Erleben die Dorfkneipen im Saarland wieder eine Renaissance?
In Saarbrücken sind die Kneipen am Wochenende oft gut besucht, etwa am St. Johanner Markt oder im Nauwieser Viertel. Davon können Dorfkneipen nur träumen – weshalb es dort immer weniger gibt. Wie Kneipen noch überleben können, zeigen zwei Beispiele aus Oberwürzbach und Mondorf.
Bier aus dem Zapfhahn, Tresen, Hocker und viele Stammgäste – „Bierkultur Wagner“ ist der neue Mittelpunkt des Dorflebens in Oberwürzbach. Der Name klingt nach Schickimicki – doch damit hat die Kneipe nichts zu tun. Hier gibt es heimisches Bier und bürgerliche Küche.
Mutter und Sohn beleben alte Kneipe
Über ein Jahr mussten die Einwohner des Dorfes auf eine solche Anlaufstelle warten, nachdem das Café Wannemacher dicht gemacht hatte. Dass es in Oberwürzbach wieder eine Kneipe gibt, ist Marion Wagner und ihrem Sohn Daniel zu verdanken. Er ist Inhaber, sie steht hinter dem Tresen.
„Wir hatten in Sulzbach ja das Bistro“, sagt sie. „Das war ein Reinfall. Dann hatten wir im Internet geguckt und diese Kneipe hier gesehen. Und da ich schon 20 Jahre in Oberwürzbach gewohnt habe, war es einfach, herzugehen, fertig.“
Kneipensterben fing in den 1950er Jahren an
Die Wagners trotzen dem Trend, denn alleine in den vergangenen zehn Jahren habe etwa jede dritte Kneipe in Deutschland dicht gemacht, sagt der Wirtschaftsgeograf Martin Franz von der Universität Osnabrück. „Im Grunde können wir sagen, dass das Kneipensterben schon in den 1950er Jahren angefangen hat, nämlich mit der Ausbreitung von Fernseher und Kühlschrank.“
Gleichzeitig sei der Wohnraum zuhause pro Kopf viel, viel größer geworden. „Das heißt, man muss nicht mehr von zuhause fliehen, weil es so beengt ist. Und der Anspruch der Gäste und Gästinnen an Gastronomie, wenn sie ausgehen, hat sich auch gewandelt. Man will in dem gleichen Laden, wo man trinkt, auch essen.“
Kein Patentrezept
Auch das Gasthaus der Wagners ist keine reine Bierkneipe. Dort gibt es Steaks auf Vorbestellung und auch sonst eine kleine Speisekarte. Das kommt gut an.
Ein Patentrezept, wie eine Dorfkneipe überlegt, gibt es aber nicht. „Die Kneipen, die noch gut überleben, haben eben oft irgendwas Besonderes an sich, das sie absetzt, zum Beispiel durch die Durchführung von irgendwelchen Veranstaltungen, Events, durch besonders freundliches Personal, durch eine besonders gemütliche Atmosphäre oder einfach auch, weil es in der Umgebung eben gar keine anderen Kneipen mehr gibt.“
Viele Kindheitserinnerungen
Im 700-Seelen-Dorf Mondorf ist das Gasthaus Calmes inzwischen die letzte Kneipe. 1911 wurde sie von Manfred Calmes‘ Uropa eröffnet.
Viele Kindheitserinnerungen hängen für Manfred „Manne“ Calmes hier: „Die Mondlandung, WM ’66, oder Cassius Clay hat geboxt, nachts um drei, und die Kneipe war voll. Das waren schon Highlights. Und da ist man halt in die Gaststätte gegangen zum Fernsehen. Auch zum Telefonieren sind die Leute gekommen, weil sie zuhause kein Telefon hatten.“
Urige Atmosphäre
Das sieht heute anders aus: Seit der Vater von Manfred Calmes vor zwei Jahren verstarb, ist die Kneipe nur noch von Freitag bis Sonntag geöffnet. Bier vom Fass gibt es jetzt auch nicht mehr. „Das würde die ganze Woche stehen, bis zum Wochenende. Geht nicht“, sagt Calmes.
Unverändert ist die urige Atmosphäre – und der Stammtisch, der seit Jahrzehnten zum Frühschoppen kommt. „Eine richtige, dörfliche Gaststätte, wie man sie braucht, wie man sie früher hatte, wie es früher Tradition war, findet man ja fast nicht mehr. Und deshalb fühlen wir uns hier pudelwohl“, sagen die Stammgäste Klaus Oberbillig und Erich Folz.
Einnahmen reichen nicht – Familie macht trotzdem weiter
Seit drei Jahren trainiert der Mondorfer Dartverein DC Schrotflint im angebauten Saal, und seitdem sind auch wieder mehr jüngere Gäste im Calmes. „Dadurch, dass wir jetzt hier Automaten stehen haben, treffen wir uns jetzt dann auch Samstag, Sonntag, wie heute, um hier zu spielen oder auch nur vorne in der Kneipe zu sitzen und uns mit den anderen Leuten zu unterhalten“, sagt Raphael Schlichter vom DC Schrotflint Mondorf.
Die Einnahmen reichen für Rentner Manfred Calmes nicht mehr, um den Lebensunterhalt zu sichern. Dennoch: Die Kneipe aufzugeben kommt für die Familie nicht infrage. „Wir sind ja hier schon ein Traditionsbetrieb seit 100 Jahren. Und wenn wir jetzt als letzte Wirtschaft hier im Dorf wegfallen, wär es schon schade.“
Solange das Gasthaus Calmes eine Kneipe ist, wie man sie braucht, so lange macht die Familie auch weiter.
Über dieses Thema hat auch „Wir im Saarland – Das Magazin“ vom 13.06.2024 berichtet.