Ein Arzt schaut auf die elektronische Patientenakte (ePA) eines Patienten. (Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Kalaene)

Welches Risiko Daten zu psychischen Erkrankungen in der ePA bergen

Hannah Stumpf / Onlinefassung: Tabea Prünte   23.01.2025 | 06:34 Uhr

Die elektronische Patientenakte (ePA) soll Behandlungen verbessern – gleichzeitig steht sie wegen Befürchtungen um die Sicherheit der Daten auch in der Kritik. Insbesondere bei sensiblen Daten rund um psychische Diagnosen sind die Meinungen gespalten.

Alle wichtigen medizinischen Daten gesammelt an einem Ort – das ist die elektronische Patientenakte. Seit vergangener Woche wird sie in verschiedenen Regionen getestet, demnächst bekommen sie dann alle Patientinnen und Patienten deutschlandweit, es sei denn, sie haben aktiv bei ihrer Krankenkasse widersprochen.

Gespeichert sind dort auch Diagnosen zu psychischen Erkrankungen, etwa Depression oder Schizophrenie. Normalerweise sind diese Daten für alle behandelnden Ärzte sichtbar – das ist gerade in medizinischen Notfällen hilfreich. Aber auch für die Therapie sehen Psychologen und Psychiater große Vorteile, wenn sie mehr über die Vorgeschichte ihrer Patientinnen und Patienten wissen.

Video [aktueller bericht, 22.01.2025, Länge: 3:50 Min.]
Sicherheitsbedenken bei Daten zu psychischen Erkrankungen in der ePA

Vorteile und Risiken der ePA

„Alltag ist natürlich, dass die Patienten das nicht auswendig wissen und dass sie auch nicht alle Arztbriefe parat haben, dass man sich die mühsam anfordern muss und vieles im Verborgenen bleibt“, sagt etwa der Chefarzt der Psychiatrie der Sonnenberg-Klinik in Saarbrücken, Ulrich Seidl. Die ePA könnte hier Abhilfe schaffen.

Doch er sieht auch mögliche Risiken: Wenn jemand in der Vergangenheit als psychisch krank eingeschätzt wurde, könnten Ärztinnen und Ärzte bei anderen Behandlungen schneller dazu tendieren, eine körperliche Symptomatik psychosomatisch zu begründen. "Das haben wir ganz oft, dass da eine Stigmatisierung stattfindet", so Seidl.

IT-Sicherheitsexperten befürchten Datenlücken

Neben der potenziellen Stigmatisierung gibt es auch Sorgen vor Hacker-Angriffen. Im Dezember hat der Chaos Computer Club die elektronische Patientenakte gehackt. Die Sicherheitslücken, die dabei offengelegt wurden, sollen vor dem bundesweiten Start ausgebessert werden. Datenschutz-Aktivisten wie Manuel Atug kritisieren aber vor allem, dass durch die ePA jeder automatisch zum Datenspender wird. Ursachen für Sicherheitslücken würden nicht behoben, so die Kritik.

"Was ist mit diesen Grundfragestellungen der Selbstverantwortung, der Souveränität, was ist beispielsweise auch mit der Fragestellung, dass organisierte Kriminelle, dass Geheimdienste und andere staatliche Akteure vielleicht ein sehr hohes Interesse hätten, an diese Daten zu kommen?“, gibt der IT-Sicherheitsexperte Atug zu bedenken. Die Gefahr, dass die Daten missbraucht werden könnten, blende die Politik eher aus.

Er befürchtet, dass die Auswirkungen von Datenleaks mitunter tragische Konsequenzen haben könnten. "Wir haben schon in Finnland gesehen, dass die psychologischen Profile und Befunde und Informationen von Praxen sehr massiv abgegriffen und veröffentlicht wurden. Da haben sich teilweise Leute sogar das Leben genommen."

Daten in der App selbstständig verwalten

Komplette Therapieprotokolle wie bei dem Fall in Finnland landen in Deutschland nicht in der ePA, sondern nur ausgewählte Daten. Die Psychotherapeutenkammer des Saarlandes teilt zwar die Sicherheitsbedenken der Datenschützer, sieht aber auch die großen Vorteile der ePA. Patientinnen und Patienten sollten daher in der App selbstbestimmt verwalten, wer Zugriff auf die Daten hat und wer nicht.

"Wir sind gehalten, so die Vorgaben von der Regierung, gerade bei sensiblen Daten mit Patientin oder Patient Rücksprache zu halten und darauf hinzuweisen, dass sensible Daten herausgenommen werden können. Darüber müssen wir aufklären. Und so stelle ich es mir auch im Umgang mit der ePA vor: dass ich mit dem Patienten bespreche, was soll rein und was soll draußen bleiben", erklärt Psychiatrie-Chefarzt Seidl.

Patienten sollten selbst Vorteile und Risiken abwägen

Die elektronische Patientenakte kann die medizinische Behandlung verbessern – hundertprozentige Sicherheit für die Daten darin gibt es aber nicht. Menschen mit besonders sensiblen Daten sollten also abwägen, ob für sie die Vorteile oder die Risiken schwerer wiegen.

Über dieses Thema hat auch der "aktuelle bericht" im SR Fernsehen am 22.01.2025 berichtet.


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