Kosten für Schulbuchausleihe im Saarland enorm gestiegen
Bücher ausleihen statt sie selbst zu kaufen und dabei Geld sparen: Die Schulbuchausleihe soll Eltern finanziell entlasten. Doch die Kosten für die geliehenen Bücher sind in den vergangenen Jahren an weiterführenden Schulen im Saarland enorm gestiegen - zum Teil um bis zu 50 Prozent. GEW und die Landeselternvertretung beobachten diese Entwicklung mit Sorge. Scharfe Kritik an der Bildungsministerin kommt von der CDU.
Das nächste Schuljahr im Saarland wirft bereits seine Schatten voraus. Und damit laufen auch die Vorbereitungen für die alljährliche Schulbuchausleihe auf Hochtouren, die entsprechenden Schreiben mit den anstehenden Kosten wurden an die Eltern versandt. Durch die Teilnahme an der entgeltlichen Schulbuch- und Medienausleihe sollen die Eltern finanziell entlastet werden.
Eine Abfrage des SR an die Landkreise als Schulträger zeigt nun: Die Kosten für die Schulbuchausleihe an weiterführenden Schulen sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen.
Beispiel Gymnasium am Stadtgarten in Saarlouis: Hier betrug die Leihgebühr für das Schuljahr 20/21 noch 120 Euro. Für das kommende Jahr müssen Eltern nun 180 Euro bezahlen – ein Anstieg um 50 Prozent. Auch an der Saarlouiser Gemeinschaftsschule "In den Fliesen" ist ein Anstieg von 50 Prozent zu verzeichnen.
Kostensteigerung kein Einzelfall
Ein Einzelfall ist das nicht: Am Otto-Hahn-Gymnasium in Saarbrücken stiegen die Kosten von 120 Euro (Schuljahr 20/21) auf 175 Euro. Auch an der Gemeinschaftsschule Herrmann Neuberger in Völklingen ist der Anstieg mit 55 Euro in den vergangenen fünf Jahren sehr hoch. Die SR-Auswertung der von den Landkreisen übermittelten Zahlen aller Schulen zeigt: Eine Erhöhung der Kosten um 35 bis 45 Euro ist eher die Regel als die Ausnahme.
Das saarländische Bildungsministerium erklärte auf SR-Anfrage, die Kostensteigerung komme vor allem durch die Inflation und die zunehmende Beschaffung von ergänzenden Unterrichtsmaterialien und Arbeitsheften zustande. Der Regionalverband ergänzt: „Die gestiegenen Kosten über die Jahre hinweg betrachtet resultieren aus den allgemein gestiegenen Kosten für die gedruckten Werke selbst sowie gestiegene Lizenzkosten“, teilte ein Sprecher mit.
Die Hälfte der Bücher in digitaler Form
Aber wieso spielen in Zeiten von digitalen Büchern, die inzwischen häufig eingesetzt werden, die Druckkosten noch immer eine so große Rolle? Immerhin werden laut Bildungsministerium im Durchschnitt etwa 50 Prozent aller Bücher an den weiterführenden Schulen im Saarland als digitale Bücher beschafft.
Das Ministerium erklärt, dass digitale Bildungsmedien nicht zwangsläufig kostengünstiger als gedruckte Werke seien. "Tatsächlich sind sie in der Regel sogar teurer, da sie einen pädagogischen Mehrwert bieten, der über einfache PDF-Dateien hinausgeht. Dieser Mehrwert kann audiovisuelle Inhalte, adaptive Lernmaterialien und individuell anpassbare Inhalte umfassen, die zu höheren Beschaffungskosten führen", heißt es in der Antwort an den SR.
Große Unterschiede zwischen den Schulen
Beträchtlich ist auch der Unterschied bei den Kosten zwischen den Schulen in einem Landkreis. Während Eltern des Stadtgarten-Gymnasiums in Saarlouis 180 Euro im anstehenden Jahr zahlen müssen, schlägt die Leihe im Lebacher Johannes Keppler Gymnasium mit 140 Euro zu Buche. In der Gemeinschaftsschule Saarwellingen betragen die Kosten sogar nur 125 Euro.
Besonders eklatant ist der Unterschied an einigen Schulen im Regionalverband. Das Leihentgelt an der Völklinger Gemeinschaftsschule Hermann Neuberger beträgt ab 24/25 185 Euro, an der Gemeinschaftsschule Püttlingen hingegen nur 115 Euro. Dass die Preise von Schule zu Schule unterschiedlich sind, hänge von der individuellen Zusammensetzung des Schulmaterials ab, teilte ein Sprecher des Regionalverbandes mit.
