Nur 25 Prozent Frauenanteil in Saar-Kommunalparlamenten

Saarländische Kommunalparlamente sind vor allem männlich

Caroline Uhl / Niklas Resch / Katja Hackmann   20.06.2024 | 14:54 Uhr

In den Kommunalparlamenten im Saarland sind Frauen weiter deutlich in der Minderheit – sie besetzen nur rund jedes vierte Mandat. Mehr Frauen könnten aus Sicht einer Expertin für positive Auswirkungen sorgen.

Bei den Direktwahlen vor knapp zwei Wochen im Saarland war nur etwa jeder zehnte Bewerber eine Frau. Bei Spitzenämtern im Rathaus oder Landratsamt sind Frauen also deutlich unterrepräsentiert. Doch wie sieht es eigentlich in der Breite, in den Kommunalparlamenten aus?

Video [aktueller bericht, 20.06.2024, Länge: 4:07 Min.]
Auch nach der Wahl nur 25 Prozent Frauenanteil in Saar-Kommunalparlamenten

Da es dazu bisher noch keine Auswertung gab, hat der SR den Frauenanteil von Orts-, Gemeinde- und Stadträten sowie von Kreistagen analysiert – und zwar vor und nach der Wahl am 9. Juni. Insgesamt gibt es im Saarland derzeit 374 Kommunalparlamente mit insgesamt fast 5000 Mandaten. 

Saarländische Kommunalparlamente sind vor allem männlich
Audio [SR 3, Niklas Resch, 20.06.2024, Länge: 03:08 Min.]
Saarländische Kommunalparlamente sind vor allem männlich

Hauptergebnis: Deutlich weniger Frauen

Auch die Kommunalparlamente im Saarland sind deutlich von Männern dominiert, wenn auch weniger stark als bei den politischen Spitzenämtern. Insgesamt wird in Orts-, Gemeinde- und Stadträten sowie in Kreistagen nur etwa jedes vierte Mandat von einer Frau besetzt.

Die SR-Analyse hat ergeben: Der Frauenanteil lag in der vergangenen Wahlperiode (2019 – 2024) bei rund 25 Prozent. Nach der Wahl ist er leicht gestiegen – auf jetzt 27,5 Prozent.

Expertin: Frauen liefern wichtige Perspektiven

Wie ist das zu bewerten? Cécile Weidhofer beschäftigt sich seit Jahren mit der Gleichstellung von Frauen, besonders in der Kommunalpolitik. Die Direktorin der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) Berlin betont im SR-Interview, die leichte Steigerung sei grundsätzlich eine positive Entwicklung. Aber: „Nach wie vor sind Frauen in den kommunalen Vertretungen im Saarland unterrepräsentiert, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil“, so Weidhofer.

Frauen würden zwar nicht grundsätzlich bessere Politik machen, aber durchaus andere Perspektiven einbringen. So agierten sie meist konsensorientierter und sorgten für einen besseren Umgang untereinander. Das wirke sich in Räten mit hohem Frauenanteil positiv aus. „Dann verläuft die Zusammenarbeit zwischen den demokratischen Parteien und Gruppen auch kooperativer“, berichtet Weidhofer.

Frauen in saarländischen Stadt- und Gemeinderäten ab 2024

Ergebnisse auf Kommunalebene

Im Saarland gibt es auf kommunaler Ebene, also den Gemeinde- und Stadträten, große Unterschiede. An der Spitze liegt der SR-Analyse zufolge seit den Wahlen Saarbrücken mit einem Frauenanteil von 41,3 Prozent. Dahinter folgt Friedrichsthal mit 40,8 Prozent.

Besonders wenige Frauen sitzen dagegen in den Gemeinderäten von Losheim und Saarwellingen: Dort beträgt der Anteil der vor knapp zwei Wochen gewählten Kandidatinnen nur rund 6 Prozent. Dahinter folgt Marpingen mit 9,1 Prozent.

In der vergangenen Wahlperiode hatte Sulzbach noch den größten Frauenanteil (45,5 Prozent), jetzt liegt der Stadtrat auf Rang 3 im Saarland (39,4 Prozent).

Den niedrigsten Wert vor der Wahl hatte Wadern mit nur 3 Prozent, dahinter folgten Namborn (8,3 Prozent) und Losheim (9,1 Prozent).

