Welche neuen Regeln für Abschiebungen geplant sind
Im Saarland sind in diesem Jahr bereits 111 Menschen abgeschoben worden. Künftig könnten die abgelehnten Asylbewerber schneller als bisher das Land verlassen müssen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein entsprechendes Maßnahmenpaket gebilligt. Kritiker bezweifeln aber den Nutzen.
Die Bundesregierung will die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber ohne Aufenthaltsrecht beschleunigen. Ende der vergangenen Woche hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Abschiebungen "im großen Stil" gefordert.
Am Mittwoch hat nun laut Regierungskreisen ein Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Bundeskabinett passiert. Darin sind Änderungen vorgesehen, die Abschiebungen erleichtern sollen. Geht es nach Kanzler Scholz, soll das Gesetz noch in diesem Jahr im Bundestag beschlossen werden.
Mehr Befugnisse für Polizei
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass die Polizei mehr Befugnisse für Durchsuchungen erhält. Neben dem Zimmer des Abschiebepflichtigen sollen die Beamten etwa in Gemeinschaftsunterkünften künftig auch weitere Räume durchsuchen dürfen.
Zudem dürfen Betroffene unter bestimmten Voraussetzungen auch nachts abgeholt werden. Das gilt etwa dann, wenn ein durch einen anderen Staat organisierter Abschiebeflug früh morgens startet.
Bislang darf die Wohnung zur Nachtzeit laut §58 Aufenthaltsgesetz nur betreten oder durchsucht werden, "wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird."
Darüber hinaus soll die Höchstdauer für das Ausreisegewahrsam ausgeweitet werden. Es soll von zehn auf 28 Tage erhöht werden. Das soll verhindern, das Abzuschiebende untertauchen können.
Strengere Regeln für Schleuser, Clanmitglieder, Straftäter und Gefährder
Im Gesetzentwurf sind zudem strengere Regeln für Schleuser und Clanmitglieder vorgesehen. Künftig soll ein "besonders schweres Ausweisungsinteresse" bestehen, wenn der Betroffene wegen Schleusung zu mindestens einem Jahr verurteilt ist. Zudem soll bereits bei Hilfeleistungen zur Schleusung ein "schweres Ausweisungsinteresse" bestehen.
Darüber hinaus soll es einen neuen Ausweisungstatbestand für organisierte Kriminalität geben. Ausländische Angehörige von Banden oder kriminellen Clans sollen damit unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung abgeschoben werden können.
Zuletzt soll auch die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern leichter werden. Bislang gilt ein besonders schweres Ausweisungsinteresse laut §54 des Aufenthaltsgesetzes unter anderem dann wenn der Betroffene "wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist".
Viel Kritik von Politik und Hilfsorganisationen
Sowohl an Scholz' Aussage als auch an dem Gesetzentwurf hatte es viel Kritik gegeben. Abgeordnete der Grünen bemängeln, dass die Neuregelungen unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte der betroffenen Menschen bedeuten.
Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl geht davon aus, dass verschärfte Abschiebungsregeln nicht dazu führen, dass nennenswert mehr Menschen abgeschoben werden. Stattdessen führten sie zu noch mehr Härte und Verletzungen der Grundrechte.
Ähnliche Bedenken äußerte auch der Saar-Juso-Chef Steven Commey-Bortsie. Er bezeichnete den von Scholz geforderten harten Abschiebekurs im SR-Interview als "Etikettenschwindel". Die eigentlichen Probleme lägen ganz woanders. Statt mehr abzuschieben gelte es, die Kommunen bei der Unterbringung der Geflüchteten besser zu unterstützen.
Durch die Krisen in der Welt, würden weiter viele Menschen nach Deutschland kommen. Davon könnte nur ein geringer Anteil abgeschoben werden. Die Zahl der möglichen Abschiebungen falle hier nicht ins Gewicht – auch nicht im Saarland, so der Saar-Juso-Chef.
Saar-SPD unterstützt, CDU fordert Begrenzung der Zuwanderung
Der Chef der Staatskanzlei, David Lindemann, sprach von einem richtigen Schritt, der auch Strahlkraft in die Bevölkerung entfalten soll. Es gehe bei dem Paket darum, die Probleme, die viele Menschen bewegen und die alle Bundesländer haben, zu adressieren, so Lindemann. Dabei sei es eine schlichte Selbstverständlichkeit, dass Menschen ohne Bleibeperspektive das Land verlassen müssen, so der SPD-Politiker.
Für die CDU-Opposition ist das Paket nur einer von meheren Schritten. Es brauche eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland forderte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im saarländischen Landtag, Schäfer.
Auch der Merziger Bürgermeister Markus Hoffeld (CDU) begrüßte die geplanten Änderungen. „Sie helfen uns möglicherweise ein Stück weit, so dass dadurch möglicherweise mehr Wohnraum frei wird“, so Hoffeld. Das sei in Merzig immer noch ein Problem.
Wer kein Bleiberecht habe, solle auch entsprechend schnell nach Hause. „Nicht nur, weil dann nochmal Wohnraum zur Verfügung steht, sondern auch für den Menschen, der hier kein Asyl bekommen hat. Ich glaube, das ist ansonsten Hängepartie“, ergänzte Hoffeld.
Ausreisepflicht führt nicht zwingend zur Abschiebung
Im Saarland wurden von Januar bis September nach Angaben des Innenministeriums 111 Menschen abgeschoben, 2022 waren es insgesamt 120 gewesen. Das Saarland liegt damit im Bundestrend, denn auch deutschlandweit ging die Zahl der Abschiebungen nach oben.
Dabei gilt auch, dass es bundesweit deutlich mehr Ausreisepflichtige als tatsächliche Abschiebungen gibt. Laut Zahlen der Bundesregierung waren Ende des ersten Halbjahres 279.098 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. 224.768 wurden jedoch geduldet.
Wer ausreisepflichtig ist, wird also nicht zwangsläufig direkt abgeschoben. Gegen eine Abschiebung können mehrere Gründe sprechen etwa die Sicherheitslage im Herkunftsland, fehlende Pass- und Reisedokumente, Krankheit oder auch wenn der Betroffene eine qualifizierte Berufsausbildung begonnen oder Kinder mit Aufenthaltserlaubnis hat.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 25.10.2023 berichtet.
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02.11.2023, 14:46 Uhr
Hinweis der Redaktion: Das Innenministerium hat die ursprünglich gemeldeten Zahlen zu Abschiebungen nachträglich korrigiert. Statt 122 wurden bis Ende September 111 Menschen aus dem Saarland abgeschoben.