"Frohe Weihnachten - hilft eh nix"

"Frohe Weihnachten - hilft eh nix"

Glosse

Thomas Bimesdörfer  

Die Vorweihnachtszeit hat offiziell begonnen und die, die sich immer beschweren, dass schon Ende August die Lebkuchen in den Geschäften lauern, können endlich einen essen. Auch bei SR 2-Redakteur Thomas Bimesdörfer stellt sich so langsam ein seltsames aber wohlbekanntes Gefühl ein, obwohl er das gar nicht vor hatte ...

Neulich beim Zahnarzt, Schlauch, Watte und Betäubungsspritze liegen schon bereit, ich auch. Fragt mich die Assistentin: "Sind Sie schon in Weihnachtsstimmung?" Na ja, komische Frage kurz vor einem medizinischen Eingriff, also ein nöliges "Nö" gemurmelt und mir dann so gesagt, na, die hat es doch nur gut gemeint und wollte dich ablenken.

Zahnarzt kommt, Zahnarzt spritzt, Zahnarzt bohrt. Zahnarzt lässt mich leben. Ich gehe raus und denke mir: Es ist noch nicht mal der erste Advent und die Leute reden schon von Heiligabend. Merkwürdig … Heiligabend, 24. Dezember, Glöckchen, Tannenbaum, Kerzenschein, Oh du fröhliche. Und da ist sie plötzlich so ungefähr auf Bauchhöhe. Die Stimmung, eher ein Gefühl.

Alles wird gut. Und bald gibt es Geschenke. Gut ist eigentlich eher wenig momentan. Mir tut immer noch der Kiefer weh, das Land ist pleite und die Welt, wohin man schaut ein Jammertal. Und Geschenke gibt es schon lange nicht mehr, vielleicht noch einen kleinen Weihnachtsbaum, der beim Entsorgen immer furchtbar nadelt.

Aber es ist doch bald Weihnachten, die schönste Zeit des Jahres. Ist sie nicht. Ist sie doch. Ist nur unnötiger Stress, nein, es ist heimelig, es ist ein abgegriffenes Ritual, es ist eine Tradition. Ja, ein Kometenschweif an Bildern, Gefühlen, Düften, Klängen. Es ist kalt und dunkel, aber im Zimmer ist es warm und hell. Und alle Menschen sind nett.

Thomas Bimesdörfer (Foto: Pasquale D'Angiolillo)
Thomas Bimesdörfer

Gleich gibt es Würstchen mit Kartoffelsalat und dann Kekse, Kekse, Kekse. Was geht da gerade in mir vor? Es gibt keine Würstchen, es gibt mit Blick auf mein aktuelles Gewicht besser auch keine Kekse. Und es gibt vor allem auch keine Bescherung. Trotzdem ist da inzwischen so eine Vorfreude in mir. Ich will jetzt sofort einen Adventskalender mit Schokolade drin, einen Adventskranz mit vier Kerzen und Schmuck für die Fenster.

Einen Weihnachtspullover mit Rentiermotiv, Rudolf mit der roten Nase wäre sehr nett. Einen Stiefel für Nikolaus und einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt. Ich komme mir vor wie ein kleines Kind. Genau das bin gerade gar nicht ich, doch das bin ich nur viel, viel jünger. Ich merke: Das ist eine Prägung, nicht gerade frühkindlich, aber solide.

Die Weihnachtszeit ist einfach mit den schönsten Erinnerungen verknüpft. Und die werde ich nicht mehr los. Ja, es gab auch ziemlich öde Festtage, langweilig und mit nervigem Familienbesuch. Oder Krach der Eltern beinahe unterm Weihnachtsbaum. Gab es alles. Ist aber ohne Bedeutung. Weihnachten ist schön. Punkt. Mach was dagegen, hilft nix.

Also jetzt mein öffentliches Bekenntnis: Irgendwie liebe ich diese Tage und Wochen Ende November bis Anfang Januar. So aus dem Bauch heraus. Also: Lasst uns froh und munter sein!

Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" am 01.12.2023 auf SR 2 KulturRadio.

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