Kommentar: Vetter-Ansiedlung könnte Glücksfall für das Saarland sein

Vetter-Ansiedlung bei Ford: Endlich eine Erfolgsmeldung für Saarlouis!

Ein Kommentar von Wolfgang Wirtz-Nentwig   07.06.2024 | 06:30 Uhr

Die Zukunft des Ford-Geländes in Saarlouis war lange in der Schwebe. Am Donnerstag kam dann die überraschende Meldung: Ein Pharma-Unternehmen aus Baden-Württemberg will sich auf dem Röderberg ansiedeln und dort bis zu 2000 Arbeitsplätze schaffen. Ein Kommentar von Wolfgang Wirtz-Nentwig aus der SR-Wirtschaftsredaktion.

Endlich eine Erfolgsmeldung aus Saaarlouis! Dass der Wirtschaftsminister und sein Team am Donnerstag wirkten, wie von einem bösen Fluch erlöst, kann man gut nachvollziehen. Denn sie mussten beim Kampf um eine neue Perspektive für das Ford-Gelände viele Rückschläge hinnehmen und oft auch eine gehörige Portion Spott und Häme wegstecken.

Tiefe Wunden bei Ford-Mitarbeitern

Dass andererseits die Ford-Beschäftigten nicht gleich in Jubel ausgebrochen sind, ist genauso verständlich. Denn der zermürbende Kampf um ihre Arbeitsplätze, die Zukunftsängste, das schäbige Verhalten des Ford-Managements mit dem Hunger-Games-ähnlichen Ausspielen der Standorte gegeneinander, das alles hat tiefe Wunden hinterlassen, die erst einmal verheilen müssen.

Natürlich wäre es zu schön gewesen, wenn ein anderer Autohersteller das alte Werk nahtlos übernommen und gleich in den alten Ford-Hallen weitergemacht hätte. Aber das war am Ende nicht möglich, weil die Verunsicherung in der gesamten Branche im Moment so groß ist wie nie zuvor. Und es hätte ohnehin neu gebaut werden müssen, weil die Hallen aus den 70er Jahren nicht mehr zu den aktuellen Produktionsabläufen passen. Zu den künftigen schon gar nicht.

Familienunternehmen statt Subventions-Nomaden

Und nun kommt plötzlich ein Unternehmen aus der Medizin-Branche ins Spiel, mit dem niemand gerechnet hatte. Das ist kein Zufall, sondern der Erfolg hartnäckiger Kleinarbeit, um die Qualitäten des Standorts und der Menschen im Saarland draußen „im Reich“ immer wieder ins Bewusstsein zu rücken.

Tatsächlich könnte sich Vetter-Pharma aus Ravensburg für das Saarland als mehrfacher Glücksfall erweisen – und umgekehrt. Denn erstens ist es ein großer und grundsolider Mittelständler mit langer und erfolgreicher Geschichte. Mit gut 6300 Beschäftigten wird über eine Milliarde Euro Umsatz erwirtschaftet - und eine ordentliche Rendite.

Außerdem ist Vetter ein Familienunternehmen. Und die sind traditionell keine Subventions-Nomaden und Glücksritter. Und sie denken nicht in Börsenquartalen, sondern in Generationen. Last not least: Der Pharma-Markt ist nach wie vor ein Wachstumssegment, das gegen die Konjunkturschwankungen anderer Branchen weitgehend immun ist. Mit dieser Ansiedlung verbessert sich der Branchenmix im Saarland, und das trägt zur Stabilität der gesamten Großregion bei.

Saarland kann mit Standortvorteilen glänzen

Gleichzeitig kann Vetter von den saarländischen Vorzügen profitieren: Der zentralen Lage in Europa, den qualifizierten und motivierten Beschäftigten, die auch für Schichtarbeit zu gewinnen sind – und von den kurzen Wegen und dem familiären Umgang in diesem kleinen Land. Das passt einfach zusammen, und das waren auch wichtige Faktoren bei der Standort-Entscheidung.

Einziger Wermutstropfen: Der Bau einer so komplexen Fabrik und der dafür nötigen Infrastruktur wird mehrere Jahre dauern. Vermutlich wird die Produktion erst 2030 richtig anrollen. Andererseits: Wer ein solches Projekt plant und hunderte Millionen Euro eigenes Geld investiert, der sucht kein schnelles Abenteuer, sondern meint es wirklich ernst und „fürs Leben“. Und das ist das Beste, was dem Saarland aktuell passieren kann.

Über dieses Thema haben auch SR 3 Saarlandwelle am 07.06.2024 berichtet.


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