Grabmahl zum Gedenken an Samuel Kofi Yeboah (Foto: SR)

Yeboah-Prozess: Mordurteil gegen Peter S. gilt als wahrscheinlich

Thomas Gerber   20.07.2023 | 06:30 Uhr

Der Yeboah-Prozess steht kurz vor dem Abschluss der Beweisaufnahme. Das Verfahren gegen den ehemaligen Saarlouiser Neonazi Peter S. geht jetzt in eine Sommerpause und wird Mitte August fortgesetzt. Ein Urteil gegen den 52-Jährigen wegen Mordes gilt als wahrscheinlich.

Die 38 Verhandlungstage in der ehemaligen Bibliothek des Oberlandesgerichts Koblenz haben manch eine überraschende Wende gebracht. Zunächst waren Peter S. und seine Verteidiger auf "Freispruch" aus und hatten gar die Brandlegung und die Existenz einer gewaltbereiten Neonaziszene zum Auftakt in Frage gestellt. Peter S. wurde als sorgender, geläuterter und inzwischen unbescholtener Familienvater präsentiert.

Doch das änderte sich schlagartig, als das Gericht einen "Deal" anbot und damit klar wurde, dass die fünf Berufsrichter auf Verurteilungskurs sind. Der Deal platzte zwar offiziell, aber nach kurzem Zögern präsentierte die Verteidigung eine "geständige Einlassung", in der S. je nach rechtlicher Würdigung eine Beteiligung, wenn nicht gar eine Mittäterschaft einräumte.

Heiko S. wird belastet

Zugleich präsentierte S. überraschend einen Haupttäter. Heiko S., der am Tatabend im Bayrischen Hof mitgezecht hatte, soll die "treibende Kraft" und derjenige gewesen sein, der das Benzin mitgebracht und das Feuer letztlich gelegt habe. Das Geständnis von S. klang zwar stark an das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme angepasst und auch wie der Versuch, den Szene-Aussteiger Heiko S. mit reinzuziehen, aber gegen Heiko S. wird nun ermittelt.

Die Bundesanwaltschaft wirft ihm "mittäterschaftliche Beteiligung" an dem Mord von Samuel Yeboah vor.

Nicht nur damit sind die obersten Anklagevertreter von ihrer "Einzeltäterthese" aus der Anklage gegen Peter S. abgerückt. Sie haben vielmehr nun alle drei (möglicherweise gar vier) Teilnehmer der rechten Trinkerrunde im Bayrischen Hof am Vorabend der Tat im Visier. Neben Peter S. und Heiko S. saß dort der unumstrittene "Führer" der Saarlouiser Skins mit am Tisch: Peter St., zur Tatzeit 22 Jahre alt.

U-Haft für Peter St.

Für ihn käme das mildere Jugendstrafrecht also bei einer Verurteilung nicht mehr in Frage. Nachdem in Koblenz durch die Vernehmung fast der kompletten Saarlouiser Neonaziszene deren Strukturen akribisch offengelegt wurden, steht St. im Verdacht der "psychischen Beihilfe" zu Mord. Ohne ihn, der die Befehle gab, sei zu jener Zeit Anfang der 1990er nichts gelaufen. Schon gar nicht sei eine solche Tat "hinter dem Rücken von St." möglich gewesen.

Mit seinem Kneipenspruch "So was wie im Osten müsste auch mal hier (in Saarlouis) brennen oder passieren", hat St. seinen Nazikameraden Peter "bestärkt" wenn nicht gar den entscheidenden "Tatimpuls" gesetzt – sprich zur Tat angestiftet. St. sitzt in Untersuchungshaft. Er sei noch immer in der Naziszene vernetzt, es bestehe auch Fluchtgefahr.

NPD-Funktionär Mang tritt auf den Plan

An den letzten beiden der 38 Prozesstage rückte eine weitere Neonazi-Größe in den Mittelpunkt. Der NPD-Funktionär Markus Mang tauchte plötzlich als vierter Teilnehmer der Kneipenrunde kurz vor dem Anschlag auf. Ein eher schwadronierender Zeuge bekundete, dass Mang nach eigenen Angaben am Vorabend des Anschlags mit im Bayrischen Hof gewesen sei und das Gerede über den Anschlag zwar eher als Zaungast, aber doch mitbekommen habe.

Zugleich soll er diesen Zeugen zum Schweigen gegenüber der Polizei verdonnert haben. Warum Mang plötzlich – erst vor wenigen Wochen – dem Zeugen von seiner Teilnahme am Kneipenabend erzählt haben soll, ist zwar nicht recht nachvollziehbar. Aber klar ist – es war nicht das erste Mal, dass der NPD-Politiker nach Wiederaufnahme der Ermittlungen 2020 bei den alten Kameraden aufgetaucht ist, um sie ans Schweigegebot gegenüber der Polizei zu erinnern.

Viel Dynamik im Yeboah-Prozess

Machte er da die Arbeit von Peter St., der ja laut Telefonmitschnitten davon ausgegangen war, dass er abgehört und observiert wird? Mang selbst machte vor dem OLG keine Angaben, um sich nicht selbst zu belasten. Ob nun auch gegen Mang ermittelt wird, ist zwar offen. Jedoch zeigt der Vorgang: Auch wenn die Beweisaufnahme im Mordprozess gegen Peter S. so gut wie abgeschlossen scheint, in dem Verfahren ist noch viel Dynamik. Weitere Ermittlungen, Anklagen und Prozesse könnten folgen.

Die 38 Tage in Koblenz haben eindrucksvoll gezeigt: Saarlouis war Anfang der 1990er eine Hochburg von Skins und Neonazis. Die Szene war vernetzt, hatte bei Konzerten rund ums St. Ingberter "Spinnrädchen" Zulauf aus der ganzen Republik – auch aus dem Osten. Die Saarlouiser Glatzen waren zutiefst rassistisch und äußerst gewaltbereit, agierten damals wie heute teilweise konspirativ.

Der verheerende Anschlag vom 19. September 1991 und der Tod von Samuel Yeboah sorgte bei ihnen für Jubel. Wie auch immer das Geständnis von Peter S. gewertet wird, der 52-Jährige hat einen Mord gestanden und wird deswegen vermutlich Ende September / Anfang Oktober für mehrere Jahre ins Gefängnis wandern. Fraglich ist, ob ihm weitere folgen werden.

Der Podcast zum Fall Yeboah

Die Podcast-Serie zum Mordprozess
Der Fall Yeboah – Rassismus vor Gericht
1991 stirbt Samuel Yeboah durch einen Brandanschlag auf die Asylunterkunft in Saarlouis. Erst über 30 Jahre später wird der Mord als rassistisch motivierte Tat verfolgt und steht möglicherweise vor der Aufklärung. Warum erst jetzt? Dieser Frage gehen die SR-Journalistin Lisa Krauser und ihre beiden Kollegen Thomas Gerber und Jochen Marmit in einem mehrteiligen Podcast nach.


Weitere Informationen zum Fall Yeboah

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