Wie Politiker mit Hass-Stürmen mundtot gemacht werden sollen
Ein SR-Team hat etwa 1600 ehrenamtliche und Berufspolitiker im Saarland kontaktiert, rund 350 haben uns geantwortet. Die Hälfte von ihnen berichtet von Hass, Drohungen oder Gewalt. Anfeindungen kommen per E-Mail, Telefon oder Post. Manche erleben auch körperliche Angriffe. Aber der am häufigsten genannte „Tatort“ sind Internet und soziale Netzwerke.
Petra Berg, die für die SPD im Landtag sitzt, erntet auf Beiträge bei Facebook regelmäßig Beleidigungen. Ende September zum Beispiel: „Auch für Frau Berg ist in Guantanamo noch Platz!!“. Sie sagt, die Täter wollten sich im Internet sicherlich nicht austauschen, sondern Politiker persönlich treffen. „Es ist eine Form des Mundtotmachens, die mit diesem Hate Speech erreicht werden soll.“
Frauen werden sexualisiert angegriffen
Dass Frauen im Netz besonders herabwürdigend beleidigt und bedroht werden, ist vielfach belegt. Bei ihnen sind die Angriffe sehr schnell unter der Gürtellinie. Auch unsere Umfrage zeigt das. Nadine Schön zum Beispiel, CDU-Bundestagsabgeordnete aus St. Wendel, erlebt das immer wieder. Jüngstes Beispiel: (Zitat) „Eh du kleine CDU-Schlampe, Hochmut kommt vor dem Fall. Wir werden dich demnächst mal besuchen. Wir freuen uns schon. Bis bald.“
Für Anna-Lena von Hodenberg von der Organisation Hate Aid, die Opfer von digitaler Gewalt berät, ist das ein typisches Beispiel. Frauen würden auffällig oft sexualisiert angegriffen. „Frauen werden mit Vergewaltigung bedroht, mit Genitalverstümmelung bedroht“. Verbreitet sei auch die Methode, Fotos von Politikerinnen per Photoshop zu manipulieren: ihr Gesicht auf einen nackten Körper zu montieren und massenhaft zu verbreiten.
Problem: Hass-Wellen entstehen. Digitale Zivilcourage hilft!
Der Neunkircher Oberbürgermeister Jörg Aumann (SPD) sagt, ihn schockiere besonders, wie schnell sich in sozialen Netzwerken eine ganze Welle an Hass entwickle. „Wenn einer mal mit sowas anfängt, kommen fünf oder zehn andere direkt hinterher und klatschen Beifall und tragen mit dazu bei, dass sich das verstärkt.“ Er beobachte allerdings, dass sich in der jüngeren Vergangenheit auch immer mehr Menschen dann einmischen – und digital gegenhalten. „Das müsste noch ein bisschen stärker werden“, sagt Aumann.
Ziel: Politiker aus den sozialen Medien vertreiben
Manche saarländische Politikerinnen und Politiker berichten, sie mieden die sozialen Medien - wegen des aufgeheizten Klimas dort.
Das sei verständlich, aber auch ein Problem, sagt Anna-Lena von Hodenberg von der Organisation Hate Aid: „Der gesellschaftliche Diskurs heute findet auch auf den sozialen Medien, im Internet statt. Wenn Kommunalpolitikerinnen und Bürgermeister nicht im Internet unterwegs sind, dann finden sie in einem Teil der Gesellschaft nicht statt.“
Es sei wichtig, als Politikerin oder Politiker im Internet präsent zu sein, sich dort gut zu schützen und umsichtig zu verhalten, aber „nicht diese Räume denen zu überlassen, die nur pöbeln und Hass verbreiten“.
Opfer von Hass im Netz müssen besser geschützt werden!
In der Praxis halten viele Politikerinnen und Politiker schlimme Anfeindungen im Netz derzeit einfach aus. Einige berichten uns, dass sie sich zu kontroversen Themen nicht mehr so offen äußern. Fatal, sagt der Präsident des saarländischen Städte- und Gemeindetags, Hermann-Josef Schmidt: „Wenn man sich so angegriffen fühlt, wenn man sich quasi vogelfrei fühlt, dann führt das dazu, dass ich mein Engagement zurückfahre. Und dann stirbt lokale Demokratie, das müssen wir auf jeden Fall verhindern.“
Tatsächlich wird neuerdings einiges getan, um angefeindete Politikerinnen und Politiker besser zu schützen und zu unterstützen. So wurden etwa Hürden dafür gesenkt, dass die Staatsanwaltschaft anzeigen bearbeitet.
Über dieses Thema berichtet der SR in zahlreichen Hörfunk- und Fernsehsendungen.