Eine junge Dame probiert Kleidungsstücke in einem Second-Hand-Shop aus. (Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen)

Wie nachhaltig ist Vintage-Kleidung?

Lisa Christl   15.09.2023 | 07:14 Uhr

Hawaiihemden, alte Trainingsanzüge oder Levi’s Shorts: Das Vintage-Geschäft boomt. Doch ist Secondhandware wirklich nachhaltig und sozialverträglich?

Mancher scheint sich beim Anblick der heutigen Mode in eine Zeitkapsel versetzt. Gerade die 90er Jahre feiern ihr Comeback. In Modehäusern kann man Neuwaren im Vintage-Look kaufen. Wer wirklich Retro sein will, kauft die Mode aus zweiter Hand –englisch „Secondhand“. Ein Trend, der erfolgreiche Geschäftsmodelle hervorgebracht hat.

Das Potenzial der steigenden Nachfrage von Secondhandware hat zum Beispiel die Vintage-Kette VinoKilo erkannt. „Als wir 2016 angefangen haben, gab es die Idee in Deutschland so gut wie gar nicht “, erzählt Shadi, Veranstaltungsmanager für Vinokilo. „Ein paar Jahre später wurde Vintage immer mehr gehyped und wir hatten die Idee, ein Event daraus zu machen.“

Bei diesen Events legen DJs auf, Besucher können sich Tattoos stechen lassen oder Bands zuhören – und daneben Vintage-Klamotten kaufen. Damit tourt VinoKilo mittlerweile europaweit herum. An diesem Samstag auch in Saarbrücken.

Günstige Secondhandmode war gestern

Dort findet man ein großes Sortiment an Originalteilen. Aber mit miefiger Oma-Ästhetik hat das dann nichts mehr zu tun. Zudem sind die Trendteile sorgfältig vorsortiert.

Richtig günstig ist das dann allerdings nicht mehr – hier zahlt man nach Gewicht. 50 Euro pro Kilo. Eine gebrauchte Jeansjacke gibt es demnach für etwa 25 Euro. „Das kann nicht jeder bezahlen“, sagt Sonja Walke. Sie schreibt in ihrem Modeblog „Tiny Green Foodsteps“ über Nachhaltigkeit und Fair Fashion.

Secondhand und Nachhaltigkeit?

Dabei ist der attraktive Preis einer der Haupttreiber für Secondhand, wie aus einer  aktuellen Umfrage von der Wirtschaftsprüfergesellschaft PwC hervorgeht. Demnach hat gut jeder zweite Deutsche bereits gebrauchte Kleidung gekauft. Bei der Generation Z sind es knapp zwei Drittel. Auch ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit spiele eine Rolle.

Aber auch da müsse man genau hinschauen, kritisiert Modebloggerin Sonja Walke. „Ich würde mir wünschen, dass Leute verstehen, dass Secondhand nicht unbedingt die nachhaltigere Variante ist“, sagt die 24-Jährige. Man solle hinterfragen, unter welchen Bedingungen die Klamotten sortiert wurden und was auch die Kommerzialisierung von Vintagekleidung bedeutet. Denn Angebot und Nachfrage steigen enorm.

Das Geschäft mit den gebrauchten Kleidern läuft. Hatte Secondhand-Mode 2014 noch einen Marktanteil von fünf Prozent sind es inzwischen knapp über zehn Prozent. Die Unternehmensberatung KPMG schätzt, dass Secondhand bis 2030 sogar einen Marktanteil von 20 Prozent in der Modebranche erreichen könnte.

Secondhand einmal um die Welt

VinoKilo hat den Vintage-Trend recht früh erkannt. Der Fokus bei VinoKilo liegt ganz klar auf einer hippen, jungen Zielgruppe, und exakt so ist die Kleidung vorsortiert. Ein enormer Selektionsprozess – woran Sonjas weitere Kritik anschließt: „Mich stört einfach, dass ich bei vielen Läden nicht weiß, wo es herkommt.“

Denn man wisse dort nicht, ob es von Kunden direkt abgegeben wurde, die Ware aus derselben Stadt komme oder es in Kanada in einen Altkleidercontainer verschifft, in den Niederlanden sortiert und dann in Secondhand-Läden in Europa verteilt wurde. Das mache einen Unterschied, meint die 24-Jährige.

VinoKilo nimmt keine privaten Kleiderspenden an, sondern bezieht sie von Großhändlern. Doch woher jedes einzelne Stück komme, wisse Sadhi zum Beispiel nicht. „Wir wissen, dass es aus der ganzen Welt ist, viel aus den Vereinigten Staaten. Wir haben einen Händler, der die Kleidung für uns sortiert und Stück für Stück da durchgeht und die Kleidung in bestimmte Kategorien und Qualitätsgrade sortiert.“

Der Kreislauf der Altkleider

Anders als bei VinoKilo spielen für die Diakonie Saar die privaten Kleiderspenden noch eine große Rolle. Sie erhält nach eigenen Angaben im Jahr etwa 25 Tonnen Spenden in ihren Kaufhäusern und Sammelcontainern. Die Qualität sei aber abnehmend, berichtet Andreas Jenal, Bereichsleiter in der Diakonie Saar. „Weniger Naturfasern, häufigere Mängel. Eine Konsequenz von Fast Fashion“, so Jenal.

Überschüssige oder nicht mehr zum Wiederverkauf geeignete Kleidung wird an eine sozial engagierte Textilverwertung weitergegeben oder zu Taschen genäht, erzählt Jenal. Eine Konkurrenz der sozialen Altkleiderverwertung mit großen Secondhand-Händlern wie VinoKilo sieht Jenal übrigens nicht. „Ich bin ja froh für jede Sache, die wiederverwendet wird.“


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