"Industriestrompreis nur für zukunftsfähige Unternehmen"
Soll die Industrie Strom günstiger bekommen? Darüber diskutiert derzeit die Politik in Deutschland und dem Saarland. Wirtschaftswissenschaftler Professor Uwe Leprich sagt im SR-Interview: Nicht alle Industrien sollten auf die Art subventioniert werden - sondern nur die, die auch eine Zukunft in Deutschland hätten.
In Deutschland wird derzeit diskutiert, ob große Industriebetriebe, die viel Strom verbrauchen, zumindest eine Zeit lang ihren Strom günstiger bekommen sollen.
Doch die Politik ist sich nicht einig: Bundeskanzler Olaf Scholz ist gegen eine dauerhafte Subventionierung der Industrie auf diese Art, sieht sie nur als Übergangslösung. Seine SPD-Parteikollegin Anke Rehlinger, die Ministerpräsidentin des Saarlandes, befürwortet ihn. Auch der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck möchte den Industriestrompreis einführen, um die Wirtschaft zu entlasten.
Interview
SR 3: Herr Leprich, was halten sie vom Industriestrompreis?
Uwe Leprich: Zum einen ist die aktuelle Diskussion ein Eingeständnis, dass man sich als Industrie im Grunde nicht auf den Strommarkt verlassen kann. Letztes Jahr hieß es ja noch, der Strommarkt funktioniert. Die Diskussion jetzt zeigt, das ist nicht so. Die Industrie braucht verlässliche Rahmenbedingungen.
Und der zweite Punkt ist, dass wir durchaus jetzt Industriepolitik betreiben wollen. Das war lange Zeit ja verpönt in Deutschland, weil man gesagt hat, die Märkte richten das. Das sind sicherlich zwei wichtige Erkenntnisse.
Ansonsten ist die Frage, wer profitiert vom Industriestrompreis und wer finanziert ihn? Das sind die beiden Schlüsselfragen, die noch nicht so richtig beantwortet sind.
SR 3: Die einen sagen, die Wettbewerbsfähigkeit wird gesichert. Arbeitsplätze werden gesichert. Die anderen sagen, wie können der Industrie nicht den billigen Strom geben und die Steuerzahler müssen die Differenz zahlen. Was meinen Sie?
Uwe Leprich: Ich denke, die Unternehmen, die langfristig in Deutschland wettbewerbsfähig sind, denen muss man helfen, sonst sind die weg. Die Frage ist aber: Wer ist denn langfristig wettbewerbsfähig?
Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Wir haben die Aluminium-Industrie. Die ist extrem stromintensiv. Die brauchen sehr, sehr niedrige Strompreise. Die Frage ist: Können wir eine solche Industrie in Deutschland halten, wo klar ist: Wir werden niemals so niedrige Strompreise haben, wie beispielsweise in Kanada oder in Norwegen. Japan zum Beispiel hat das schon in den 80er Jahren entschieden und gesagt: Nein, Aluminium-Industrie hat bei uns keine Perspektive. Wir gehen mehr auf Verarbeitung von Aluminium und stellen da die Weichen.
Das heißt, diese Frage: Welche Industriebetriebe sind bei uns langfristig wettbewerbsfähig? Was ist bei uns, mit unseren höheren Energiepreisen - die wir immer haben werden, im Vergleich zu anderen Ländern? Das ist durchaus eine sehr schwierige Frage.
SR 3: Die saarländische Ministerpräsidentin Rehlinger spricht sich klar für einen Industriestrompreis aus. Wie überlebenswichtig wäre denn ein Industriestrompreis für das Saarland?
Uwe Leprich: Die Stahlindustrie ist schon sehr wichtig für das Saarland. Wir haben ja schon einen Strukturwandel im Bereich der Kohle verkraftet, wir haben die Automobilzuliefererer - irgendwo muss man Kernelemente einer Industrie erhalten wollen. Da ist Stahl im Saarland sehr wichtig. Die Stahlindustrie ist natürlich auch sehr energieintensiv. Die haben auch in der Vergangenheit schon eine Menge Unterstützung bekommen, das darf man nicht vergessen.
Wenn gesagt wird: Eine solche Branche brauchen wir in Zukunft, kann ich mir vorstellen, dass man sagt: Hier macht ein Industriestrompreis durchaus Sinn.
SR 3: Es gibt Stimmen, die sagen: Besser kein Industriestrompreis, setzt aber die Steuern für Unternehmen runter. Wäre das besser?
Uwe Leprich: Das ist ohnehin eine Diskussion, die schon vor etlichen Jahren geführt wurde, die ich für vernünftig halte. Wir haben eine Stromsteuer und die EU hat erlaubt, dass wir diese senken dürfen. Ich finde, das ist vernünftig. Denn die Stromsteuer als solche brauchen wir eigentlich nicht mehr. Wir haben den Emissionshandel, wir haben die CO2-Steuer. Ich denke, das geht in die richtige Richtung. Wir könnten die Stromsteuer auf das Minimum, das uns die EU erlaubt, senken.
SR 3: Was wäre, wenn es keine Einigung gäbe? Was wäre dann mit unserer Industrie?
Uwe Leprich: Das kann ich mir nicht vorstellen, dass man sich nicht einigen kann. Die Hütte brennt in Deutschland. Es gibt Unternehmen, die sind schon abgewandert. Es gibt andere Staaten wie die USA, die jetzt ganz massive Industriepolitik betreiben mit hohen Subventionen. Da können wir nicht einfach tatenlos zusehen und sagen: Das ist halt so. Da müssen wir schon dagegen halten.
Aber ich würde mir eine vernüftige Diskussion darüber wünschen, welche Unternehmen in den nächsten Monaten mit einem Industriestrompreis subventioniert werden müssen - und welche nicht? Ich finde, da mogelt sich der Wirtschaftsminister ein bisschen drumherum, indem er sagt, wir nehmen das, was wir bei dem EEG immer schon hatten. Ich finde, so einfach kann man es sich nicht machen.
Über dieses Thema hat auch die Sendung Guten Morgen auf SR 3 Saarlandwelle am 30.08.2023 berichtet.