?Hoppla!?

"Elchtest"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 21.06.2024 16:45 Uhr

Nr. 993

 Nicht dass Sie denken, ich bediente jedes Klischee über Skandinavien, das man sich so einfangen kann. Aber klar: Wenn man wie meine Nachbarin Barscheck und ich nunmehr seit drei Wochen im Norden unterwegs ist, stellt sich irgendwann die Elchfrage. Die da lautet: „Wann sehen wir endlich einen?“ Später abgelöst durch „Sehen wir überhaupt einen?“ Letzte Woche war ich schließlich überzeugt, der Elch sei so was wie das Einhorn Skandinaviens: Alle reden davon, es gibt Plüschtiere, Autoaufkleber und Bierdeckel – nur das Vieh selbst gibt es wohl nicht.

Unterschiede zwischen Elch und Einhorn gibt es allerdings auch: Geweihmäßig ist das nordische Riesenrind deutlich besser aufgestellt, es gibt meines Wissens auch keinen Film, in dem ein Elch in Regenbogenfarben und mit Glitzer überstreut agieren muss und – die Folkies von „America“ haben sich nicht bemüßigt gefühlt, uns mit einer sirupsüßen Ballade über den letzten oder vorletzten Elch zu belästigen. Wie auch immer – Einhorn muss nicht, aber so einen Elch hätte ich schon gerne zu Gesicht bekommen.

Meine Nachbarin auch. Da Frau Barscheck meist die pragmatischere von uns beiden ist, lotste sie uns kurzerhand in einen norwegischen Wildpark, wo wir gegen beträchtliches Eintrittsgeld tatsächlich ein Wesen dieser Spezies zu sehen bekamen. Von Ferne und zwischen Birkenstämmen versteckt. Aber das Ding hatte kein Geweih. Nichts. Kahlköpfig quasi. Eine Elchin, wie wir dann erfuhren, die eben keine Schaufeln tragen, weil ihnen ja auch das Geweih fehlt, an dem die befestigt sein könnten. Barscheck verwahrt sich entschieden gegen die Formulierung „das Geweih fehle“ den weiblichen Elchen. Das sei geschlechter-diskriminierend. Sie hätten eben einfach keines. So wie ja auch den Frauen nicht etwa ein… Herr, lass diesen Elch an mir vorübergehen!

Wann ist der Elch ein Elch? Wer will das sagen – und, es gilt ja immer und unverbrüchlich der Satz des großen Robert Gernhardt: „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.“ Ende der Debatte. Tags drauf wurden wir von einem Elch auf der Straße überrascht. Echt. In freier Wildbahn. Kostenlos. Hatte übrigens auch kein Geweih. Eine Elchin eben.

Um weitere Vorurteile zu beenden: Auch in Schweden werden die Billy-Regale nicht von Elchen gebracht oder gar aufgebaut und den ja meist adipösen Weihnachtsmann müssen bekanntlich die deutlich kleineren Rentiere ziehen. So isses.

Wenigstens kann man hierzulande sicher sein, dass es sich wirklich um einen echten Elch handelt, wenn ein Zottelvieh schwankend die Straße überquert. In der deutschen Heimat, so weit ich höre, würde es sich dabei zur Zeit wahrscheinlich eher um einen maximal alkoholisierten Fußballfan handeln, der sich für einen solchen hält. Oder zumindest ein vergleichbares Röhren von sich gibt. Gar nicht mal so übel, wenn man, wie wir, erst zum Endspurt der EM wieder nachhause kommt. Das muss reichen.

Und vielleicht haben sich bis dahin die Knalldeppen, die nun auch im Saarland besoffen rechtsradikale Slogans brüllen oder singen, „Sieg Heil“ schreien oder den Arm zum Gruß recken, wieder beruhigt oder sind erstmal weggesperrt – in ihren Kinderzimmern oder so. Mit Fernsehverbot! Elchen übrigens sagt man bekanntlich keine überragende Intelligenz nach. Aber dennoch, sagt meine Nachbarin Barscheck, habe man noch nie von rassistischen Ausschreitungen der Großhirsche gehört. Gut, das trifft auf handelsübliche Schafe, Kühe oder Kängurus auch zu. Aber wir sind ja nun mal inzwischen in Norwegen, deren Fußball-Nationalelf schon mal „der HSV Europas genannt“ wird und folgerichtig also bei der EM nicht mitspielen darf. Von uns jedenfalls herzliche Grüße nachhause – möge die Mannschaft Ihres Herzens Ihnen Freude bereiten.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 21.06.2024 und in "Der Morgen" am 22.06.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja