Stahlarbeiter kämpfen auf der Straße für ihre Zukunft
In Völklingen haben am Donnerstagabend Tausende Menschen für die Sicherung der Arbeitsplätze in der saarländischen Stahlindustrie demonstriert. Nach Polizeiangaben beteiligten sich mehr als 10.000 Menschen am Protest. Bereits am Vormittag waren rund 5000 Stahlarbeiter und Beschäftigte anderer Branchen in Dillingen auf die Straße gegangen.
Die saarländische Stahlindustrie und die Gewerkschaft IG Metall hatten für Donnerstag zum landesweiten Stahl-Aktionstag aufgerufen. Dem Aufruf waren nach Angaben der Veranstalter am Vormittag mehr als 5000 Menschen gefolgt – darunter Stahlarbeiter, aber auch Beschäftigte aus anderen Branchen.
Nach der Demonstration am Donnerstagvormittag in Dillingen, liefen die Stahlbeschäftigten dann in einem Sternmarsch in Völklingen von verschiedenen Punkten aus durch die Innenstadt zum Hindenburgplatz. Nach Polizeiangaben beteiligten sich mehr als 10.000 Menschen am Protest.
Ungewissheit seit Monaten
Hintergrund des Stahl-Aktionstages sind die fehlenden Förderzusagen für den Umbau der Stahlindustrie hin zu einer klimafreundlicheren Produktion.
Seit Monaten warte man nun insbesondere auf Zusagen des Bundeswirtschaftsministeriums, auch Brandbriefe der Arbeitnehmervertreter an den zuständigen Minister seien bisher unbeantwortet geblieben, heißt es. "Wenn nicht bald etwas passiert, ist die Transformation im Saarland hochgradig gefährdet. Es ist fünf vor zwölf", sagte Jörg Köhlinger, Bezirksleiter der IG Metall Mitte.
"Wer die Party bestellt hat, der muss sie auch bezahlen", rief der Stahl Holding-Vorstandsvorsitzende Stefan Rauber in Dillingen vor allem in Richtung Berlin. Es brauche Beamte, die den Mut hätten, die Förderbescheide auszustellen und zur Industrie stünden, sagte IG Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner.
Förderzusagen stehen aus
Im Dezember vergangenen Jahres hatten Saarstahl und Dillinger bekannt gegeben, dass rund 3,5 Milliarden Euro in den Umbau der Stahlindustrie investiert werden sollen. Dafür seien allerdings öffentliche Förderungen von Bund, Land und EU hin Höhe von rund 60 Prozent der Investitionskosten notwendig.
Ab 2027 soll die saarländische Stahlproduktion von Kohle und Koks, auf Strom beziehungsweise Wasserstoff umgestellt werden. Jährlich könnten so rund 4,9 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. "Da noch kein Förderbescheid aus Berlin und Brüssel eingetroffen ist, können notwendige Beschlüsse in den Aufsichtsräten nicht gefällt werden", so Lars Desgranges, erster Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen.
"Wir müssen mit den Anlagen fertig sein bis Mitte 2027. Das ist der Förderrahmen. Sind wir in dieser Zeit nicht fertig, werden die Fördergelder nicht ausgeschüttet", sagte der Betriebsratsvorsitzende von Dillinger, Michael Fischer, auf der Kundgebung am Odilienplatz.
Ministerpräsidentin sieht Ziel in Sicht
Die beiden konkurrierenden Stahlunternehmen Thyssenkrupp und Salzgitter haben ihre Förderzusagen bereits erhalten, hatten allerdings entsprechende Förderanträge auch früher gestellt.
"Der Sachverhalt ist komplex. Zudem muss man die Tatsache mit einbeziehen, dass die saarländischen Unternehmen den Antrag als Letztes eingereicht haben. Aber es ist jetzt auf der Zielgerade", betonte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) im Gespräch mit dem SR.
"Klarheit ist erforderlich, daran arbeiten jetzt alle, und wir werden diese Entscheidung auch sehr zeitnah haben." Es gehe um die Zukunft der Stahlindustrie und damit auch um die Zukunft des Landes.
Dass die Förderung nicht kommt und stattdessen nur auf Thyssenkrupp und Salzgitter gesetzt wird, ist laut Rehlinger "gar keine Überlegung, die in der Bundesrepublik und auch der Bundesregierung angestellt wird. Deshalb verbietet sich dazu auch jeder Gedanke."
Transformation wichtig für erneuerbare Energien
Die Transformation der Stahlindustrie hält die Ministerpräsidentin für wichtig – auch wenn an anderen Orten günstiger produziert werden kann. "Der eine Euro, der hier investiert wird, der schützt das Klima und den Arbeitsplatz gleichermaßen."
Die saarländische Stahlindustrie sei kein Subventionsbetrieb, den man stützen müsste. "Hier werden die innovativsten Produkte der Welt hergestellt, die wir wiederum auch brauchen, um an anderer Stelle erneuerbare Energien zu produzieren", so Rehlinger.
Signal nach Berlin und Brüssel
Der Aktionstag soll "ein deutliches Signal nach Berlin und nach Brüssel senden", sagte Stephan Ahr, Konzernbetriebsratsvorsitzender der Saarstahl AG, im SR-Interview.
Unterstützung erhält die Gewerkschaft bei dieser Forderung vom Verband der Saarhütten (VDS). Die saarländische Stahlindustrie befinde sich auf direktem Weg zur klimaneutralen Stahlherstellung. Allerdings benötige sie Unterstützung, sagte VDS-Präsident Heiko Maas.
"Uns läuft die Zeit davon. Wir brauchen jetzt schnelle Entscheidungen auf politischer Ebene, sei es bei der Einführung eines Brückenstrompreises oder bei der Förderung des Umbaus der saarländischen Stahlproduktion." Es gehe um mehr als ausschließlich die saarländische Stahlindustrie. Mit ihrer Transformation würden die Voraussetzungen geschaffen, um eine regionale und auch grenzüberschreitende Wasserstoffwirtschaft aufzubauen, ergänzte Maas.
Rückblick: Mahnwache im September
Ende September kamen bereits knapp 800 Stahlbeschäftigte nach mehreren Protestaktionen zu einer Kundgebung zusammen, um auf die Einführung eines subventionierten Industriestrompreises zu drängen. In der Saar-Stahlindustrie arbeiten rund 14.000 Menschen.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 19.10.2023 berichtet.