?Zug, Zug, Zug, die Eisenbahn...?

„Zug, Zug, Zug, die Eisenbahn...“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 05.07.2024 16:45 Uhr

Nr. 995

Nicht dass Sie denken, ich sei humorlos. Aber ich bin ja auch nicht wirklich ein Fußball-Fan. Womit ich natürlich nicht sagen will, dass der Fan oder die Fannin des getretenen Balles keinen Humor besäßen. Keineswegs! Aber zur lustvollen Ausübung des Humors gehört natürlich auch die passende Situation. Sprich: Es kann sicher sehr lustig sein, auf you tube jemandem dabei zuzusehen, wie er auf einer Bananenschale ausrutscht, dabei in eine Mülltonne semmelt, auf deren Deckel er dann eine abschüssige Straß runterrutscht und an deren Ende gegen einen Laternenpfahl rauscht. Kann man schon mal lachen drüber. Vielleicht nicht mit der gleichen Herzhaftigkeit, wenn man der betreffende Unglücksrabe ist und nach der Laterne 14 Tage auf der Unfallstation des Kreiskrankenhauses verbringen muss.

So, denk ich mir, werden auch die während der EM auf Bahnhöfen, Bahnsteigen oder in Wartesälen gestrandeten Fußball-Afficionados nicht ganz unbeschwert gelacht haben angesichts der „Fun Facts 4 Fans“ die sich die DB bzw. ihre Werbeagentur ausgedacht hat, um gute Stimmung zu verbreiten. Ein EM-ICE, erfährt man da beispielsweise, rauscht mit 250 km/h über die Schienen, während der schnellste Fußballschuss „nur“ 210,9 km/h erreicht hat. Interessant, wenn man auf einem überfüllten Bahnsteig steht und das einzige was rauscht die unverständliche Durchsage ist. Gut, auf einem fliegenden Fußball gibt es nicht allzu viel Sitzplätze, aber dafür kommt er vermutlich pünktlicher ins Ziel.

Die Bahn jedenfalls bräuchte „158 ICEs, um das Olympiastadion in Berlin mit Fans zu füllen“. Knaller-Info. Und wie lange würde das dauern? Gut zu wissen auch, dass es 151.818.182 Bälle brauchte, um das gesamte DB-Netz damit nachzubilden. Wenn der Hälfte der Bälle die Luft fehlt, könnte die Netz-Nachbildung sogar recht realistisch werden. Tröstend auch der Gedanke, dass „alle DB-Mitarbeitenden fünf Mal die Fußball-Arena München füllen“ könnten. Wenn Sie denn jemand hinschaffte. Den wartenden Fans wäre vermutlich lieber, diese Mitarbeitenden würden einen funktionierenden Bahnverkehr hinbekommen. Ist aber nicht.

Und das liegt selbstredend nicht an den bei der DB Tätigen, sondern an dem Sanierungs-Rückstau der vergangenen 30 Jahre. Sagt Bahnchef Richard Lutz.  Nee, nee, sagt wiederum Ulrich Lange von der CSU, da wäre schon auch das DB-Management mit in der Verantwortung. Von der Politik redet auch der Herr Lange in diesem Zusammenhang nicht, ist er doch Mitglied der Partei, die die zehnjährige Schreckensherrschaft der CSU-Verkehrsminister von Peter Ramsauer über Alexander Dobrindt bis zu Andi Scheuer begründet hat. Nicht dass der zur Zeit amtierende FDP-Mann Wissing da nun rühmlich hervorstäche – aber das nur zur Vervollständigung.

Auf gerade mal 55 pünktliche Züge von 100 im Fernverkehr hat es die DB als „Partner der UEFA 2024“ für die nachhaltigsten Spiele seit einer unserer Vorfahren gegen eine Steinkugel getreten hat, gebracht. Muss man sich nicht wundern, wenn die „Vorbilder der Nation“, unsere Fußballhelden, lieber mal ins Flugzeug hopsen und sich zwanzig Minuten Luftreise gönnen. Und unsere grüne Außenministerin Baerbock, kurzerhand suspendiert vom Nachtflugverbot, sich zum Spiel der Deutschen gegen die Schweizer fliegen ließ. Den witzigsten „Fun Fact“ der Bahn zitiert meine Nachbarin Barscheck: „Das Team DB ist ein wichtiger Player für reibungslose Mobilitätsabläufe während der EM.“ Aber das war natürlich ernst gemeint.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 05.07.2024 und in "Der Morgen" am 06.07.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja