Uckange - Jardin des Traces (Foto: Karin Mayer)

Wo Unmögliches Sinn macht ...

Der Garten der Spuren – Jardin des Traces in Uckange

Karin Mayer  

Anfang der 1990er Jahre wurde das Stahlwerk in der französischen Gemeinde Uckange geschlossen. Heute erinnert ein blühender Garten der Spuren auf dem ehemaligen Industriegelände an 100 Jahre Stahlgeschichte, die viele tausenden Arbeiter und deren Herkunft.



Mal ganz ehrlich: Würden Sie auf die Idee kommen, auf dem Gelände eines ehemaligen Stahlwerks einen Garten anzulegen? Ganz sicher nicht. Denn wo Stahl gekocht wurde, stecken umweltschädliche Stoffe, Altlasten in den Böden. Die müssen abgetragen werden, und das kostet viel Geld. Trotzdem hat sich die Gemeinde Uckange in Lothringen dafür entschieden. Wa­rum? Ein Garten gibt dem Ort ein neues Gesicht. Es ist ein Neustart auf vier Hektar. Aus hochbelasteten Industrieflächen und 100 Jahren Stahlgeschichte sollte ein Neuanfang werden.

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Tour de Kultur: Wo Unmögliches Sinn macht...
Audio [SR 3, Karin Mayer, 03.07.2017, Länge: 03:17 Min.]
Tour de Kultur: Wo Unmögliches Sinn macht...

Vergissmeinnicht - Beete des Erinnerns

Das war die Idee: Vor fast zehn Jahren hat die Gemeinde Uckange beschlossen, einen Garten der Spuren anzulegen. Seit Anfang der 1990er Jahre war das Werk geschlossen. Viele ehemalige Stahlarbeiter waren weggezogen, der Ort wirkt heute noch leer und verlassen. Zum Stahlwerk gehörten aber tausende Hände und pulsierendes Leben. Der Garten der Spuren erinnert daran. Die Beschäftigten im Werk kamen aus Portugal, Italien, Spanien, Polen und dem Maghreb. Der erste Teil im Garten der Spuren ist ihnen gewidmet. Im Garten der Stahlarbeiter – Jardin des Sidérurgistes sind Beete angepflanzt, die die Herkunftsländer der Stahlarbeiter darstellen.

Uckange - Jardin des Traces (Foto: Karin Mayer)

Eher farbenfroh mit blauen Vergissmeinnicht im Beet für die Zuwanderer aus Portugal. Für die Italiener hat Gärtner Rémi Jacquot einen Olivenbaum gepflanzt. Den Garten der Spuren machen die Zuwanderer also bunter und den Spaziergang durch den Garten vielseitiger. An sie zu erinnern, erscheint dem Verantwortlichen im Garten der Spuren heute notwendiger denn je. „Heute beschweren sich die Leute über die Zuwanderer, die hier leben. Aber wir haben sie gebraucht, als Arbeitskräfte für die Stahlindustrie.“ Die Geschichte der Hütte ist auch eine der Zuwanderung, ein überaus politisches Thema in Lothringen, wo der Front National in den Wahlen viele Stimmen geholt hat. Im Garten kommt das Thema Zuwanderung weniger politisch daher.

Jardin de l’Al­chimiste - die vier Elemente

Wer sich jetzt noch fragt, was ein Garten mit einem Stahlwerk zu tun haben kann, der kann einfach weitergehen in den zweiten Teil des Jardin des Traces. Man erreicht ihn über einen Betonweg, der wie eine Rinne unter dem Hochofen gebaut ist. So wie früher das flüssige Roheisen aus dem Hochofen geflossen ist, so geht man zwischen den Beeten entlang, an Brunnen und Wasserspielen vorbei, an überdachten Bänken, auf denen Gruppen und Schulklassen Rast machen. Der Untergrund ist trocken und steinig. Zwischen Stauden geht die Spurensuche weiter. Die Gartenbauer haben darin Zahnräder aus Stahl, Maschinenteile und Brikett-große Stahlbarren versteckt. So sah das Roheisen aus, das in Uckange hergestellt und weiterverkauft wurde.

Uckange - Jardin des Traces (Foto: Karin Mayer)

Die Gärtner bilden im Jardin de l’Al­chimiste Feuer, Wasser, Erde und Luft nach. Sie waren die Voraussetzung für die Stahlindustrie, so erklärt Rémi Jac­quot, der Chef im Jardin des Traces. Die Mineralien kamen aus der Erde, mit Feuer wurden sie geschmolzen, die Luft hielt das Feuer lebendig und mit Wasser wurde das glühende Eisen wieder abgekühlt.

