Müde, schlapp und antriebslos: Was bei einer Winterdepression helfen kann
Der Blick aus dem Fenster ist im Herbst und Winter oft ernüchternd: Es ist grau und trostlos. Das macht auch was in unserem Inneren – viele Menschen fühlen sich ermattet und ziehen sich zurück. Eine Oberärztin an der Uniklinik Homburg erklärt, warum das so ist und wie wir trotzdem gut durch die dunkle Jahreszeit kommen.
Die Tage sind kürzer, das Wetter meist kalt und trist: Die dunkle Jahreszeit schlägt vielen Menschen aufs Gemüt. Daraus kann sich sogar eine saisonal bedingte Depression entwickeln, besser bekannt als "Winterdepression".
"Von einer Winterdepression spricht man, wenn sich Symptome einer depressiven Episode ausschließlich und wiederholt zur dunklen Jahreszeit, das heißt im Herbst und Winter, zeigen und mit Beginn des Frühlings allmählich wieder abklingen", erklärt die Oberärztin Dr. Verena Keller vom Universitätsklinikum des Saarlandes.
Müdigkeit, Antriebslosigkeit, mehr Appetit
Typische Symptome seien anhaltende depressive Verstimmungen, Antriebslosigkeit und Interessenverlust, sozialer Rückzug bis hin zu Isolation. Dann treten für eine klassische Depression aber auch eher atypische Symptome wie ein verstärktes Verlangen nach kohlenhydratreicher Ernährung bzw. generell Heißhunger und eine Gewichtszunahme auf. "Oftmals schlafen Betroffene auch mehr als sonst."
Laut dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Professor Ulrich Hegerl, könnten die negativen Gefühle dadurch verstärkt werden, dass man zu lange schläft oder zu viel Zeit im Bett verbringt. "Das macht viele Menschen träge und drückt die Stimmung." Hinzu komme, dass viele im Winter tendenziell melancholischer seien. "Vielleicht lassen sie das Jahr Revue passieren und sind nachdenklicher."
Mehr Melatonin, weniger Serotonin
Studien zufolge sind jüngere Menschen, vor allem weibliche, zwischen 18 und 30 Jahren häufiger von einer Winterdepression betroffen, sagt Keller. "Und es kommt auf den Wohnort an: Je weiter nördlich, desto höher ist das Risiko."
Das hängt mit dem Lichtmangel infolge der Zeitverschiebung zusammen. Dieser verändert nämlich den Hormonhaushalt – die innere Uhr kommt aus dem Takt. "Der Körper bekommt zum einen weniger UV-A- und UV-B-Strahlen ab, wodurch weniger Serotonin, Dopamin und Noradrenalin gebildet werden", erklärt Keller. Bei allen dreien handelt es sich um Glückshormone.
Zum anderen werde das Schlafhormon Melatonin durch das frühe Einsetzen der Dunkelheit entsprechend früher und auch vermehrt ausgeschüttet – dafür greift der Körper allerdings auf Serotonin zurück, das Glückshormon wird nämlich in das Schlafhormon umgewandelt. "Die Folge: Der Serotonin-Spiegel im Blutspiegel sinkt weiter. Wir sind also früher müde und antriebslos, traurig, depressiv."
Licht, Bewegung und richtige Ernährung können helfen
Was können Betroffene tun? Licht und Bewegung draußen sind ein wichtiger Baustein. "Ich würde in jedem Fall tägliche Bewegung an der frischen Luft empfehlen. Dafür reicht ein ausgiebiger Spaziergang. Sport, wie beispielsweise Joggen, ist natürlich noch besser", so Keller. Zusätzlich könnten Betroffene über eine Lichttherapie nachdenken.
Bei einer Lichttherapie kommen spezielle Lampen mit sehr hellem Licht, also mindestens 2500 Lux, täglich für etwa 30 bis 60 Minuten immer etwa zur gleichen Tageszeit zum Einsatz. Wichtig dabei ist, dass alle paar Sekunden Richtung Lichtquelle geschaut wird. "Das kann die Symptome nachgewiesen bessern", sagt Keller.
Eine ausgewogene Ernährung kann darüber hinaus dazu beitragen, drei wichtige Ziele zu erreichen: die Bereitstellung von Bausteinen für Serotonin, die Ausbalancierung unserer Vitaminspiegel, insbesondere von Vitamin D, und die Förderung eines gesunden Mikrobioms. Keller empfiehlt dabei Lebensmittel, die reich an Vitamin D, Vitamin B, Omega 3-Fettsäuren, Magnesium und der Aminosäure Tryptophan sind. "Aus Tryptophan entsteht im Körper Serotonin."
Weihnachtsgebäck kann Stimmung aufhellen
Auf dem Speiseplan sollten dann beispielsweise viel fetter Fisch, Spinat, Pilze, Vollkornprodukte, Gemüse, Sojabohnen, Samen, Hülsenfrüchte, Nüsse, Kerne Trockenfrüchte etc. stehen. Auch der hohe Anteil von Kakao in dunkler Schokolade könne stimmungsaufhellend und anregend wirken.
Zudem gebe es eine Reihe von Kräutern und Gewürzen, die einen ähnlichen Effekt hätten. Die in Nelken, Zimt, Sternanis und Kardamom enthaltenen ätherischen Stoffe, die traditionell auch ihre Hochzeit in der Weihnachtszeit haben, können beispielsweise antidepressiv wirken. Anscheinend wissen wir hier also instinktiv, was uns in der dunklen Jahreszeit guttut, Stichwort: Weihnachtsbäckerei.
"Die Finger sollte man dagegen von zu viel industriellem Zucker lassen – zu viel Schoko-Nikoläuse verstärken die Stimmungsschwankungen, Müdigkeit und Antriebslosigkeit", sagt Keller.
Wann zum Arzt?
Ob es unbedingt Nahrungsergänzungsmittel braucht, etwa künstliches Vitamin D, hält Keller für fraglich. "Dieses Thema ist in der Medizin kontrovers diskutiert." Wer substituieren wolle, sollte in jedem Fall Rücksprache mit seinem Arzt bzw. seiner Ärztin halten, um zu klären, ob überhaupt Bedarf besteht. Ansonsten könne eine Überdosierung drohen. Zudem können Nahrungsergänzungsmittel in Wechselwirkung mit Medikamenten treten.
Halten die Symptome über mehr als zwei Wochen kontinuierlich an, verstärken sie sich oder es kommen weitere – wie Hoffnungslosigkeit, Angst und unbegründete Schuldgefühle oder gar Suizidgedanken – hinzu, sollte professionelle Hilfe aufgesucht werden. "Dann reichen einfache Hausmittel nicht mehr aus", mahnt Keller.