Auch im Saarland immer mehr Gewalt gegen Lehrer
Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer hat nach einer Untersuchung des Verbands Bildung und Erziehung bundesweit zugenommen. 60 Prozent der befragten Schulleitungen gehen davon aus. Auch der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband ist der Ansicht – und er sieht das Kultusministerium in der Pflicht.
Gewalt gegen Lehrkräfte ist nach Einschätzung von Schulleitungen und den Lehrerinnen und Lehrern selbst ein zunehmendes Problem, auch im Saarland. Nach einer repräsentativen Forsa-Befragung im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) gaben 60 Prozent der befragten Schulleitungen an, dass körperliche und psychische Gewalt an ihrer Schule in den vergangenen fünf Jahren eher zugenommen hat. Einen Rückgang nahmen nur vier Prozent war.
Lehrerverband: Kinder rasten häufiger aus
Viele Schulleitungen berichteten in der Umfrage von Fällen, bei denen Lehrkräfte beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden. 65 Prozent konnten sich an einen entsprechenden Fall in den vergangenen fünf Jahren erinnern. An 36 Prozent aller Schulen wurden Lehrkräfte über das Internet bedroht, an 35 Prozent sogar körperlich angegriffen.
Zwar hat keine saarländische Schule an der Umfrage teilgenommen, aber der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) sieht die Zahlen als auch für das Saarland repräsentativ an. So häuften sich etwa an den Grundschulen die Fälle psychischer Gewalt gegen Lehrkräfte seitens der Eltern. Kinder rasteten häufiger als früher aus.
Förderschulen besonders stark betroffen
Auch an den Gemeinschaftsschulen seien Lehrkräfte häufiger durch physische und psychische Übergriffe von Schülern sowie von psychischer Gewalt durch Eltern betroffen.
Besonders an den Förderschulen rasteten Schüler oft aus, was durch Raumnot und den Personalmangel noch verschärft werde. „Es lässt sich für sämtliche Schulen und Schulformen festhalten, dass die in den letzten Jahren angestiegenen Zahlen auf einem konstant hohen Niveau geblieben sind“, teilte der Verband auf SR-Anfrage mit.
Zudem hätten die Förderschulen mit den stark steigenden Schülerzahlen und den besonderen Voraussetzungen dieser Schüler zu kämpfen. Immer mehr seien mit dem schulischen Setting überfordert. Sie bräuchten eher ein therapeutisches als ein pädagogisches Angebot.
Weniger Empathiefähigkeit und Respekt
Als Grund für die Übergriffe sieht der SLLV, dass sich das soziale Klima in den vergangenen Jahren deutlich verschärft hat. „Das soziale Miteinander wird zunehmend fragiler, die Empathiefähigkeit und die Toleranz gegenüber Mehrdeutigkeiten nehmen bei vielen Kindern, Jugendlichen und Eltern spürbar ab, und Konflikte eskalieren häufiger und schneller.“
Gleichzeitig gehe der Respekt gegenüber schulischen Autoritäten zurück – auch verschärft seit der Corona-Pandemie.
Ministerium soll Vorfälle dokumentieren
Von der Politik erwartet der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband, dass Gewalt gegen Lehrkräfte kein Tabuthema sein darf. Vorfälle müssten vom Kultusministerium dokumentiert und Statistiken veröffentlicht werden. Betroffene müssten die volle Unterstützung des Ministeriums erfahren, von psychologischer Betreuung bis hin zu juristischem Beistand. Das Thema Gewalt müsse auch in der Lehrkräftebildung berücksichtigt werden.
Außerdem brauche es eine größere Unterstützung der Schulen durch pädagogische Assistenzsysteme und den flächendeckenden Einsatz psychologisch geschulter Fachkräfte und Schulsozialarbeiter. Nicht zuletzt brauche es mehr Flexibilität, freie Gestaltungsräume und vor allem mehr Angebote und Zeit für die Schulen, um Gewaltprävention, Werteerziehung und Medienbildung leisten zu können.
Gemeinschafts- und Förderlehrkräfte fordern Politik zum Handeln auf
Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Gemeinschafts- und Förderschulen im Saarland (Verband Reale Bildung) teilte mit, seit Jahren auf das Problem aufmerksam zu machen. Die Vorsitzende Karen Claassen sagte, "Gewaltvorfälle sind die Symptome einer sich verändernden Gesellschaft.“
Die Politik müsse die Grundlagen dafür schaffen, dass das gesellschaftliche Zusammenleben auf Werten wie Respekt, gegenseitiger Achtung und Anerkennung, Leistungsbereitschaft und Empathie beruhe.
Über dieses Thema haben auch die SR info Nachrichten im Radio vom 26.01.2025 berichtet.