Bieren aus Lëtzebuerg
Die Bärenmacherin von Übersyren
Vom Puppenbasteln kam Renée Hutmacher vor über 20 Jahren zum Bärenbasteln. Inzwischen ist weit mehr als ein Hobby daraus geworden. Sie hat Kunden aus der ganzen Welt und ist mit ihren Unikaten bei Europa- und Weltmeisterschaften sehr erfolgreich: Die Bärenmacherin aus Lëtzebuerg.
Emil und seine Freundin Erna sehen schick aus, Emil mit seiner roten Filzkappe, deren Schirm er cool zur Seite trägt, und in der weißen Latzhose mit roten Streifen, und Erna mit rotem Hut und blauem Jeanskleid. Neben ihnen stehen Auszeichnungen.
Emil hat bei einer Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr mit seinem Aussehen den ersten Preis gewonnen. Erna hat in diesem Jahr den zweiten Platz gemacht. Die beiden sind echte Originale: Bieren aus Lëtzebuerg, also Teddybären aus Luxemburg. Sie schauen treuherzig und neugierig aus einer Glasvitrine in einem Zimmer eines Einfamilienhauses im südluxemburgischen Übersyren. Sie scheinen rüber zu blicken zu einem Tisch, an dem ihre Erschafferin gerade sitzt.
Renée Hutmacher schaut durch ihre Brillengläser konzentriert auf ihre Nähmaschine und fädelt braunes Nähgarn ein. Das Gerät beginnt zu rattern, als sie zwei Stoffteile zusammenfügt, die später den Arm eines Bären ergeben werden. „Ich hab seit der Kindheit gerne gebastelt, gemalt und genäht“, erzählt die Bärenmacherin.
Es begann mit einem Bärenbastelkurs
Nachdem sie einen Kurs besucht hatte, bei dem sie lernte, wie man Porzellanpuppen macht, war zunächst ihre Leidenschaft fürs Puppenbasteln geweckt worden. Bis dann vor fast zwanzig Jahren eine Freundin ihr ein Bärenbastelset schenkte und sagte: „Probier das doch mal.“ Doch das Geschenk lag monatelang unangetastet herum, bis sich Renée Hutmacher endlich ans Werk machte.
Das Ergebnis? „Naja, der war eigentlich überhaupt nicht schön“, erinnert sie sich, „er hatte einen kurzen Körper und einen dicken Kopf. Und ich hab gedacht: nein, das geht doch bestimmt noch besser …“ Damit war der Anfang gemacht und der Ehrgeiz geweckt. Hutmacher besorgte sich einschlägige Literatur, begann zu experimentieren, entwarf Schnittmuster um Schnittmuster, bis sie zufrieden war.
In sehr viel Kleinarbeit entstehen ihre „Babies“: Schablonenmalen, die Felle zurechtschneiden, zusammennähen, ausstopfen, die Schnauze rasieren und Mund und Näschen aufnähen, die Augen einfügen, Gelenke, Füße und Arme einsetzen. Manchmal strickt sie auch noch Kleider für ihre Bären. Die Materialien bestellt sie in Deutschland. Ihre Lieblingsfellstoffe sind Alpaka und Mohair.
Das Ergebnis der Mühe, ihre Bieren, sind eigentlich kein Spielzeug, sagt sie, sondern Sammlerstücke für Erwachsene. Bei Preisen zwischen 100 und 400 Euro, je nach Größe, sind die handgemachten Originale aus Übersyren dann auch eher was zum Angucken als zum Knuddeln. Wer ihr mal beim Bärenmachen über die Schulter gucken oder einen Bären in Auftrag geben möchte, sollte in jedem Fall vorher mit Renée Hutmacher telefonieren oder ihr mailen (Kontaktdaten siehe Serviceteil).
Kunden aus der ganzen Welt
Die Luxemburgerin produziert zwar die Tierchen mit Leidenschaft, aber sie sammelt selbst keine Teddybären. „Das Fertigen macht mir Spaß und danach kann ich sehr gut loslassen. Ich mache einen Bär und freue mich, wenn er anderen gefällt. Wird er dann schnell verkauft, denke ich natürlich manchmal: Schade, dass der schon weg ist. Aber dann kann ich ja einen neuen machen.“
Die Kunden kommen aus Deutschland und Luxemburg, aber auch aus dem Rest der Welt. Einige der Bieren aus Lëtzebuerg haben mittlerweile ein neues Zuhause in den USA. Mehr als 2.000 Follower verfolgen regelmäßig auf Hutmachers Facebookseite, was es Neues gibt.