Jedes Element hat im Garten der Spuren einen eigenen Raum bekommen. Kreisrund stehen Betonwände, rostrote Stahlbleche oder eine weiße Plastikwand, hinter der das Wasser tropft. Der Besucher bekommt quasi Zugang ins Innere von Erde, Feuer und Wasser. Blaue Glasscherben bedecken den Boden im Wasserkreis. Vor einem Brunnen aus Edelstahl kann man sich fühlen wie in einem Gletscher, in einer anderen Welt. Der Klang ändert sich. Man versteht: Dieser Garten spricht alle Sinne an. Immer wieder gelingt es den Gartenbauern, den Besucher einzufangen und an das Leben im Stahlwerk zu erinnern. Den Erdenkreis betritt man durch einen Vorhang aus Eisenstangen. Wenn sie aneinanderstoßen, so ist das auch eine Erinnerung an die Arbeit im Stahlwerk, als noch das Metall in der Fertigung lagert wurde und die Loren quietschten.

Uckange - Jardin des Traces (Foto: Karin Mayer)

Man kann nur staunen, wie viele Details den Gartenarchitekten eingefallen sind, um die Verbindung zwischen Stahl und Garten zu knüpfen. Im Frühling blühen rote Tulpen zwischen den rostigen Stahlblechen. Wie flüssiges Roheisen bilden sie eine leuchtende Fläche. Leicht ist es nicht, die passenden Pflanzen dafür zu finden, denn die Böden sind trocken, die Hitze zwischen den Betonwegen und Steinen im Sommer groß, betont Rémi Jacquot. Immer wieder wird deshalb im Jardin des Traces neu angepflanzt und geplant.

Garten der Energie

Was übrigens im Garten der Spuren fehlt: große Bäume, die Schatten spenden. Sie könnten zum Beispiel im Garten der Energie stehen. Passen würde das schon, schließlich ist Holz ein wichtiger Energielieferant. Und genau unter diesem Motto steht der dritte Teil des Gartens. Tonnenweise wurde Kokskohle und – eine Besonderheit in Uckange – auch Heizöl in die Hochöfen geblasen. Die Eisenerze wurden in der Anfangszeit mit Handkarren über das Gelände gefahren. Bis zu 700 Kilogramm schwer war so ein Gefährt. Sehen kann man eines im Garten der Energie.

Den erreicht man durch einen Stahltunnel von fast zwei Metern Durchmesser. Der Tunnel war Teil ei­nes Transportrohres in der Hütte. Das Gas aus dem Hochofen wurde darin abtransportiert und zur Energiegewinnung verbrannt. Verschwendet wurde in der Stahlindustrie nichts, betont Rémi Jacquot. Energie bekommt auch der Mensch aus dem Garten. Um daran zu erinnern, haben die Gärtner ein Gemüsebeet angelegt, ein paar Hühner werden hier gehalten. Die Botschaft: Garten, Stahl, Mensch – alles hängt irgendwie zusammen. Solche Denkanstöße nimmt der Besucher im Garten der Spuren mit. Jeden zweiten Sonntag im Monat kann man um 15 Uhr an einer Führung durch den Park teilnehmen. Gruppen können das auch mit Termin buchen.

Fêtes des Plantes

Echte Highlights im Jardin des Traces sind übrigens die Fêtes des Plantes im Frühjahr und im Herbst. Außerdem lädt der Jardin des Traces zu einem großen Halloween-Fest ein. Allein an diesen Tagen kommen tausende Besucher nach Uckange. Wer den Jardin des Traces besucht und noch Zeit hat, kann auch den Hochofen U4 auf dem Gelände besuchen. Die über 100-jährige Geschichte des Stahlwerks ist hier aufgearbeitet.

Karin Mayer


Kontakt

Garten der Spuren
1, rue du Jardin des Traces
F-57270 Uckange

Tel.: (0033 3) 82 86 55 96
E-Mail: uckange.jardindestraces @fr.oleane.com
www.jardindestraces.fr/index_de.html

Öffnungszeiten

1. April - 1. Nov.:
Di. - So. 14.00 - 18.30 Uhr,
Fr. und Sa. zusätzlich von 20.30 Uhr bis Mitternacht.

Eintritt

Erwachsene (ab 18 Jahre): 3,- €,
ermäßigt für Jugendliche von 16 bis 18, Studenten (bei Vorlage eines Nachweises) und Gruppen ab 10 Personen: 2,- €,
Kinder bis 16, Arbeitslose und Schüler (bei Vorlage eines Nach­weises): kostenlos, Jahreskarte: 10,-€.

Aus Sicherheitsgründen: Minderjährigen unter 16 Jahren, die sich nicht in Begleitung einer volljährigen Person befinden, ist der Zutritt leider untersagt.

Anfahrt

Von Saarbrücken nach Metz, kurz vor Metz Richtung Luxemburg, Autobahn A 30, Abfahrt „Uckange“ auf der Bundestraße Richtung Thionville. In Uckange den Hinweisschildern Jardin des Traces und Hochofen U4 folgen.



Über dieses Thema wurde auch in der Sendung "Region" am 26.07.2017 auf SR 3 Saarlandwelle berichtet.

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