Bloß keine halben Sachen

Deutschland - ein Rollstuhlmärchen

Simone Mir Haschemi  

Deutschland - ein Rollstuhlmärchen

Florian Sitzmann

Autor Florian Sitzmann ist an den Rollstuhl gefesselt. Er ist zugleich auch Hochleistungssportler, nimmt an den Paralympics teil. In seinem Buch beschreibt er seinen Weg durchs Leben - über Hindernisse hinweg mit eisernem Willen und viel positiver Kraft.

Gütersloher Verlagshaus
ISBN-13: 978-3579066493
Preis: 17,99 Euro

(28.11.2012) Es klingt nach Ironie des Schicksals. Der Junge mit dem Namen Florian Sitzmann verliert mit 16 Jahren durch einen Motorradunfall beide Beine ab der Hüfte – und seitdem heißt er nicht nur so, er ist auch ein Sitzmann.

Aber Florian Sitzmann ist nicht der Typ, der sich aus der Bahn werfen lässt, das wird beim Lesen schnell klar. Der heute 36-Jährige hat seitdem WM-Silber im Handbiken gewonnen, ist Vater geworden und ist inzwischen einer von Deutschlands bekanntesten Rollstuhlfahrern. Er setzt sich für die Belange von Behinderten in Deutschland ein und ist oft in Talkshows zu sehen. Aber der Anfang nach dem Unfall, als halber Mann, wie er selbst sich nennt, war auch für ihn natürlich schwer.

"Viele Reha-Kliniken sind für mich ein Ort des Grauens. Man hängt aufeinander, die Rollstühle stehen in den Gängen herum und man will dem gern mal für eine Weile entfliehen. Leider kann es passieren, dass man sich dabei noch mehr Blessuren zuzieht und was den Rückweg angeht, da lasse ich Sie gerne mal in einem Rollstuhl Platz nehmen und Sie zu meiner Reha-Klinik hochrudern. Um das zu schaffen bräuchte man Arme wie Popeye."

Und das ist auch das Thema von Florian Sitzmanns neuem Buch. Behindertsein oder zum Behinderten werden ist schon schwer genug – aber unsere Gesellschaft macht es teilweise noch schwieriger. Nicht nur durch Rehakliniken, die fern ab von jedem Leben und Trubel liegen. LKompliziert wird’s auch im eigenen Haus.

"Kein Mensch dachte darüber nach, dass irgend wann einmal jemand darin wohnen könnte, der sich auf den Treppen vielleicht nicht mehr leichtfüßig bewegen kann. Für jemanden wie mich ist es mühsam, viele Treppen steigen zu müssen, denn ich bewältige die Stufen auf meinen Händen. Besonders ungangenehm ist das im Winter, wenn sich in Fluren oder Hauseingängen der Schmutz der Welt von draußen anhäuft."

Florian Sitzmann schildert sich selbst als willensstarken, lebensfrohen, eitlen Menschen. Und das kommt in jedem Satz des Buches durch. Florian Sitzmann läge es fern, das Leben als Behinderter beleidigt zu beklagen – er macht einfach nur auf Schwierigkeiten aufmerksam, und das auf eine angenehm sarkastische Art.

"Die Natur gibt einem Kraft - so sollte es zumindest sein. Mich kostet sie aber auch oft Kraft, denn selbstverständlich würde ich auch gerne mit meiner Tochter Pilze suchen gehen. Aber im Rollstuhl ist es eben ein bisschen schwieriger, durch den Wald zu stapfen - es sei denn, ich will in Kauf nehmen, dass ich bei der intensiven Sichtung eines Steinpilzes weit nach vorne gebeugt mit samt dem Rollstuhl den Waldboden küsse wie der Papst die heilige Erde."

Für Nichtbehinderte offenbart das Buch viel, was wir vielleicht nicht so im Blick haben in Bezug auf Behinderte. Außerdem enthält das Buch konkrete Tipps für den Umgang miteinander.

"Dass Unsicherheiten auftauchen wo Menschen mit und ohne Behinderungen aufeinander treffen, ist verständlich. Aber man kann etwas tun, um diese abzubauen. Zum Beispiel kann man nachlesen, wie man sich verhalten soll, wenn man einem Rollifahrer begegnet. Wird er beißen? Wird er kläffen? Gehört es zum guten Ton, den Rollstuhl zu packen und den Menschen darin zu schieben?"

Und für Leser, die selbst ein Handicap haben, kann „Bloß keine halben Sachen – Deutschland, ein Rollstuhlmärchen“ aufbauend sein. Aber Vorsicht: Der Leistungssportler Florian Sitzmann ist nicht der Typ der verzärtelnden Worte.

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