Teilnahme bei der WM in Taiwan
An der grün gestrichenen Wand der „Bärenwerkstatt“ hängen gerahmte Urkunden, die ihre Erfolge auch in Fachkreisen zeigen. Seit 2007 nimmt sie an Meisterschaften teil. Da senden Teddymacher aus aller Herren Länder Bilder von ihren Bären ein, und eine Jury bewertet dann Aussehen und Machart der Stofftiere. „Als ich den ersten Preis bei der Europameisterschaft gemacht habe, konnte ich es nicht fassen. Zwei Jahre später habe ich den dritten Platz bei der Weltmeisterschaft in Taiwan bekommen“, erzählt sie. Mittlerweile sind einige erste und zweite Plätze bei der Weltmeisterschaft Ted World Award hinzugekommen.
Besonders stolz ist sie auf Anna, ein ganz besonderes Exemplar. Der Bär trägt eine Kapuze, die ein zweites Gesicht am Hinterkopf verbirgt. So kann durch Drehen des Kopfes mal ein fröhliches, mal ein trauriges Gesicht nach vorne schauen, je nach Tagesform und Stimmung des Besitzers.
Mittlerweile hat die Bärenmacherin rund eintausend Bären fertiggestellt. Und jeder bekommt einen individuellen Namen. Damit ihr da die Ideen nicht ausgehen, sammelt sie ständig neue Namen. Wo immer sie was Originelles hört, trägt sie sich‘s ins Handy ein.
Mediathek
Wie der Teddy zu seinem Namen kam
Der Überbegriff der Bären – Teddybär – geht auf Theodore Roosevelt, den 26. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zurück. Die Theodore Roosevelt Association, ein Kulturverein, der sich seit 1919 dem Andenken des im gleichen Jahr verstorbenen Staatschefs annimmt, hält die Legende von der Namensgebung am Leben.
Auf der Homepage der Vereinigung gibt es die Real Teddy Bear Story. Diese „wahre Geschichte“ findet ihren Anfang im Jahre 1902, als der Präsident zu einer Bärenjagd in Mississippi eingeladen war. Nach drei Tagen sollen alle Teilnehmer der Jagdgesellschaft Bären gesichtet haben, außer Roosevelt. Die Sache drohte zum Reinfall für den Präsidenten zu werden. Da kamen die Anführer der Hatz auf eine Idee, wie der erste Mann im Staate doch noch zum Schuss kommen könnte.
Am folgenden Tag banden sie einen alten Schwarzbären, den ihre Hunde aufgespürt und angefallen hatten, an eine Weide. Hier also hatte man jetzt einen Bären, den der Präsident erlegen konnte. Beim Anblick des gequälten und verletzten Tieres weigerte sich Roosevelt allerdings, es zu erschießen. Die Sache kam ihm doch etwas unsportlich vor und er befahl, das Tier von seinen Schmerzen zu befreien. Einer der Jäger tötete es daraufhin mit einem Messer.
Eine Zeitung publizierte die Geschichte und ein Cartoonist malte ein Bild. Es zeigte Roosevelt, der sich – auf seine Flinte gestützt – von dem Bären abkehrt und mit einer Hand abwinkt. Im Hintergrund ein Jäger, der einen kleinen verängstigten Bären mit Mickymaus-Ohren an einer Leine festhält. So war also Theodore, genannt Teddy Roosevelt, auf den Bären gekommen.
Steiff-Bären weltweit verkauft
Der Cartoon verbreitete sich in den ganzen USA, und ein findiger Geschäftsmann, der ein Süßwarengeschäft in Brooklyn betrieb, stellte zwei ausgestopfte Spielzeugbären in seinem Schaufenster aus, die seine Frau gemacht hatte. Er holte vom Präsidenten die Erlaubnis ein, die Knuddeltiere Teddy‘s bears nennen zu dürfen und startete wegen der großen Nachfrage die Massenproduktion von Teddys. Zur gleichen Zeit brachte die Deutsche Margarete Steiff ihre Bären auf den Markt. Diese fanden bald weltweit Absatz und sind ebenfalls als klassische Teddybären bekannt.
