Ein Junger Lehrer im Unterricht vor einer Oberstufenklasse (Foto: picture alliance / dpa | Julian Stratenschulte)

Lehrerverbände sehen neue Verordnung der Gemeinschaftsschulen eher positiv

Mit Informationen von Hannah Stumpf   06.12.2024 | 19:59 Uhr

Die kommenden, neuen Regeln für Gemeinschaftsschulen sorgen im Saarland weiter für Diskussionen. Eltern sind dafür, die Grünen fürchten ein sinkendes Niveau der Abschlüsse, CDU und Berufsschullehrer sehen den Leistungsgedanken insgesamt in Gefahr. Die betroffenen Lehrer begrüßen hingegen die Reform generell. Dennoch sehen auch sie Probleme, aber an völlig anderer Stelle.

Vor gut zwei Wochen hat Kultusministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) eine überarbeitete Fassung der Verordnung für die Gemeinschaftsschulen im Saarland vorgestellt. Sie soll die Ausbildung in den Schulen flexibler und berufsorientierter machen. Seither wird darüber diskutiert.

Haupenthal: automatische Versetzung nicht motivationsfördernd

Ein Großteil der Kritik an der neuen Verordnung für die Gemeinschaftsschulen entzündet sich daran, dass Schüler bis Klasse 8 automatisch versetzt werden. Das bemängeln etwa die Lehrerverbände von Wirtschafts- und Berufsschulen. Neu ist dieser Punkt allerdings nicht, er steht schon seit 2012 in der Verordnung. Lediglich die Versetzung in die 10. Klasse wurde jetzt neu vereinfacht.

Für die Kritiker der neuen Verordnung werden so die nachgewiesenen Leistungsprobleme der Gemeinschaftsschüler im Saarland nicht angegangen. Die neue Regelung bringe „keinen wirklich motivationsfördernden Aspekt mit sich“, sagte Bernd Haupenthal, Vorsitzender des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen. Diese fehlende Motivation schlage sich dann auch später in den Berufsschulen und in der beruflichen Ausbildung nieder.

Leistungen gehen zurück

Es gebe zwar durchaus noch leistungsbereite Schüler, so Haupenthal. Im Durchschnitt aber gingen die Leistungen gerade in Kernfächern wie Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen und Naturwissenschaften deutlich zurück.

Einen Grund dafür kann Haupenthal nicht nennen. Er will das auch nicht als Kritik an Gemeinschaftsschullehrern verstanden wissen. Diese leisteten einen sehr guten Job. Die Klassen an Berufsschulen seien aber sehr heterogen, was es für die Lehrer schwierig mache, dafür zu sorgen, dass die Ausbildungsziele erreicht werden.

Frühere Differenzierung möglich

Die Arbeitsgemeinschaft der Schulleiter an Gemeinschaftsschulen erachtet die neue Regelung dagegen als positiv. „Wir sehen zum Beispiel auch dadurch, dass die zweite Fremdsprache ab der Klasse 5 schon benotet wird, eine Aufwertung“, erklärte Sprecher André Müller.

Zudem könne man ab der 9. Klasse in den Naturwissenschaften früher nach oben differenzieren, so Müller weiter. „Das ist für uns eine klare Steigerung des Leistungsgedankens.“

Claassen sieht Zusammenlegung von Fächern als Problem

Für Karen Claassen, Vorsitzende des Verbandes Reale Bildung, setzt die Kritik an der falschen Stelle an. Für sie wird die Leistungsfähigkeit eher dadurch gefährdet, dass Fächer zusammengefasst werden sollen. Biologie, Chemie und Physik werden zu einem Fach: Naturwissenschaft. Erdkunde, Geschichte und Sozialkunde werden zu Gesellschaftswissenschaften verschmolzen.

„Das wären eigentlich sechs Fächer, die durch zwei Lehrkräfte unterrichtet werden, auf unterschiedlichen Levels.“ Das sei nicht machbar, so Claassen. „Wir haben Schüler, die Lerneinschränkungen haben und besonders gefördert werden müssen.“

Eine Lehrkraft müsse mit der neuen Verordnung drei Fächer auf mindestens drei, wenn nicht gar vier oder fünf Niveaustufen unterrichten. „Das ist nicht möglich, und die Schüler können dem Unterricht so auch nicht folgen, weil sie die Basiskompetenzen für einen projektorientierten Unterricht so nicht mitbringen.“

Kritik an gestreckte Prüfungen

In Zukunft soll es keine großen Abschlussprüfungen für den Haupt- und Realschulabschluss mehr geben. Stattdessen sieht die neue Verordnung mehrere Prüfungen vor, die über das ganze letzte Schuljahr gestreckt werden sollen.

Kritik kommt auch hieran aus den Berufsschulen. „Das gibt es nunmal in der beruflichen Welt nicht“, sagte Bernd Haupenthal. Auch eine Berufsausbildung ende mit einer Abschlussprüfung. „Das erwartet das Handwerk, das erwartet die Industrie.“

Müller: Kommunikations- und Teamfähigkeit werden abgeprüft

Die Landesschülervertretung begrüßt, dass der Prüfungsstress dadurch weniger wird. Die Kritik, unter anderem von der CDU und den Grünen, dass die Abschlüsse dadurch abgewertet würden, weisen die Schulleiter zurück.

„Künftig werden auch die Kommunikations- und Präsentationsfähigkeit der Schüler abgeprüft, und die Teamfähigkeit“, sagte André Müller. „Das sind alles Kompetenzen, die man in der modernen Arbeitswelt braucht. Das melden uns die Betriebe zurück, und daher finden wir diese Modernisierung auch einen sehr guten Schritt nach vorne.“

Positive Entwicklung

Die Verbände der an den Gemeinschaftsschulen tätigen Lehrer begrüßen die neue Flexibilität. Die Stundenanzahl für ein Fach etwa können die Schulen künftig frei über die gesamte Schulzeit verteilen. Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen sehen die neue Verordnung insgesamt eher positiv. Es brauche aber dringend mehr Fortbildungen und Ressourcen, um diese auch richtig umzusetzen und die Lehrkräfte zu entlasten.

Bernd Haupenthal vom Verband der Berufsschullehrer sieht bei den Gemeinschaftsschulen zu wenig Impulse seitens des Ministeriums für eine ordentliche Sprachförderung. Dabei sei gerade das Sprachniveau bei der Ausbildung ein großes Problem.

Über dieses Thema hat auch der aktuelle bericht vom 06.12.2024 berichtet.


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