die auf den ersten Blick weniger spektakulären Tierarten zu wecken, die in Maßweiler ein zumindest vorübergehendes Zuhause gefunden haben.

Auswilderung oft nicht möglich

Die Großkatzenauffangstation in Maßweiler (Foto: Bogdan Baraghin)

Die frechen Waschbären zum Beispiel. Kaum wittern sie die ankommenden Besucher, hängen sie auch schon am Gehege und fischen mit ihren winzigen Tatzen durchs Gitter, in der Hoffnung auf Futter. Auch sie werden nicht ausgewildert, obwohl sie in Deutschland inzwischen zu den heimischen Arten zählen. Sie stehen immer noch im Ruf, andere Arten zu verdrängen. Die Waschbären in der Tierschutzstation kommen zum großen Teil aus Hessen, wo es schon eine große Population gibt.

Und dann sind da noch die Füchse, Rehe, Wildkatzen, Feldhasen, Schafe, Ziegen, Eichhörnchen – verletzte Tiere werden in Maßweiler hochgepäppelt, bis sie wieder auf eigenen Pfoten durch den Wald hoppeln oder springen oder schleichen können.

Die Großkatzenauffangstation in Maßweiler (Foto: Bogdan Baraghin)

Die Biologin Eva Lindenschmidt freut sich: „Die Resonanz der Besucher ist durchweg positiv. Viele, selbst Leute aus der Nähe, sind ganz überrascht, was sich hier versteckt. Manche haben auch früher hier auf dem US-Militärgelände gearbeitet und sind ganz verwundert, was hier inzwischen entstanden ist.“

Und die Wildtierauffangstation soll noch größer werden: Im Moment entsteht eine Luchsanlage, geplant ist eine Wolfsanlage, außerdem sollen auch kleinere Großkatzen wie Pumas, Leoparden oder Jaguare in Maßweiler unterkommen können. Genug Platz ist auf dem riesigen Konversionsgeländer allemal.

Simone Mir Haschemi


Auf einen Blick


Kontakt
Tierart e. V.
Konversionsfläche (früheres US-Depot)
66 506 Maßweiler
Tel.: (0176) 84 30 55 45
E-Mail: wildtierauffangstation@tierart.de
www.tierart.de

Öffnungszeiten
Führungen (1,5 Stunden) Sa., So. und an Feiertagen um 11.00 Uhr ohne Anmeldung jedes Jahr ab Karfreitag bis 30. November.
Gruppenführungen nach Vereinbarung möglich.

Eintritt
Erwachsene: 4,50 Euro
Kinder: 1,50 Euro

Anfahrt
A 8 Richtung Pirmasens, Ausfahrt Walshausen, L 477 Richtung Thaleischweiler-Fröschen, 500 Meter vor dem Ort links auf die L 475 Richtung Wallhaben, nach circa 1 Kilometer links in eine Teerstraße einbiegen („Tierart“ ist dort ausgeschildert).

Tipps/Wichtige Anmerkung
Wegen freilaufender Tiere auf dem Gelände ist das Mitbringen von Hunden nicht erlaubt.



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