Reneé Hutmacher möchte eigentlich nicht in die Fußstapfen dieser Großproduzenten treten, denn ihr Hobby soll Hobby bleiben. Sie werkelt meist abends, wenn sie von ihrer Arbeit in einer Frauenarzt-Praxis nach Hause kommt. Zwischenzeitlich ist ihr das Ganze auch schon mal über den Kopf gewachsen, sagt sie. Denn kaum war ein Exemplar fertig, fing sie mit dem nächsten an. Es nahm fast suchtähnliche Ausmaße an, erzählt sie.
"Bärendiät" statt Massenproduktion
„Irgendwann hab ich gemerkt, es geht nicht mehr, ich bekam Herzklopfen, konnte nicht mehr schlafen.“ Aber ganz damit aufhören? „Das konnte ich dann doch nicht“, sagt sie mit einem Lächeln, „ich brauche das einfach, aber ich mache jetzt ‚Bärendiät‘.“ Soll heißen, die Heimproduktion ist derzeit drastisch zurückgefahren.
Zwei Bärchen hat Reneé Hutmacher aber doch schon wieder fertig gemacht, die sie beim nächsten Wettbewerb einreichen wird. Und im kommenden Jahr will sie auch wieder eine Ausstellung machen. Die Bären, die sie dann zeigt, sollen wieder alle verkauft werden. Das Pärchen Emil und Erna dagegen ist unverkäuflich.
Speziell zum preisgekrönten Emil hat sie sich noch ein paar andere Gedanken gemacht. Er ist seit kurzem Held einer eigenen Geschichte. Emil fährt nach Wien heißt die dünne Broschüre, in der der Leser Emil auf seiner ersten Reise ohne seine Eltern begleiten kann, schön illustriert mit Aquarellen, die die Schwester der Autorin beigesteuert hat.
Da trifft Emil während der Busfahrt auf einen älteren Herrn, der genauso heißt wie er: „Darf ich dann Opa Emil zu dir sagen?“. „Natürlich, ganz gerne (…). Ich fahre zu meinem Enkel nach Wien. Der studiert da, ist ein gescheiter Junge.“ Emil weiß gar nicht, was es heißt zu studieren, aber es muss schon etwas ganz Wichtiges sein, wenn der Opa Emil so stolz von seinem Enkel berichtet.
Emil und Erna sind unverkäuflich
Emil entdeckt langsam die Welt, bis er dann am Ende bei Tante Lily in Wien ankommt. Und das soll noch nicht sein letztes Abenteuer gewesen sein. Renée Hutmacher lächelt: „Ich hab schon die zweite Geschichte fertig, und in einer späteren Story soll Emil ja auch noch seine Freundin Erna kennenlernen.“
Die beiden Original-Bären Emil und Erna werden übrigens auf jeden Fall in Übersyren in der Glasvitrine wohnen bleiben – Heirat und Nachwuchs nicht ausgeschlossen!
Marcel Lütz-Binder
Auf einen Blick
Kontakt
Renée Hutmacher
39, rue de Beyren
L-5376 Uebersyren
Tel.: (00 352) 6 21 21 94 78
Mobil: (0172) 1 86 05 10
E-Mail: rrhutmacher@pt.lu oder teddybier07@gmail.com
Facebook: www.facebook.com/bierenausletzebuerg
Öffnungszeiten
Termine nach vorheriger Absprache.
Preise
Die handgemachten Bären kosten zwischen 100 und 400 Euro je nach Größe und Aufwand.
Anfahrt
A 8 Ausfahrt Perl, Richtung Perl/Thionville/Nennig/Moselweinstraße/B 419 fahren, weiter auf E 29, rechts abbiegen auf rue de Remich/CR 149, dann auf rue de Luxembourg, rechts abbiegen auf rue d’Oetrange/N 28, links abbiegen auf rue de Canach/N 28, rechts abbiegen auf rue de la Gare/CR 132, rechts abbiegen auf rue de Beyeren. Bei Hausnummer 39 sind Sie an Ihrem Ziel angekommen!