Die Rechtschreibreform - ein Flop?
Ein Gespräch mit dem Germanisten Prof. Uwe Grund
Der Germanist Prof. Uwe Grund hält die Geschichte der deutschen Rechtschreibreformen für ein Paradebeispiel für das Prinzip gut gemeint, aber schlecht gemacht: "Ich denke, dass das ein hehres Ziel war, aber dass dieses Ziel deutlich verfehlt worden ist", sagte er im Gespräch mit SR 2 KulturRadio. "Die neuen Regeln sind weder logischer noch transparenter, noch für den Normalbürger verständlicher, als es die herkömmlichen alten klassischen Duden-Richtlinien oder -regeln waren".
"Falscher Alarm"
Alle Reformbemühungen seit den frühen 1970er Jahren hätten als Ziel ausgegeben, die Fehlerhäufigkeit beim Schreiben zu minimieren. Aus dieser Zielvorgabe hätten die Reformbeschlüsse überhaupt erst ihre Legitimation bezogen.
Nach seiner eigenen Studie "Orthographische Regelwerke im Praxistest: Schulische Rechtschreibleistungen vor und nach der Rechtschreibreform" sei genau das aber nie erreicht worden.
Nicht nur er selbst könne das anhand seines umfangreichen Schülerarbeitenarchivs belegen - eine von den Reformerverfechtern seinerzeit ignorierte, zeitgenössische Untersuchung aus der DDR habe zudem belegt, dass das Grundproblem - also eine weit verbreitete Rechtschweibschwäche - in Wahrheit gar nicht in einem solchen Maße vorhanden gewesen sei, das eine Reform gerechtfertigt hätte. Insofern basierten sämtliche Reformansätze auf einem "Fehlalarm", der auch ideologisch unterfüttert gewesen sei - Stichwort Bildungsreform.
"Massenhaft entgegen dem Reglement"
Das aktuell gültige Regelwerk basiere vor allem auf drei Grundregeln: dem Prinzip der vermehrten Großschreibung, dem Prinzip der vermehrten Getrenntschreibung und dem Oralitätsprinzip - nach dem Motto "Schreibe so, wie du sprichst". Speziell die Bekenntnisse zur vermehrten Großschreibung und zur Wort-Trennung werde von der heutigen Schülergeneration "massenhaft" und "entgegen dem Reglement" angewendet.
Ad fontes
Grund empfiehlt zur Verbesserung der Rechtschreibepraxis, jene Frage in den Mittelpunkt zu stellen, die von der orthografischen Konferenz der Schweiz vorgeschlagen worden sei: "Was ist der tatsächliche Usus?" Es gebe "Muster und Vorbilder, an denen man sich orientieren" könne, so Grund , "und das sollte man einem Gremium unabhängiger Köpfe anheim geben und weniger staatlichen Institutionen".