GEW fordert Lernmittelfreiheit
Die Gewerkschaft für Erziehung und Bildung (GEW) im Saarland sieht die Entwicklung der Leihgebühren sehr kritisch. Die hohen Kosten stünden der Bildungsgerechtigkeit im Weg, sagte der GEW-Landesvorsitzende Max Hewer dem SR.
Insbesondere Familien mit geringerem Einkommen würden durch die stets steigenden Kosten belastet. „Wir fordern daher eine Lernmittelfreiheit, so wie sie in anderen Bundesländern existiert. Das würde auch bürokratische Vorgänge in den Schulen und speziell bei den Klassenlehrern reduzieren, da die Kontrolle der Zahlungen und der Kommunikation zwischen Behörden und Familien wegfallen würde. Es würde mehr echte Lernzeit entstehen", so Hewer.
Lernmittelfreiheit bedeutet: Schulbücher und Arbeitshefte werden unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Aktuell halten noch Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt an der klassischen Lernmittelfreiheit fest.
In welchen Bundesländern gibt es Lernmittelfreiheit?
Im Saarland, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt besteht keine Lernmittelfreiheit mehr. Hier müssen die Eltern den vollen Kostensatz selber tragen. In Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen besteht eine volle Lernmittelfreiheit, also der kostenfreie Zugang zu Lernmaterialien. In Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen gibt es eine eingeschränkte Lernmittelfreiheit. Das bedeutet: Dort müssen die Eltern einen Eigenanteil leisten, der aber gedeckelt ist. In Bayern müssen Eltern von Kindern auf weiterführenden Schulen etwa 40 Euro zahlen, in Brandenburg 30 Euro, in Nordrhein-Westfalen sind es 33 Prozent der Leihkosten.
"Belastung für Eltern mit geringem Einkommen"
Auch die Landeselternvertretung der Gymnasien im Saarland betrachtet die stetig steigenden Kosten für die Schulbuchausleihe mit Sorge. „Wir stellen fest, dass die finanzielle Situation bei Eltern und Erziehungsberechtigten deutlich angespannter ist als noch vor ein paar Jahren“, sagt die Vorsitzende Katja Oltmanns.
Vor allem Eltern mit geringem Einkommen, die keine Befreiung beantragen könnten, würden stark belastet. Ausgaben für Schulfahrten oder steigende Kosten für Schulmaterialien, weitere zu beschaffende Lektüren oder die Kostenübernahme bei bestimmten Schadensfällen der digitalen Endgeräte fielen ins Gewicht.
Wer kann sich im Saarland befreien lassen?
Eltern, die Arbeitslosengeld II, Sozial- oder Wohngeld empfangen, können sich von den vollen Leihgebühren befreien lassen. Auch Eltern, die Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind, können einen Antrag auf Befreiung stellen.
CDU sieht Schulbuchausleihe in Gefahr
Scharfe Kritik an Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) kommt von der CDU-Fraktion im Landtag. „Das Grundproblem ist, dass es immer noch kein Gesamtkonzept für die Medienausleihe gibt. Schon seit Jahren verschleppt die Ministerin dieses. Nach wie vor gibt es keine rechtliche Grundlage für die Medienausleihe. Es fehlt ein pädagogisches Konzept zum Einsatz von digitalen und analogen Medien ebenso wie ein Finanzierungskonzept“, sagte die bildungspolitische Sprecherin Jutta Schmitt-Lang.
Das Einzige, was die Ministerin bisher zugesagt habe, seien stabile Elternbeiträge. „Aber auch dieses Versprechen bricht sie jetzt mit Blick auf die zum Teil massiven Beitragssteigerungen. Wenn nicht bald die Gesamtfinanzierung für die Fortführung der digitalen Schulbuchausleihe geklärt wird, droht entweder das Aus oder weitere massive Anstiege der Elternbeiträge.“ Das sei absolut inakzeptabel, so Schmitt-Lang weiter.
Auch Lernmaterialien werden teurer
Trotz der stets steigenden Kosten wird die Schulbuchausleihe in den Schulen aber sehr gut angenommen. So erreicht der Regionalverband nach eigenen Angaben an den Gemeinschaftsschulen etwa eine Teilnahmequote von 98,4 Prozent und an den Gymnasien von 95,6 Prozent. Im Landkreis Saarlouis wurde im laufenden Schuljahr eine Quote von 97,59 Prozent, im Saarpfalz-Kreis sogar von 99 Prozent erreicht.
Neben den steigenden Kosten für die Schulbuchausleihe müssen Eltern auch bei den Lernmaterialien immer tiefer in die Tasche greifen. Schon zum Schulbeginn im vergangenen Jahr erhöhten sich zum Beispiel die Preise für Papierprodukte wie Schulhefte oder Zeichenblöcke im Juli 2023 um 13,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und damit stärker als die Verbraucherpreise insgesamt.
Über dieses Thema hat auch die SR info Rundschau am 03.06.2024 berichtet.