?Hoppla!?

"Hoppla!"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 14.06.2024 16:45 Uhr

Nr. 992

 

Nicht dass Sie denken, ich sei völlig überrascht gewesen. Komplett überrollt von einem Wahlergebnis, mit dem man ja nun wirklich nicht hatte rechnen können. Oder um es im gängigen Polit-Jargon zu sagen: Schockiert, empört und besorgt - angesichts des Rechts-Rucks in Europa. Jetzt muss ja erstmal geklärt werden, so las ich, ob es nun tatsächlich ein Ruck, ein Rutsch, eine Verschiebung oder halt so eine Veränderung sei, wie sie nun mal vorkomme im Wandel der Zeiten. Und was überhaupt „rechts“ bedeute, schließlich sei rechts nicht gleich rechts, da gebe es doch etliche Abstufungen.

Zum Beispiel die, ob man die in Frage stehenden „Rechten“ nicht schlichtweg braucht, um wieder ins Amt gewählt zu werden. So wie unsere EU-Uschi Frau Meloni. die Schwester von den „Brüdern Italiens“. Auch nicht neu, mit der war Frau von der Leyen ja schon mal in Sachen Migration unterwegs und EVP-Chef Weber hat auch schon vorgelegt nach seinen Meloni-Besuchen: „Bei Europa konstruktiv, steht an der Seite der Ukraine und beim Rechtsstaat gibt es in Italien keine Probleme.“ Supi, check, nehmen wir! Keine Überraschung.

Und in Deutschland? Ja, klar, das tut schon weh: AfD im Osten auf Platz eins, bundesweit zweite Stelle – aua! Aber ist doch eher so eine Art Phantomschmerz, oder? Wir wussten doch auch schon vor den Wahlen vom bevorstehenden Siegeszug der Weidels und Höckes. Sicher, schmerzt natürlich trotzdem nochmal doppelt, wenn man sich das siegestrunkene blaue Spitzenduo dann im Fernsehen anschauen muss. Aber der Fuß, auf dem, wie wir immer dachten, dann letztlich unsere Demokratie ein sicheres Standbein hätte, ist halt doch schon länger ab. Nur manchmal zuckt’s eben noch ein bisschen in den Zehen, beim Humpeln.

Trotz allem, trotz der Übernahme etlicher AfD-Themen in die Wahlprogramme der sogenannten „demokratischen Parteien“, trotz Skandalen um die Spitzenkandidaten der sogenannten „Alternative“ dazu, trotz Höckes Fascho-Sprüchen, trotz Sylt-Grölereien und Remigrations-Plänen, trotz alledem und alledem: Ein rundes Viertel der deutschen Bevölkerung findet die braune Soße schmackhaft. Aber natürlich: Das sind nicht alles Rechte, Faschisten gar! Das sind tief verunsicherte Bürgerinnen und Bürger, deren Nöte und Ängste wir ernst nehmen sollten. Ja, vielleicht.

Aber vielleicht sollten wir sie auch mal als Wähler:innen ernst nehmen, die eine Entscheidung getroffen haben? Wer am 9.Juni seine oder ihre Stimme der AfD gegeben hat, hat doch gewusst, was und wen er da wählt, oder? Nicht zu wenige beispielsweise den Herrn Krah nicht trotz seiner Entgleisungen, sondern wegen? Und was um alle Welt ist mit den Jungwählern los? Reicht es tatsächlich, auf TikTok dümmliche Botschaften zu verbreiten, Jungmännern in Hormonnöten einzureden, sie müssten nur „rechts“ sein, dann klappe es auch mit der Nachbarin, und Animé-Figuren platte Parteislogans in die Strichmünder zu legen? Hauptsache kurz, bunt und im Hochformat?

Vielleicht hat die PISA-Studie ja doch recht damit, dass das schlechte Abschneiden der Schüler:innen zu großen Teilen an der exzessiven Nutzung ihrer smartphones liege. Und unsere Sechzehn- bis Zwanzigjährigen haben nur noch die Aufmerksamkeitsspanne von Dosentomaten? Liebe Junge, wacht auf!

Meine Nachbarin Barscheck droht schon mit einem eigenen TikTok-Auftritt, bei dem sie das gesamte Parteiprogramm der AfD in 45-Sekunden-Häppchen vorlesen will. Im Notfall würde sie sogar dazu tanzen. Liebe junge Menschen, das könnt ihr doch nicht wollen!


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 14.06.2024 und in "Der Morgen" am 15.06.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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