Meisenheim (Foto: Moritz Attenberger)

Spazierengehen in einer Postkarte

In Meisenheim steht die Zeit still

Stefan Miller  

Meisenheim am Glan ist Postkarten-Idylle pur: von der spätgotischen Schlosskirche, der Altstadt mit seinen barocken Fachwerkhäusern, bis hin zu den Spuren, die die Gebrüder Stumm oder etwa Hildegard von Bingen hier hinterlassen haben. Hier muss man einfach hinfahren!



Meisenheim am Glan ist einer der wenigen Orte im Südwesten, der 500 Jahre von allen kriegerischen Zerstörungen verschont geblieben ist. Die denkmalgeschützte Altstadt wurde auch schon als „Rothenburg am Glan“ gerühmt. Die Schlosskirche als „Perle der Spätgotik“. Denn Meisenheim ist Idylle pur.

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Tour de Kultur: Spazieren gehen in einer Postkarte
Audio [SR 3, Stefan Miller, 03.07.2017, Länge: 02:59 Min.]
Tour de Kultur: Spazieren gehen in einer Postkarte

Barocke Altstadt in Postkarten-Idylle

Meisenheim (Foto: Stefan Miller)

Die historische Altstadt sieht aus wie aus einer Postkarte geschnitten. Barocke Fachwerkhäuser, kunstvoll geschnitzte Türen, ein Bach murmelt im Hintergrund, und über der Altstadt erhebt sich die spätgotische Schlosskirche. Das Schloss ist längst verbrannt – im 18. Jahrhundert, als Franzosen hier ein Militärlazarett einrichteten und der Herd in der Küche das ganze Gebäude in Brand steckte.

Meisenheim (Foto: Stefan Miller)

Von dem Schloss ist nur noch der sogenannte Witwensitz erhalten, aber die Schlosskirche beeindruckt durch ihre mutig geschwungenen Rippengewölbe, die auf Rundpfeilern ruhen. Die Rippen gliedern die Decke dieser Hallenkirche manchmal wie ein Netz, manchmal wie Sterne, manchmal sind sie völlig losgelöst von der Decke wie kunstvolle Adern durch die Luft geführt. Das gibt es so gut wie nirgends in Deutschland. Wahrscheinlich war der Architekt, Philip von Gmünd, von belgischen und französischen Kirchen inspiriert.

Viele Kriegsheere sind durchs Land um Meisenheim gezogen, aber der Ort blieb überraschenderweise von Angriffen verschont. Die Herren von Meisenheim wechselten, aber die Zeit, so scheint es, steht hier still, nur die Kirche klingt. Sogar eine Bronzeglocke aus dem Ende des 14. Jahrhunderts hängt hier noch. Sie war ursprünglich für das Kloster Disibodenberg gegossen worden, das von Hildegard von Bingen gegründet worden war. Später kam sie nach Odernheim.

Meisenheim (Foto: Moritz Attenberger)

Als im Dreißigjährigen Krieg einem Herzog das Geld für ein Hochzeitsgeschenk fehlte, ließ er die Glocke der Meisenheimer Schlosskirche einschmelzen. Dafür sollten dann später die Nachbarn in Odernheim ihre Glocke den Meisenheimern überlassen. Das gab Ärger. Als die Meisenheimer sich die Glocke holen wollten, schlossen die Odernheimer ihr Tor und warfen den Schlüssel weg. Als die Nachbarn dann dennoch eindrangen, sollen die Frauen versucht haben, die Speichen des Wagens zu zerschlagen, schimpften, der Pfarrer solle doch in ein Horn blasen, statt ihnen die Glocke zu stehlen, aber alles half nichts. Heute hängt die mittelalterliche Bronzeglocke in der Schlosskirche.

Meisenheim (Foto: Stefan Miller)

Im 18. Jahrhundert kam eine weitere Attraktion dazu: Die berühmten Gebrüder Stumm bauten eine Orgel. Heute eine der besterhaltenen dieser Hunsrücker Orgelbauerfamilie*. Man kann noch vieles in der Meisenheimer Schlosskirche entdecken, die kostbare geschnitzte Rokoko-Kanzel beispielweise mit wunderbar fein ausgeführtem Furnier. Sie wurde von der Familie Schmidt gefertigt, die auch viele barocke Türen geschaffen hat. 22 davon kann man heute noch an Meisenheimer Häusern bewundern.

Bei allen Entdeckungen in der spätgotischen Schlosskirche –̶ es sollte noch genug Zeit für einen kleinen Stadtbummel bleiben. Besonders sehenswert ist das Rathaus von Philipp von Gmünd, der auch die Schlosskirche gebaut hat. Unten, hinter wunderschön geschnitzten Portalen, war die Markthalle und oben, naja, zuerst das eigentliche Rathaus, aber schon bald ein Gasthaus. Auch die Markthalle ist ein Selfie wert oder die wunderschönen Fachwerkhäuser.

Meisenheim (Foto: Stefan Miller)

Ja, und da wäre noch die katholische Kirche St. Antonius mit ihrem barocken Innenausbau oder das gelbe Haus, eines der ältesten Fachwerkhäuser (wahrscheinlich um 1497 gebaut) in Rhein-Nahegebiet, das früher dem Gebietsverwalter des Johanniterordens gehörte. Heute sieht man kein Fachwerk mehr, sondern gelben Verputz. Das allein ist schon mehr, als auf eine Postkarte passt. Da muss man einfach hinfahren.

Stefan Miller


Kontakt

Tourist Information Meisenheim
Untergasse 16
55590 Meisenheim

Tel.:     (06753) 121-0
Tel.:     (06753) 121-23
Fax:     (06753) 121-17
E-Mail: info@pfalznah.de
www.stadt-meisenheim.de
www.meisenheim.de

Öffnungszeiten

Evangelische Schlosskirche: ganzjährig,
Dauer: circa 1 Stunde.
Orgelvorführung in der Evangelischen Schlosskirche: ganzjährig nach Vereinbarung,
Dauer: circa 20 Minuten.

Eintritt

Führungen: 45,- € (beliebige Gruppengröße),
Orgelvorführung: 55,- € (beliebige Gruppengröße).

Anfahrt

Saarbrücken A 6 Richtung Mannheim, Ausfahrt Ramstein-Miesenbach auf die B 367. Von dort aus folgen Sie der Route weiter auf die B 270 Richtung Idar Oberstein/ Wolfstein, Lauterecken/Meisenheim. Ab Saarbrücken fahren Sie knapp 100 Kilometer und sind circa 1,5 Stunden mit dem Auto unterwegs.

Tipp

*Tour de Kultur 2013:
Stumm-Orgel-Weg im Hunsrück
Länge: 14 Kilometer
Profil: einfach bis mittelschwer
Saison: ganzjährig
Gehzeit: circa 4 Stunden



Über dieses Thema wurde in der Sednung Region am 28.07.2017 auf SR 3 Saarlandwelle berichtet.

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