Erste Stolpersteine für zwei "Malgré Nous" im Elsass

Stolpersteine erinnern an deportierte und ermordete Menschen, vor allem an Jüdinnen und Juden, aber auch etwa an Widerstandskämpfer. Auch in Lothringen und im Elsass gibt es Stolpersteine. Im Elsass wurden nun erstmals welche für so genannte "Malgré Nous" verlegt.

Stolpersteine werden vor Häusern verlegt, in den Jüdinnen und Juden, Widerstandskämpfer, Behinderte oder Homosexuelle gelebt haben. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Lothringen und im Elsass.

Rund 130.000 Zwangsrekrutierte

Die Besonderheit im Juni dieses Jahres: Erstmals wurden Stolpersteine für so genannte "Malgré nous" verlegt. Wörtlich heißt das: "Gegen unseren" Willen. Das waren Zwangsrekrutierte aus dem Elsass und Lothringen für die deutsche Wehrmacht und sogar in die Waffen-SS, während des zweiten Weltkrieges.

Elsass und das lothringische Departement Moselle waren nämlich nicht nur besetzt, sondern de facto von Nazi-Deutschland annektiert. Das hieß dann, circa 130.000 Menschen wurden eingezogen. Nach dem Krieg wurden sie in Frankreich über Jahrzehnte als Kollaborateure gesehen und behandelt.

Jacques und René Knecht

Die Brüder Jacques und René Knecht waren solche Zwangsrekrutierte. Sie wurden im Alter von knapp 18 und knapp 19 zwangsrekrutiert und an die Ostfront geschickt. Jacques kehrte nach einem Lungenschuss nach Frankreich und wurde von der Wehrmacht als Dolmetscher eingesetzt.

Im Frühjahr 1944 konnte er die Armee verlassen und ging sofort in den Widerstand. Deckname: Jacky. Er wurde von den Deutschen erwischt und kurz vor Kriegsende  wegen "Spionage und Fahnenflucht" hingerichtet. Sein Bruder René wurde in Ungarn vermisst. In Straßburg ist nach den Brüdern bereits eine Straße benannt.

Andere Soldatendenkmäler

In ganz Frankreich findet man in jedem kleinsten Dorf ein Denkmal für die Soldaten. Darauf steht: "Gefallen für das Vaterland". In Elsass und im lothringischen Département Moselle nicht. Da wird an die Toten der Kriege erinnert, weil es viele Zwangsrekrutierte gab, die eben für Deutschland gefallen waren.

Außerdem wurden die Elsässer und vor allem die Lothringer in Moselle über Jahrzehnte hinweg als Deutsche geschmäht, auch wegen ihres Akzentes. Das führte soweit, dass niemand mehr Platt reden sollte und wollte.

Auch heute noch ein Thema

Die Beschäftigung damit dauert bis heute an: Auf der letzten Buchmesse in Colmar ging es in etwa in jedem dritten neu vorgestellten Buch um eine Familiengeschichte während des dritten Reiches bzw. oder auch vor und während des ersten Weltkriegs. Auch da gab es viele Soldaten aus dem Elsass und aus dem Département Moselle im Deutschen Heer.

Diese ganze Schmach tragen viele Zehntausende immer noch mit sich herum. Fasst jeder, den die Autorin in den vergangenen 30 Jahren getroffen hat, hat ihr vor Großvater, Vater oder Onkel berichtet, der ein Malgré Nous gewesen war.

Glühende Kohlen in der Hand

Oder einer Mutter, Tante, Oma, der man in der Schule bei jedem Wort auf Deutsch ein Stück glühende Kohle in die Hand gedrückt hatte. Das hat ihnen die deutsche Sprache wortwörtlich aus dem Gedächtnis gebrannt. Mit ein Grund, warum das Platt in Lothringen und im Elsass ausstirbt.

Erst 2010 hat zum ersten Mal ein Präsident, Nicolas Sarkozy, gesagt, dass den Malgré Nous ein großes, völkerrechtswidriges Unrecht widerfahren sei. Wörtlich sagte er: „Die Malgré Nous waren keine Verräter, sondern im Gegenteil Opfer eines Kriegsverbrechens“. Das war Balsam auf die Seelen der Lothringer und Elsässer.

Ein Denkmal für die Malgré Nous gibt es im elsässischen Obernai und seit Mai 2010 auch im lothringischen Saargemünd.

Weiterführnde Informationen gibt es auf der Seite Malgre-nous.eu

Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" auf SR 2 KulturRadio am 01.08.2024. Das Foto ganz oben zeigt die Stolpersteine für Jacques und René Knecht. (Bildquelle: malgre-nous.eu)

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