Johannes Kühn, der saarländische Lyriker, ist tot

Johannes Kühn, der saarländische Lyriker, ist tot

Erhard Schmied  

Johannes Kühn, der saarländische Schriftsteller, verstarb unerwartet am 3. Oktober im Alter von 89 Jahren. Ein Nachruf von Erhard Schmied.

Johannes Kühn, Sohn einer Bergmannsfamilie, war ein außergewöhnlicher Mensch. 1934 in der saarländischen Gemeinde Berschweiler geboren, hat er seine Heimat, das St. Wendeler Land, streng genommen nie verlassen. Sicher, es gab eine Phase, die ihn nach „draußen“ führte, als Gasthörer an die Universitäten Saarbrücken und Freiburg. Doch aufgehoben fühlte er sich nur in Hasborn, wo er lebte und wo die meisten der mehr als 20.000 Gedichte entstanden, mit denen Johannes Kühn Teil der deutschsprachigen Lyrik geworden ist. Von besonderer Bedeutung: die Naturgedichte.

Reich an Gütern begegnet mir ein Mann,
was ich will mit der zerrissenen Hose
und dem zerfransten Hut?
Wandern
und nicht stehen bleiben,
daß mich einer mustre
und spotte.
Die klaren Weiher bemängeln meine Kleidung nicht,
in Spiegelbildern lassen sie mich sehen
meine verlotterte Gestalt in Ruhe,
und ich trag es
und verzweifle nicht.
In hohem Gras sitzend,
verzeih ich mir.
Schöne Frauen
reise ich nicht an.
Von den Wettern des Sonnenscheins
laß ich mich trösten
und sitz,
als sei ich mundlos.
"Ein Dichter muss nicht in der Welt herumfahren, um gute Gedichte zu schreiben"
Audio: Verleger Michael Krüger über Johannes Kühn
"Ein Dichter muss nicht in der Welt herumfahren, um gute Gedichte zu schreiben"

LANGE SPAZIERGÄNGE

Aufgrund einer schweren Erkrankung war Johannes Kühn gezwungen, die Schule vorzeitig zu verlassen. Danach ging er wechselnden Tätigkeiten nach. Ohnehin galt sein Interesse der Lyrik. Erste Gedichte schrieb er mit vierzehn. Er schwärmte für Hölderlin, Trakl, Mörike. Die Heimat und die eigene Bewegung darin wurden zu seinen zentralen Themen. Johannes Kühn war bekannt dafür, dass er kaum sprach, dafür aber die Landschaft rund um Hasborn tagtäglich in langen Spaziergängen durchstreifte.

In einem Interview mit dem Saarländischen Rundfunk sagte er:

Ich habe mich vor allen Dingen darum bemüht, das, was mir gut bekannt ist, auch gut in die Verse hereinzubringen Und ich habe mich nicht an ungeheuerlich große Themen herangewagt, wie Schönheit oder Betroffenheit, obwohl ich heute solche Gedichte schreibe, aber im Kleinformat. Ich habe mich an das gehalten, was für mich überschaubar war und was ich leisten konnte.

EIN AUSSENSEITER

Die Bewegung in der Natur war nicht nur Ausgangspunkt zahlloser Gedichte, sie schien Johannes Kühn auch eine Geborgenheit zu geben, die er bei den Menschen nicht fand. Eine der wenigen Ausnahmen war Benno Rech, mit dem er seit der Schulzeit befreundet war. Benno Rech und dessen Frau Irmgard nahmen sich des eher schwer zugänglichen Dichters an und kümmerten sich auch um sein Schreiben.

Nach vereinzelten, vor allem regionalen Publikationen wurde Johannes Kühn Ende der 1980er-Jahre vom Münchener Hanser-Verlag entdeckt. Danach ging es Schlag auf Schlag: Ehrengabe der Schillerstiftung, internationaler Lyrikpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Hermann-Lenz-Preis.

Johannes Kühn ist tot
Video: Saarländischer Lyriker
Johannes Kühn ist tot

VIELSEITIG UND BESCHEIDEN

Trotz dieser Erfolge ist Johannes Kühn stets ein Außenseiter geblieben, auch in seiner Heimat. Respektiert und geachtet – und dennoch für sich, selbst in dem von ihm so geschätzten Hasborner Gasthaus Huth, das er in seinen Gedichten immer wieder festgehalten hat.

Ins gelbe Bier
die gelbe Sonne fällt.
Die Schatten, schwarze Männer,
bellen an den Tischen.
Die weiße Wirtin eilt zum Kranen,
der verschenkt
von Gast zu Gast.
Und herber Duft
lockt Fliegen an,
die Schwärme vereinzeln sich
um kleine Tropfen auf dem Boden.
Ich Winkelgast,
gemieden,
nur besucht vom welligen Gelächter,
das als Meer mir
an die Stirne spült,
bedenke, daß mein halber Groschen schwitzt.

Johannes Kühns Werk ist bislang, trotz zahlreicher Publikationen, nur zu einem kleinen Teil überhaupt veröffentlicht worden. Kühn hat auch Märchen, Theaterstücke und Prosa verfasst. Diese Texte überraschen ebenfalls mit einer Sprache, die trotz ihrer poetischen Dichte klar und einfach geblieben ist. Johannes Kühn wird jedoch in erster Linie als Lyriker in Erinnerung bleiben, dessen Leben ohne die Landschaft, die Heimat und das Schreiben darüber unvorstellbar war.

Johannes Kühn verstarb am 3. Oktober im Alter von 89 Jahren.

Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" am 04.10.2023 auf SR 2 KulturRadio. 

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