Frauen in saarländischen Stadt- und Gemeinderäten von 2019 bis 2024

Große Spannbreite auf Ortsratsebene

Noch größer als bei den Gemeinde- und Stadträten ist die Spannweite auf Ortsratsebene. Vor der Wahl gab es von den 310 Ortsräten immerhin 25 Räte, in denen gar keine Frau saß, der Frauenanteil also bei 0 Prozent lag.

Den Spitzenwert erzielte dagegen der Ortsrat Blieskastel-Mitte mit einem Frauenanteil von 69,2 Prozent vor einer Reihe von Ortsräten mit einem Wert von 57,1 Prozent, wie etwa Wallerfangen-Gisingen oder Losheim-Niederlosheim.

Weil die Stadt Homburg die Zahl ihrer Räte erhöht hat, gibt es nun nach der Wahl etwas mehr Ortsräte, und zwar landesweit 316. In zwölf davon sitzt in dieser Legislaturperiode keine einzige Frau. Besonders groß ist der Frauenanteil dagegen in Blieskastel-Webenheim, Großrosseln-Naßweiler und Oberthal-Güdesweiler mit jeweils 66,6 Prozent.

„Frauen müssen gezielter angesprochen werden“

Auch wenn der Frauenanteil punktuell in einzelnen Räten hoch ist, ist generell noch viel Luft nach oben, betont EAF-Direktorin Weidhofer. Um mehr Frauen in die Kommunalpolitik zu bringen, sei an vielen Stellen ein Umdenken erforderlich. Häufig seien Frauen von den aktuellen Strukturen abgeschreckt.

Daher würden sie selten von sich aus den Schritt in die Kommunalpolitik wagen, auch wenn sie engagiert und politisch interessiert seien. Aus ihren Erfahrungen heraus betont Weidhofer: „Frauen müssen gezielt und persönlich angesprochen werden, am Besten an den Orten, wo sie sich eh schon aufhalten, wo sie schon aktiv sind. Das heißt berufliche Netzwerke, aber auch am Elternabend in der Schule, in der Kita, in Vereinen, oder in der Kirchengemeinde.“

Mentoring-Programme können helfen

Um mehr Frauen zu gewinnen, müssten die Parteien auch stärker darauf achten, wie die Lebensrealität sei. Denn nach wie vor würden Frauen die meiste Sorgearbeit tragen, etwa bei der Erziehung.

Cécile Weidhofer, Direktorin der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) Berlin (Foto: Bildschirmfotos Videotelefonat / SR)
Cécile Weidhofer, Direktorin der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) Berlin forscht seit Jahren zur Gleichstellung

Weidhofer verweist auch auf das Helene-Weber-Kolleg, ein parteiübergreifendes Netzwerk, um kommunalpolitisch aktive Frauen zu stärken. Dort würden auch Mentoring-Programme durchgeführt. Und viele Frauen, die daran teilnehmen, „werden auch gewählt“.

Das könnten nach Ansicht von Weidhöfer Schritte sein, um den auch im Saarland noch niedrigen Frauenanteil zu erhöhen – und so den Fokus etwa auf soziale und Bildungsthemen noch zu erhöhen.

So haben wir die Daten analysiert:

Die Daten zu den Kreistagen haben wir von den Internetseiten der Kreise beziehungsweise des Regionalverbands Saarbrücken abgerufen.

Die Daten zur Besetzung der Mandate von Städte-, Gemeinde- und Ortsräten haben wir bei den Kommunen direkt erfragt oder auf deren Internetseiten abgerufen.

Uns ging es darum, die unmittelbare Veränderung durch die Wahlen bestmöglich zu erfassen. Wir haben deshalb nach der Besetzung der Mandate unmittelbar vor der Wahl im Mai 2024 gefragt und nach der Besetzung der Mandate unmittelbar nach der Wahl, so wie sie laut aufgestellten Wahllisten vorgesehen war.

Dabei handelt es sich noch nicht um ein endgültiges Ergebnis. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden von den Kommunen angeschrieben und müssen innerhalb einer Frist mitteilen, ob sie das Mandat auch tatsächlich annehmen. Deshalb sind noch leichte Veränderungen möglich. Nach einer Einschätzung des Saarländischen Städte- und Gemeindetags waren diese Veränderungen in der Vergangenheit allerdings gering und eher vernachlässigbar.

Über dieses Thema berichtet auch die Region am Nachmittag auf SR 3 Saarlandwelle am 20.06.2024.


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