?Geisterkandidaten?

„Geisterkandidaten“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 24.05.2024 16:45 Uhr

Nr. 989

Nicht dass Sie denken, ich hätte mir jetzt auch noch einen Schwurbelvirus eingefangen. Irgend so einen esomäßig raunenden Verschwörungs-Parasiten. Aber in diesem Falle bin ich mir sicher: Es gibt sie. Wirklich. Und: Sie sind mitten unter uns. Und dass wir sie nicht sehen und nicht hören und auch nicht mehr von ihnen lesen dürfen, ist nichts weiter als ein Beweis für die Geheimhaltungs-Maschinerie, die uns dumpf und unwissend halten soll. Sie wissen nicht, wovon ich spreche? Natürlich nicht. Aber ich weiß es und ich werde es Ihnen sagen!

Geisterkandidaten wollen Ihre Stimme bei der bevorstehenden Europawahl. Man kennt ihre Namen – Maximilian Krah und Petr Bystron – aber zu sehen sind sie nicht mehr. Auf keiner Wahlkampfveranstaltung, keiner Talkshow, keinem Plakat. Aber trotzdem: Wenn einer oder eine am 9.Juni in aller Unschuld, aus Wut, aus Trotz, aus Angst oder weil der Lieblingsonkel bei der Waffen-SS war und immer so schöne Geschichten erzählt hat, die AfD wählt, schwupp! Wie aus dem Nichts erscheint einer der beiden Schreckensgestalten aus dem braunen Gruselkabinett im EU-Parlament und geistert dort weitere fünf Jahre durch Flure, Büros, Sitzungsräume und die Kantine. Who you gonna call?

Wer bis zum festgelegten Stichtag auf der Wahlliste steht, bleibt dort. Selbst wenn er sich von den Russen hat bestechen lassen, chinesische Spione beschäftigt oder öffentlich verkündet, er werde „nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trägt, automatisch ein Verbrecher ist“. Bleibt Kandidat, Ausnahmen gelten nur, wenn er rechtskräftig zu einer längeren Haftstrafe verurteilt wird oder stirbt. Ersteres steht nicht zu hoffen – zumindest nicht rechtzeitig – und letzteres ist kaum zu befürchten. Es sei denn, die alte Nebelkrahe, der rechtsradikale Krahwall-Bruder reißt sich vor Wut über das Unrecht, dass man ihm allenthalben antut, selbst mitten entzwei. Schöner Gedanke – aber eben ein Märchen. Und wenn er nicht gestorben ist, krahkelt er eben weiter.

Jaa, ich weiß, Namenswitze sind eigentlich Tabu. Aber hier darf ich das, weil der Mad Max der AfD selber so ein geiler Wortspieler ist: Seine regelmäßige Kolumne in einem rechten Internet-Magazin betitelt er mit „Hier kräht der Krah“. Und damit sind doch wohl alle Geschmacksgrenzen weit offen.

Da kann der zweite Spitzenrechte nicht ganz mithalten, Petr Bystron ist ein ehrenwerter Name. Wenn man sich schon einen Lebenslauf passend zurecht gelogen hat, in jedem braunen Sumpf, der am Wegesrand dümpelt, ein Vollbad nimmt und jetzt auch noch vom Bundestag frisch entimmunisiert einer Anklage wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche entgegensieht. Ehrenwert. Und da ist auch nix Lustiges dran.

Was reg ich mich eigentlich auf, fragen Sie sich vielleicht? Die AfD hat die bösen Buben doch selbst aus dem Verkehr gezogen. Ja, schon. Aber nicht etwa wegen ihrer Nazi-Haltung und den entsprechenden Sprüchen. Der wildgewordene Fascho-TikToker Krah hat schon 2019 in Sachsen gesagt: „Wir schießen den Weg frei. Es gibt nur uns – ansonsten geht alles den Bach runter.“ War offenbar okay für die Partei. Und sein Kollege Bystron hat damals dem Herrn Gauland bei dessen Pöbelei gegen die SPD-Abgeordnete Aydan Özoğuz inbrünstig beigepflichtet: „Solche Menschen müssen wir selbstverständlich entsorgen!“ Fanden Weidel und Co prima. Also bitte:Sowas nicht wählen, sagt meine Nachbarin Barscheck. Geisterkandidaten sind wie Geisterfahrer: Geht in jedem Fall übel aus, wenn sie einem begegnen. Krahtastrophal, möchte man sagen.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 24.05.2024 und in "Der Morgen" am 25.05.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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